Der Leuchtturm

Blu-ray Review

Universal Pictures Germany, 09.04.2020

OT: The Lighthouse

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Das Licht ist meins!

Der Regisseur von The Witch legt einen beeindruckenden neuen Film vor.

Inhalt

„Die einzige Medizin ist der Schnaps“ – Thomas Wake ist ein altgedienter Seemann und kommt schon zum x-ten Mal für eine vierwöchige Schicht auf den Leuchtturm vor der Küste Neuenglands. Seine Erfahrung und Abgebrühtheit lässt er den neuen Gehilfen Ephraim Winslow spüren. Denn während Thomas sich um das Licht kümmert – und nur das – raunzt er Ephraim an, die harten Arbeiten an der Zisterne, auf dem Dach oder beim Befeuern des kleinen Kraftwerks zu übernehmen, das das Licht mit Energie versorgt. Das einzige Zusammentreffen findet abends beim Essen statt oder wenn Wake mal wieder eine Tirade sondergleichen ablässt, um seinen Gehilfen zu demütigen. Ephraim hingegen gibt Contra und lässt sich nicht als Sklaven behandeln. Je mehr Tage ins Land ziehen, desto mysteriöser wird Thomas‘ Verhalten. Warum will er nicht, dass Ephraim zum Licht geht? Was ist mit Winslows Vorgänger wirklich passiert? Und was hat es mit der seltsamen Meerjungfrau auf sich, die Ephraim zu sehen beginnt? Während die Spannungen zwischen den beiden Männern zunehmen, hofft Ephraim auf das Ende der Schicht nach vier Wochen. Doch dann verhindert das Wetter, dass das Ablöseboot anlegt und die beiden unterschiedlichen Kerle müssen noch länger miteinander klarkommen …

2015 hatte der junge Robert Eggers mit The Witch einen mystischen Horrorthriller vor dem Hintergrund puritanisch-strenger Gläubigkeit präsentiert, der vom Wahnsinn erzählt, der eine von der Außenwelt isolierte Familie heimsucht. Nun, knapp fünf Jahre später, präsentiert er seinen zweiten Film, den er dieses Mal mit seinem Bruder Max zusammen geschrieben hat. Tatsächlich hatte Max Eggers das Skript auf Basis der unfertigen und gleichnamigen letzten Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe begonnen. Von der ist im fertigen Film nun zwar nichts mehr übrig geblieben, aber dafür eine Idee, die Robert einbrachte: Robert erinnerte sich an einen Vorfall, der 1801 am Smalls Lighthouse an der Westküste Englands stattfand. Dort hatten zwei Leuchtturmwärter Dienst. Als einer von beiden starb, fürchtete der andere, dass man ihn des Mordes bezichtigen könnte, wenn er den Leichnam einfach ins Meer werfen würde. Also baute er einen provisorischen Sarg und platzierte diesen am Rand der Küste. Dort bliesen die Winde jedoch so stark, dass der Sarg sich öffnete, ein Arm des Toten herausfiel und durch die Luftbewegungen zu winken begann. Der übrig gebliebene Leuchtturmwärter konnte dieses Schauspiel durch ein Fenster beobachten, was ihn nach und nach in den Wahnsinn trieb. Wahnsinn scheint also ein beliebtes Motiv für Eggers zu sein, denn auch in Der Leuchtturm fallen seine Protagonisten langsam dem Irrsinn anheim.

Hier ist es erneut die Isolation, die dafür sorgt, dass zwei Männer bald nicht mehr Herr über die Situation und über ihre Sinne sind. Die räumliche Enge, die die Protagonisten im Film erfahren, drückt Eggers auch über die Bilder selbst aus. Im fast quadratischen Format von 1,19:1 produziert, spürt man den Druck, der auf Ephraim lastet, schon alleine durch die visuelle Gestaltung. Und selbst das ist dem Regisseur noch nicht eng genug. In vielen Szenen lässt er bei verfügbarem Licht (available Light) nur einen Schein in der Mitte des Bildes zu oder inszeniert seine Figuren mit einem Blick durch eine offene Tür. Hier nimmt Der Leuchtturm fast ein Handy-Hochformat an und wirkt umso bedrückender. Es ist diese Atmosphäre, die den Film so faszinierend werden lässt. Die Vermischung aus schmuddeligen Schwarz-Weiß-Bildern, Nebel, Regen, matschigen Wegen, extremen Naheinstellungen der beiden Darsteller sowie das Filmen bei verfügbarem Licht lässt das Geschehen zum visuellen Genuss werden. Selbstverständlich nicht für den Mainstream-Fan, der mit schwermütigen Bildern und einer sich nur langsam entfaltenden Geschichte nur bedingt etwas anfangen kann. Zumal es im letzten Drittel auch mal ziemlich surreal werden kann und ein paar brutale Szenen auch für einen Moment den Atem stocken lassen. Dazu wird das Geschehen mit einem kongenial begleitenden Score unterlegt, der immer wieder von diesem Signalhorn begleitet wird, das ein unangenehmes Gefühl im Magen hinterlässt. Dennoch ist Der Leuchtturm weniger Horror als Psycho-Drama. Am Ende auch etwas weniger packend als der großartige The Witch.

