Der Staat gegen Fritz Bauer

Blu-ray Review

Der Staat gegen Fritz Bauer Blu-ray Revie Cover
Alamode/AL!VE, seit 11.03.2016

OT: –

 


Held der Geschichte

Wem Fritz Bauer nichts sagt, der sollte schleunigst Lars Kraumes Film anschauen!

Inhalt

„Meine eigene Behörde ist Feindesland!“ – Generalstaatsanwalt Fritz Bauer hat kein gutes Wort für seine ihm unterstellten Kollegen übrig, nachdem er für eine Woche aufgrund eines Malheurs indisponiert war. Während Vorgesetzte aus der Politik und Kollegen im Justizwesen scheinbar nur darauf warten, dem unbequemen „Nestbeschmutzer“ nachweisen zu können, dass er seinen Job nicht mehr korrekt ausführen kann, steht der immer noch hinter seinem Ziel, die Verantwortlichen für die NS-Verbrechen vor Gericht zu stellen. Damit arbeitet er nicht nur gegen scheinbar unfassbare Täter, sondern auch gegen die eigene Nachkriegsbevölkerung, die liebend gerne vergessen würde, was da vor 15 Jahren geschehen ist. Als Bauer einen Hinweis bekommt, dass sich SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann bei Buenos Aires unter falschem Namen aufhält, sieht er endlich eine Möglichkeit, an einen ganz großen Fisch heranzukommen. Seine Arbeit erhält Unterstützung von Staatsanwalt Karl Angermann, der als einziger seinem Vorgesetzten auch ideologisch zur Seite steht. Bauers Ziel ist es, Eichmann in Deutschland vor Gericht zu stellen. Doch das wollen nicht alle in Legislative, Exekutive und Judikative. Denn Ex-Nationalsozialisten sitzen immer noch überall – selbst beim BND …

Gut zehn Monate ist es her, dass mit Im Labyrinth des Schweigens schon mal ein Film das Heimkino erreicht hat, in dem Generalstaatsanwalt Fritz Bauer eine entscheidende Rolle gespielt hat. Allerdings dort als (wichtige) Nebenfigur und von einem hervorragenden Gert Voss gespielt. War es in Guilio Ricciarellis Film ein junger (fiktiver) Staatsanwalt, der auf die Hilfe Bauers angewiesen war, stellt Der Staat gegen Fritz Bauer den Generalstaatsanwalt selbst in den zentralen Mittelpunkt. Bauer, der maßgeblich dazu beitrug, dass in der Nachkriegszeit nicht der Mantel des Schweigens über die Taten des Hitler-Regimes und seiner Mitläufer gehüllt wurde, darf ohne Übertreibung oder falsche Romantifizierung als Held bezeichnet werden. Ihm ist es zu verdanken, dass Haupttäter wie Adolf Eichmann letztlich vor Gericht gestellt wurden (wenn auch in diesem Fall in Tel Aviv) und die Auschwitz-Prozesse überhaupt erst in Gang kamen. Gleichzeitig reformierte er das Strafrecht und sorgte für demokratische Strukturen in der Justiz. Selbst wenn man seinem Schaffen unter Kollegen und (leider) auch unter der Bevölkerung kritisch oder sogar ablehnend gegenüberstand. Dies wird in einer der besten Szenen deutlich, wenn Bauer „im Keller“ fürs TV interviewt wird. Dort wirft man ihm vor, er haben den Deutschen das Land madig gemacht und solle bitte erklären, auf was man in Deutschland noch stolz sein darf. Ebenso nutzt der Film diesen Moment aber auch für eine emotionale und hochkarätige Rede Bauers, die der Kritik seiner Person gegenüber die richtigen Antworten entgegenstellt. Regisseur Kraume erlaubt sich ein paar filmische Freiheiten, indem er mit Karl Angermann eine fiktive Figur einführt, die für eine Reihe Mitarbeiter Bauers steht. Und obwohl Der Staat gegen Fritz Bauer auch dessen (später bekannt gewordene) Homosexualität thematisiert, lässt er seine Hauptfigur hier „ungeschoren“ davon kommen. Stellvertretend bekommt es Angermann, der sich in einen Transvestiten verliebt, mit Bauers Gegnern zu tun und man arbeitet diese Thematik an ihm ab. Vielleicht ist der Film hier ein wenig zu gnädig gegenüber seiner Titelfigur.

Bei aller Dramatik und Ernsthaftigkeit des Grundthemas ist Der Staat gegen Fritz Bauer durchaus auch mal witzig, wenn Bauer beispielsweise seinem Ministerpräsidenten die Frage stellt, was denn der Verfassungsschutz dazu sage, dass dieser ein Porträt von Rosa Luxemburg in seinem Vorzimmer hängen hat. Ohnehin ist es Burghart Klaußner, der in der Hauptrolle noch intensiver agiert als der schon hervorragende Gert Voss in Labyrinth des Schweigens. Das tut er voller Inbrunst aber vielleicht etwas zu dominant, denn dem echten Bauer sagt man nach, ein sehr bescheidener und wenig herrischer Mensch gewesen zu sein. Gut, dass ihm mit Zehrfeld ein Angermann gegenübergestellt wird, der auch schon mal Contra gibt. Ebenfalls herausragend und mit Tendenz zur Verursachung einer Gänsehaut spielt Sebastian Blomberg als Bauers Gegner Ulrich Kreidler bei der Staatsanwaltschaft. Und Jörg Schüttauf als BND-Mann Paul Gebhardt ist dermaßen fies, dass man ihm auf der Stelle selbst einen Prozess an den Hals wünscht. Gebhardt steht für den alten Wein, der immer noch in den Schläuchen der Institutionen fließt und der als Ex-SS-Offizier so scheinbar gar keine Lust daran hat, Urheber von Drohbriefen gegen Bauer zu finden. Möchte man unbedingt Kritik an Der Staat gegen Fritz Bauer üben, so sind das die Szenen, in denen Angermann mit Victoria im Schwulenclub zu sehen ist. Hier gelingt der Spagat zwischen persönlicher Dynamik und dem politischen Anspruch des Films nicht wirklich.

Bild- und Tonqualität

Das teils extrem helle Bild von Der Staat gegen Fritz Bauer nutzt die Filterungsmöglichkeiten heutiger Technik, um einen etwas schmuddeligen, manchmal verrauchten 50er-Jahre-Look herzustellen. Die Schärfe ist nicht immer gut, das Filmkorn wirkt analog. Die Farben sind ein wenig reduziert, entspringen eher eine Grau-Blau-Palette. Der Kontrastumfang leidet zwar etwas unter dem hellen Bild und den oft verrauchten Szenerien, ist aber hin und wieder ebenso exemplarisch hoch wie die Detailauflösung (66’20). In Sachen Akustisch darf man von einem dialoglastigen Drama wie Der Staat gegen Fritz Bauer natürlich kaum Wunder erwarten. Hin und wieder gesellt sich zu den Dialogen etwas räumliche Atmosphäre wie bei der Gesellschaftsversammlung (44’00). Während Zehrfeld und Klaußner gut verständlich sind, leidet die Stimme Blombergs unter einem etwas spitzen und komprimiert wirkenden Klang. Hin und wieder muss man da schon etwas genauer hinhören, um ihn zu verstehen.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Der Staat gegen Fritz Bauer enthält neben drei Interviews mit den Hauptdarstellern knapp neun Minuten an entfernten Szenen sowie ein Making of. In diesem fast viertelstündigen Hintergrundbericht wird noch einmal die Figur des Fritz Bauer aufgearbeitet. Dabei kommen ebenfalls die Schauspieler zu Wort. Sie berichten von ihrer Motivation und ihrer Vorbereitung auf den Film. Dazu werden recht intime Einblicke hinter die Kamera gewährt.

Fazit

Der Staat gegen Fritz Bauer ist eine ebenso eindringliche wie hervorragend gespielte Geschichts- und Lehrstunde über einen Mann, ohne den eine konfrontative Vergangenheitsbewältigung der Deutschen mit dem Zweiten Weltkrieg vielleicht nie stattgefunden hätte – ein wichtiger Film!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%

Anbieter: Alamode/AL!VE
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: Lars Kraume
Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg, Jörg Schüttauf, Lilith Stangenberg, Laura Tonke, Götz Schubert, Cornelia Gröschel, Robert Atzorn
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 106
Codec: AVC
FSK: 12

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