Der Landarzt von Chaussy

Blu-ray Review

Alamode/AL!VE AG, 27.01.2017

OT: Médecin de campagne

 


Wachwechsel

Ein schwerkranker Landarzt muss widerwillig einen Ersatz für sich finden.

Inhalt

Temporaltumor, linke Seite, inoperabel – Dr. Jean-Pierre Werner nimmt seine Diagnose gefasst auf, muss aber seinen Job als Landarzt, den er seit 30 Jahren ausübt aufgeben, um seine Genesung mithilfe der Chemotherapie zu unterstützen. Das macht er allerdings kaum freudestrahlend, denn eigentlich findet er, dass es kaum jemand so gut machen würde wie er selbst – zumal er nicht nur ärztlichen Rat gibt, sondern auch als sozialer Helfer in der Not fungiert. Doch, es hilft ja nichts, er kann nicht ewig so weiterarbeiten. Also stellt sich bald Dr. Nathalie Delezia vor, die Jean-Pierre von vornherein für wenig geeignet hält – hat sie doch gerade erst ihre Ausbildung abgeschlossen, obwohl sie schon mittleren Alters ist. Also beäugt er sie während ihrer Einarbeitungsphase äußerst kritisch und korrigiert sie, wo er kann und lässt sie absichtlich auflaufen. Doch Nathalie lässt sich weder von aggressiven Gänsen, noch von renitenten Patienten beirren. Und so bringt sie nach und nach die Patienten und dann sogar Jean-Pierre auf seine Seite.

Mit mehr als 1,5 Mio. Zuschauern konnte François Cluzet erneut einen riesigen Hit in Frankreich landen. Seitdem er als Querschnittsgelähmter Philippe in Ziemlich beste Freunde einem großen Publikum auch außerhalb Frankreichs bekannt wurde, wird praktisch alles zum Erfolg, bei dem der charmante, in Paris geborene Schauspieler mitwirkt. In Thomas Liltis Tragikomödie Der Landarzt von Chaussy (eine 650-Seelen-Gemeinde nordwestlich von Paris) gibt er den spröden, manchmal strengen, aber seine Arbeit und die Menschen liebenden Arzt, der noch Hausbesuche macht und sich nebenbei um soziale Missstände sorgt. Das macht er zwar ein wenig muffeliger als sonst, was allerdings durchaus zu den Entwicklungen passt, durch die seine Figur im Film geht. Der Landarzt von Chaussy ist aber weder ein französisches Doktor und das liebe Vieh,  noch vergleichbar mit der (fast) gleichnamigen deutschen TV-Serie. Vielmehr erzählt Lilti eine Geschichte über das Leben in all seinen Facetten und spart dabei natürlich den Tod nicht aus. Außerdem ist es eine Liebeserklärung an das Leben in der ländlichen Provinz. Dass der Film hierfür keine Postkartenbilder sucht, sondern möglichst nahe an der (manchmal auch regnerisch-grauen) Realität bleibt, lässt ihn nur noch authentischer wirken und vermittelt die Melancholie, die ihm ohnehin innewohnt, noch intensiver. Wirklich bewegend ist die Geschichte um Jean-Pierre. Die Auswirkungen seiner Tumorerkrankung kommen zunächst fast beiläufig, wenn er sein Essen beispielsweise nur noch halb aufisst. Die Kamera fängt das unaufgeregt ein, was die Intensität noch erhöht und dem Zuschauer einen Kloß im Hals beschert. Der Landarzt von Chaussy ist ohnehin kein spekulativer oder effekthaschender Film und zeigt normale Menschen mit normalen Problemen und normalen Krankheiten – eine angenehme Abwechslung vom Hollywood-Hochglanz. Nur ab und an bekommt man schon mal das Gefühl, dass Szenen ein wenig überflüssig sind und den Film etwas in die Länge ziehen. Doch weil Marianne Denicourt an Cluzets Seite erfrischend unvorhersehbar agiert, schaut man auch dem 8. Countryfestival der Dorfgemeinschaft gerne zu. Schon der ungewöhnliche Lebenslauf Nathalies hebt ihren Charakter hervor und Denicourt ergänzt Cluzet hervorragend – vor allem die Streitgespräche zwischen den beiden sorgen für temperamentvolle Situationen. Dass es im Verlaufe auch zu angedeuteten romantischen Momenten kommt, schadet dem Film schon alleine deshalb nicht, weil es zu keiner Zeit überkonstruiert wirkt.

Bild- und Tonqualität

Beim Bild von Der Landarzt von Chaussy konzentriert man sich vornehmlich auf warme, manchmal braun, oft aber gelb gefilterte Farben, die Gesichter ab und an etwas kränklich wirken lassen. In helleren Bereichen ebenso wie in dunkleren Szenen mangelt es an Kontrast und Kraft. Schwarz ist deshalb nie wirklich knackig. Auch die Schärfe lässt etwas zu Wünschen übrig, gelingt aber in Close-ups annehmbar. Ein bisschen Körnung zeigt sich hin und wieder und ist dabei nicht konstant oder homogen. Allerdings stört es auch nicht über die Maßen.
Ein wenig Räumlichkeit kommt auf, wenn nach zweieinhalb Minuten der luftige Filmsong einsetzt und die eher melancholischen Bilder mit den passenden Sound versorgt. Der Landarzt von Chaussy mag vornehmlich dialogbasiert sein, doch immer, wenn die Filmmusik einsetzt, öffnet sich der Raum angenehm. Die Stimmen kommen gut verständlich rüber und klingen ausgewogen.

Bonusmaterial

Im Bonusbereich von Der Landarzt von Chaussy finden sich zwei entfernte Szenen sowie zwei Interviewbausteine von jeweils einer Viertelstunde. Das erste ist alleine mit Regisseur Lilti, beim zweiten gesellen sich auch seine beiden Hauptdarsteller dazu.

Fazit

Der Landarzt von Chaussy ist im besten Sinne altmodisches Erzählkino mit authentischen Figuren und lebensnahen Ereignissen. Freunde französischen Kinos greifen zu und werden mit tollem Schauspiel und melancholischer Grundstimmung belohnt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 25%
Film: 75%

Anbieter: Alamode/AL!VE
Land/Jahr: Frankreich 2016
Regie: Thomas Lilti
Darsteller: François Cluzet, Marianne Denicourt, Isabelle Sadoyan, Félix Moati, Christophe Odent, Patrick Descamps, Guy Faucher
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 103
Codec: AVC
FSK: 6

Trailer zu Landarzt von Chaussy

Der Landarzt von Chaussy - Trailer deutsch

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