Der kleine Lord

Blu-ray Review

Der kleine Lord Blu-ray Review Cover
AL!VE, seit 09.10.2015

OT: Little Lord Fauntleroy

 


Erbfolge

Zeit, einen alten Klassiker zu entstauben und ihm seine Ehre zu erweisen.

Inhalt

Der kleine Cedric lebt seit dem Tod seines Vaters mit der Mutter alleine in Brooklyn, New York. Er ist ein guter Junge, der gerne mal auf einen kleinen Schnack bei der Obstverkäuferin am Straßeneck anhält und nur wenig mit den halbstarken Jungs der Gegend am Hut hat. Das mag auch daran liegen, dass Cedric britische Wurzeln hat – und die holen ihn nun ein. Der alte Earl von Dorincourt, Cedrics Großvater, hatte seinerzeit dessen Vater aufgrund der Hochzeit mit der Amerikanerin verstoßen, braucht nun aber einen Erben, weshalb er seinen Bediensteten schickt, um Cedric nach England zu holen. Dort trifft der junge „Little Lord Fauntleroy“ allerdings auf einen griesgrämigen alten Mann, dem sein eigenes Wohl das Wichtigste ist. Noch dazu muss seine geliebte Mama bei den Hausangestellten leben, da der Earl sie nach wie vor nicht akzeptiert. Doch bald schon geschieht ein kleines Wunder: Die unbeschwerte und unbefangene Art von Cedric weicht den hartherzigen Aristokraten mehr und mehr auf, weckt gar die soziale Ader in ihm. Es scheint alles gut zu werden, bis eine dritte Partei auftaucht und Anspruch auf das Erbe erhebt …

Während im Fernsehen zu Weihnachten alljährlich der britische TV-Fernsehfilm von 1980 gezeigt wird, in dem Sir Alec Guinness und Ricky Schroder als ungleiches Paar spielen, gab es schon bedeutend vorher entsprechende Verfilmungen von Der kleine Lord (Original: Little Lord Fauntleroy). Das Kinderbuch von Frances Hodgson Burnett, das 1886 erstmalig erschien, erfuhr seine erste Filmadaption 1921 in der Stummfilmzeit. 1936 nahm sich dann John Cromwell der Geschichte an und besetzte sie mit den damals populären C. Aubrey Smith (der auf die Rolle britischer Aristokraten abonniert war) und dem jungen Freddie Bartholomew, der zuvor durch Anna Karenina und David Copperfield zum Kinderstar wurde. Als Schuhputzer Dick nahm man den ungleich großmäuligeren Mickey Rooney, der in den folgenden Jahren Bartholomew in Sachen Popularität überholen sollte und später eine Ikone des US-Films wurde (er agierte in über 300 Filme während seiner 88!-jährigen Karriere). Da diese Version von Der kleine Lord im Fernsehen keine Beachtung mehr findet und von der britischen Variante (die sich im Übrigen von dieser hier überdeutlich inspirieren ließ) verdrängt wurde, ist es Zeit, eine Lanze für die erste Ton-Verfilmung zu brechen – zumal sie seit Anfang Oktober erstmalig auf Blu-ray erschien. Vielleicht sind Alec Guinness und Ricky Schroder ein bisschen niedlicher als Bartholomew und Aubrey Smith, dennoch ist die universelle Geschichte rund um gegenseitige Vorurteile und das Kümmern um sozial Benachteiligte auch hier charmant vorgetragen. Herausragend ist Havisham, der Butler des Earl, dessen weise und verschmitzte Einstellung als Kontrapunkt zum Griesgram bestens funktioniert. Auch der Witz zwischen Cedric und seinem Opa funktioniert – beispielsweise wenn der Junge dem alten Herrn anbietet, ihn auf seine Schultern gestützt zum Essenstisch zu geleiten und er bei der Last bemerkt, dass es kein allzu weiter Weg sein sollte.

Bild- und Tonqualität

Die restaurierte Fassung von Der kleine Lord liefert ein verhältnismäßig gut aufgelöstes Bild, das allerdings nur bedingt von Drop-outs, Blitzern oder Störern gesäubert wurde. Das mag aber an der geringeren Kompression liegen, die insgesamt schärfer daher kommt. Im Vergleich dazu kann man auf der DVD-Fassung (im Extra-Bereich anwählbar) weniger dieser Schmutzpartikel sehen. Allerdings ist diese dafür deutlich weicher und unschärfer. Gut gelungen ist die Kontrastierung, die recht gut zwischen hellen und dunklen Bildbereichen differenziert. Der schwarz-weiß-Film wirkt deshalb lebhaft und recht plastisch. Zeitgenössische Kamerawackler und Helligkeitsschwankungen beließ man einfach drin und im Prinzip sind auch die Störstreifen irgendwie charmant.
Auf der deutschen Tonfassung (beide liegen in 2.0-Dolby-Digital-Mono vor) wurde der orchestrale Filmscore von Der kleine Lord deutlich stärker in den Hintergrund gemischt. Die 2012 neu synchronisierte Fassung liefert dafür eine wirklich gute Stimmverständlichkeit – aus nostalgischen Gründen muss man so eine junge Synchro natürlich als wenig authentisch kritisieren, wenngleich sie wirklich gut gelungen ist. Die Originalfassung hingegen leidet unter übersteuerten bis kieksigen Stimmen, die kaum verständlich sind, selbst wenn man des Englischen eigentlich mächtig ist. Da ein paar Szenen nachträglich eingefügt wurden, liegen diese in der deutschen Fassung nicht synchronisiert vor – an diesen Stellen merkt man im direkten Vergleich den Qualitätsunterschied der beiden Versionen.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Der kleine Lord hält sich die DVD-Fassung sowie der Trailer des Films auf.

 

Fazit

Die 1936er Fassung von Der kleine Lord fristet zu Unrecht ein Schattendasein hinter der britischen TV-Fassung von 1980. Da das Fernsehen den Film seit 1982 geflissentlich ignoriert, ist es höchste Zeit, mal das „Original“ einzulegen und sich in der Weihnachtszeit von der universellen Geschichte herzerwärmen zu lassen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 50%
Tonqualität (Originalversion): 30%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: AL!VE
Land/Jahr: USA 1936
Regie: John Cromwell
Darsteller: Freddie Bartholomew, Dolores Costello, C. Aubrey Smith, Guy Kibbee, Mickey Rooney
Tonformate: Dolby Digital 2.0 Mono: de, en
Bildformat: 4:3
Laufzeit: 102
Codec: MPEG-2
FSK: 16

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen!