Der Nanny

Blu-ray Review

Der Nanny Blu-ray Review Cover
Warner Home, seit 08.10.2015

OT: –

 


Willkommen in der Familie!

Matthias Schweighöfers vierte Regiearbeit trifft nicht immer den richtigen Ton.

Inhalt

Die vierte Nanny in drei Monaten oder auch die siebte im letzten Jahr – je nachdem, ob man den Vater der Kinder oder die kleinen Rotzblagen von Clemens Klina selbst fragt. Auch die letzte Aufpasserin hat soeben die Biege gemacht und der Karrieremann, der gerade einen wichtigen Deal eintüten muss, steht vor dem Problem, ein neues Kindermädchen zu finden. Da kommt ihm Rolf Horst gerade Recht. Der verdutzte Allerweltstyp wollte Clemens gerade die Meinung geigen, da der Baulöwe für den Abriss seines Hauses verantwortlich ist. Außerdem wollte er Klina notfalls per Gewalt davon abhalten, an der Stelle ein neues Projekt zu realisieren. Nun steht Rolf als neue Nanny im schlosshaften Anwesen und plant, über ein freundschaftliches Verhältnis (oder notfalls per K.O.-Tropfen) den Hausherrn umzustimmen. Dafür muss er aber erst Mal an den verzogenen Kindern vorbei, die natürlich erneut alles dran setzen, die männliche Kinderfrau zu vergraulen. Doch nicht nur Clemens‘ Kinder werden ihr blaues Wunder erleben, sondern auch der skrupellose Bauherr selbst …

Dass Milan Peschel und Matthias Schweighöfer miteinander können, haben sie zuletzt im Schlussmacher bewiesen. Dort war Peschel der zerfahrene Durchschnittsbürger. In Der Nanny nun ist er … der zerfahrene Durchschnittsbürger. Alles andere wäre auch überraschend gewesen in einer Komödie von Schweighöfer, die, wie seine drei anderen Regiearbeiten zuvor auch, dem üblichen und vorhersehbaren Muster folgt. Etwas allerdings ist dann doch ein bisschen neu: Schweighöfer zeigt sein Talent zum Körperslapstick, wenn er wie ein Fisch auf dem Trockenen einen Getränkeautomat beackert und Peschel ist mal nicht aufs bloße Grimassieren beschränkt. Dazu gibt’s ein bisschen kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Karrieremensch und Kindererziehung und zwei ziemlich gute Kinderdarsteller. Vor allem Paula Hartmann als Winnie überzeugt in ihrer Rolle der vernachlässigten und nach Aufmerksamkeit schreienden Zicke.
Aber: Irgendwas muss wohl in den letzten Jahren an mir vorbeigegangen sein. Wenn sich Sechstklässler gegenseitig (oder auch gegenüber Erwachsenen) mit „Nutte“, „Opfer“, „Fotze“, „geh sterben!“, „du solltest zurückgebumst und abgetrieben werden!“ beschimpfen, dann ist das nicht witzig – echt voll nicht, jetzt! Ohne mit dem moralisierenden Zeigefinger wedeln zu wollen, vergreift sich das Drehbuch vor allem bei den Dialogen der Kids zu Beginn dermaßen im Ton, dass es für die FSK-Freigabe von 12 nicht nur grenzwertig, sondern grenzübertretend ist. Da das Ganze auch nicht in kritischem Kontext zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen steht, sondern lediglich dem kurzfristigen Selbstzweck dient, sind diese verbalen Entgleisungen mindestens ebenso zu ächten wie selbstzweckhafte Ultragewalt in Horrorfilmen – mit dem Unterschied, dass solche in der Regel erst ab 18 Jahren und somit nur für Erwachsene zugänglich sind. Gut, dass sich dies ändert, sobald sich der Ton des Films grundsätzlich zum Versöhnlichen hin wendet. Dann wird Der Nanny zwar (noch) etwas seichter, schafft aber insbesondere in den Szenen zwischen Rolf und den Kids immer mal wieder anrührende Momente. Dass die Geschichte an sich ziemlich unmotiviert aus ein paar US- und britischen Vorbildern zusammengeklaut ist, wundert nicht weiter und taugt auch nicht als Vorwurf. Das Schweighöfer/Schweiger-Publikum mag’s gerne und somit genügt das dem Regisseur/Hauptdarsteller als Rechtfertigung für wenig innovative Drehbücher. Es ist dem sympathischen Darsteller und Regisseur zu wünschen, dass er bei sienem nächsten Werk etwas weniger Brachialkomik auffährt und den Ton zwischen den Zeilen wieder etwas ausgewogener trifft.

Bild- und Tonqualität

Wenig Neues beim Bild von Der Nanny: Typisch Schweighöfer ist der von Til Schweiger geliehene Sepialook, den auch dieser Film schmückt. Dazu kommen drastische Farbkontraste, die bisweilen wirken wie ein schlecht von CMYK auf RGB umgewandeltes Foto. Gefällig hingegen ist die Schärfe, die in Nahaufnahmen zeigt, dass sogar ein ewig  jugendlich wirkender Matthias Schweighöfer langsam männliche Gesichtszüge bekommt. Ein geringes Korn ist sichtbar, passt aber gut zum Look und ist nie störend. Hin und wieder reißen helle Bereiche aufgrund der Überkontrastierung etwas aus.
Etwas befremdlich ist bisweilen der Sound von Der Nanny: Während die Verfolgungsjagd zwischen Motorroller und Geländewagen hinreichend effektvoll ist und die Abrissbirne zu Beginn vehement in Haus und Heimkino vordringt, ist vor allem Joko Winterscheidts Stimme derart dünn, dass man sich fragt, ob man den TV-Showmoderator nachsynchronisiert hat. Die Filmmusik, erneut mit glücklichem Händchen ausgewählt, liegt dafür wunderbar raumfüllend über den Lautsprechern und setzt so immer wieder Akzente.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Der Nanny finden sich witziges Outtakes, Storyboards und vier Featurettes: In „Demo“ blicken wir kurz hinter die Kulissen der Anti-Hausabriss-Demonstration. „Sportwagen“ zeigt ebenso kurz den Abgang des Ferrari Richtung Koi-Teich und „Die Nanny“ kümmert sich um „Warzenschwein“ Veronica Ferres. Kernstück ist aber das halbstündige Making-of, das Schweighöfer und Peschel extrem entspannt am Set zeigt, allerdings etwas zu viele Szenen aus dem Film integriert, um auf die 32 Minuten Spielzeit zu kommen.

Fazit

Der Nanny ist in der zweiten Hälfte ein unterhaltsamer Familienfilm, dem Teenager durchaus beiwohnen können – die erste Hälfte ist bisweilen nicht familienkompatibel und demonstriert, dass es im Namen des Entertainment auch Grenzen geben sollte.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 55%

Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Matthias Schweighöfer
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Milan Peschel, Joko Winterscheidt, Paula Hartmann, Arved Friese, Veronica Ferres
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 110
Codec: AVC
FSK: 12