Selbst wenn man aber nicht unbedingt etwas mit dem Setting und der Story anfangen kann, kann das jeder Filmfan mit den Leistungen der beiden Hauptdarsteller. Es sei fürs Protokoll aufgenommen, dass der Verfasser dieser Zeilen wahrlich kein Fan von Robert Pattinson ist. Gar nicht. Tatsächlich geht er so weit, dass ihm noch keine Leistung des ewigen Vampirs Edward gefallen hat. Und er mag gar nicht an seine kommende Verkörperung als Batm… ach, lassen wir das. In Der Leuchtturm hat man es ihm nun wirklich nicht leicht gemacht. Da muss er in einem Zwei-Personen-Kammerspiel ausgerechnet mit, bzw. gegen Schauspiel-Gigant Willem Dafoe agieren/antreten. Pattinson KANN dagegen nur verlieren – zumal seine Rolle auch undankbarer ist. Aber ohne Vorurteils-Schublade im Kopf: Pattinson schlägt sich gut (hab‘ ich das gerade wirklich geschrieben?), sehr gut sogar. Natürlich hat er nur wenig entgegenzusetzen, wenn Dafoe ihm nach 25 Minuten eine Standpauke hält, die vielleicht zum ersten Mal in der Filmgeschichte den Ausdruck „blanker Pottwalpimmel“ bereithält. Aber er schlägt sich wacker. Und nach knapp 90 Minuten darf er sich mit einer ähnlichen Tirade rächen und seine aufgestaute Wut rausspucken. Das macht er wirklich klasse. Noch wichtiger aber: Man nimmt es ihm ab. Dass es am Ende ein wenig hoppla hopp geht und ein großes Geheimnis des Films ungelüftet bleibt, ist ein kleiner Wermutstropfen auf einen ansonsten stilsicheren und stimmungsvollen Psychothriller.

Bild- und Tonqualität

Ups, was ist denn da los? Wer oben schon im Review selbst gelesen hat, weiß es bereits: Der Leuchtturm wurde nicht im Breitbildformat ins Kino und auf die Blu-ray gebracht. Man könnte auf den ersten Blick vermuten, dass es sich um das alte TV-Format 4:3 handelt, doch es ist sogar noch knapper. Denn das aktive Bildseitenverhältnis liegt bei 1,19:1 – also FAST ein quadratisches Bild. Gefilmt wurde mit der Panavision Panaflex Millennium XL2, einer analogen Filmkamera. Vom 35mm-Filmformat wurde aber ein hochaufgelöstes 4K Digital Intermediate angefertigt, das auch ohne UHD-Veröffentlichung hierzulande die Basis für die Blu-ray liefert. Hinzu kommt natürlich die Tatsache, dass in Schwarz-Weiß gefilmt und das Bild durch die verwendeten Filter und Optiken sowie die Postproduktion noch einmal bearbeitet wurde. Die Körnung, die sich hier auf den Hintergründen zeigt, ist während der Außenszenen schon sehr deutlich ausgeprägt und erinnert an die ganz alten Filme aus den 20ern und 30ern. Auf dem gleichen Filmmaterial aufgenommen wie die Anfangsszene von James Bond: Casino Royale wirken die Bilder entsprechend sehr ähnlich.
Im Prinzip kann man aus technischer Sicht hier wenig Vorwürfe machen. Vielleicht wäre es schöner gewesen, wenn die Körnung beständiger und gleichmäßiger gewesen wäre. Vielleicht hätte hier und da noch mal etwas mehr knackiges Schwarz gut getan, da es immer mal etwas gräulich erscheint. Dafür punktet die BD mit knackscharfen Close-ups, die jedes Detail und Barthaar in Dafoes Gesicht abbilden.

Der Leuchtturm bietet fürs Deutsche eine reguläre dts-Spur, die zu Beginn den Score recht eindrucksvoll aufbranden lässt und auch das Wasser am Bug des Kahns recht dynamisch ins Heimkino plätschern lässt. Auch das Signalhorn kommt ziemlich beeindruckend rüber und der Wind rund um den Leuchtturm ist das beständige Salz in der Akustik-Suppe. Für echte Dynamiksprünge sorgt dann der Riemenantrieb des Leuchtturms sowie das Versorgen des Feuers mit Kohle. Die Akustik innerhalb des Gebäudes ist gedämpft und klingt deshalb authentisch. Dialoge bleiben jederzeit gut verständlich und haben ebenfalls einen realistischen Nachhall, sodass man sich mittendrin wähnt. Was ebenso für Tonattacken sorgt, sind die aggressiven Vorstöße des Scores in den unheimlichen oder dramatischen Momenten. Das kann allerdings auch schon mal nerven, weil der Ton hier etwas unangenehm hoch-/mittenbetont ist. Echtes Fundament findet man hier eher nicht. Der Subwoofer bleibt zwar aktiv, greift aber nur bedingt ins Geschehen ein. Dafür gibt’s aber immer wieder räumliche Szenen wie ein heftiges Gewitter mit Donnerschlag sowie den beständigen Regen, der fast bei jeder Außenszene zu fallen scheint. Selbst die Attacken der Möwen werden sehr effektvoll auf die Speaker verteilt. Im Gesamtgeschehen sind die Dialoge allerdings etwas zu leise. Das gilt im Übrigen aber auch für die englische Sprachausgabe, die trotz dts-HD-Master nicht wesentlich dynamischer oder druckvoller klingt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Der Leuchtturm finden sich zwei kurze entfernte Szenen sowie der Audiokommentar von Regisseur Eggers. Dazu gibt’s ein dreiteiliges Featurette, das neben Storyhintergründen, Figuren-Charakterisierung und Schauplatz-Analyse auch technischen Background liefert. Hier geht es deutlich informativer zu als in den allermeisten Making-ofs.

Fazit

Der Leuchtturm überzeugt visuell und schauspielerisch auf ganzer Linie. Das unterliegende Motiv des Wahnsinns aufgrund von Isolation wird durch Pattinson und Dafoe glaubwürdig transportiert und jeder, der es bisher noch nicht wusste, ist am Ende auch in einem bestimmten Punkt schlauer: Töte niemals eine Hochseemöwe – es wird sich rächen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%

Anbieter: Universal Pictures Germany
Land/Jahr: USA/Brasilien 2019
Regie: Robert Eggers
Darsteller: Willem Dafoe, Robert Pattinson, Valeriia Karaman
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts: de
Bildformat: 1,19:1
Laufzeit: 105
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures Germany)

Trailer zu Der Leuchtturm

Der Leuchtturm - Trailer deutsch/german HD

 

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4 Kommentare
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Stefan B.

Vielen Dank für Deine möwenfreundliche Rezension. Wie immer, auf den Punkt.
Bin komplett bei Dir.
Sobald man dem gewohnten Blick „entkommen“ ist, und dieses brillant fotografierte Werk „genießen“ kann, taucht man sehr schnell ein in diese Käptn Ahab-Wahnsinn-Drogen-wasauchimmer“-Geschichte.

Super spannendes Bildformat, in einer irren schwarz-weiss-anamorph-Optik, mit wirklich herausragenden Darstellern. Von Willem Defoe ist man ja schon einiges gewohnt, auch habe ich Pattinson schon des Öfteren in beeindruckender Weise gesehen, aber das ist dann schon echt – anstrengend. Ich bin auch nicht wirklich zu Hause in der Welt der arthouse-waswardasdennjetzt-Filmen von Robert Eggers. The Northmen war zwischen perfekt und „huch“, The Witch habe ich noch nicht geschafft aber ich weiß die Bildsprache und die Ambitionen (Pilze?) doch ab und an zu schätzen.

Dein Tipp passt – wobei ich das echt nicht jeden Tag kann – jetzt nehme ich noch einen kleinen Schluck Seichtigkeit (Killers of the flower moon) um dann mal wieder etwas richtig anspruchsvolles zu schauen – nochmals Renfield!

Ich habe mich beim Leuchturm sehr oft dabei ertappt, an die alten Harold Lloyd Filme zu denken – die waren auch nicht ganz vogelfrei (Der Wolkenkrater).

Alessio

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