Blu-ray Review
OT: The Invisible Man
Überraschung
Ultraspannendes Remake des Klassikers von 1933.
Inhalt
Architektin Cecilia Kass lebt seit zu langer Zeit in einer Beziehung mit dem erfolgreichen Geschätsmann und Forscher für optische Innovationen Adrian Griffin zusammen. Zwar muss sie sich ums Geld keine Sorgen machen. Doch der Kontrollwahn Adrians sowie seine manipulative Art haben aus Cecilia ein seelisches Wrack gemacht. Kein Wunder, dass sie eines Nachts ihre sieben Sachen packt und sich aus dem gespenstisch abgeschotteten Anwesen davon macht. Ihre Schwester Alice hilft ihr bei der Flucht und bringt sie anschließend bei Cecilias altem Bekannten James und dessen Tochter Sydney unter. Die Angst vor Adrian weicht allerdings erst, als sie von dessen Selbstmord hört. Erstaunlicherweise hinterlässt er ihr eine stolze Summe, mit der sie sich eigentlich in ein neues Leben ohne Furcht aufmachen könnte. Doch es vergeht nicht viel Zeit und es mehren sich seltsame Dinge um sie herum. Dinge, die Cecilia annehmen lassen, Adrian könnte noch am Leben sein und alles von langer Hand geplant haben, um sie endgültig zu zerstören …
Es klang so logisch, einleuchtend und spannend: Im Zuge des Erfolgs der Marvel-Filme aus dem MCU sowie dem DC-Universum von Warner beschloss man 2016/’17 bei Universal, das so genannte Dark Universe zu entwickeln – eine Art Horrorvariante des Marvel-Franchise. Immerhin hält man die Rechte an den schaurigsten Gruselfiguren der Filmgeschichte, die innerhalb des „Universal Horrors“ von den 1920ern bis in die 50er Jahre das Kinopublikum in Angst und Schrecken versetzte. Von Frankenstein über Dracula hin zur Mumie, dem Wolfsmenschen oder dem Unsichtbaren reicht die Palette. Nachdem man 2017 mit dem Reboot von Die Mumie den ersten Film des Dark Universe in die Kinos brachte, sollten weitere Kult-Charaktere aus ihrer Gruselgruft geholt werden, auf dass sie später möglicherweise in einem gemeinsamen Film aufeinander treffen. Doch der Gedanke eines gemeinsamen Universums wurde wieder verworfen, nachdem Tom Cruise‘ Neuinterpretation der Mumie auf wenig Gegenliebe stieß und noch weniger Einspiel rausholte.
Um die Gedanken an eine Wiederbelebung der Figuren aber nicht gänzlich über den Haufen zu werfen, beschloss man, nach und nach dennoch Reboots/Remakes zu inszenieren. Nur eben als isolierte und einzeln für sich stehende Filme. Den Anfang macht nun Leigh Whannell mit Der Unsichtbare. Von vornherein eigentlich eine der blassesten (sorry für den kleinen Scherz) Figuren des Universal-Gruselkosmos.
Frankensteins Monster oder der Werwolf sind und wären sicher die prominentere Wahl gewesen. Zumal die letzten Filme mit Unsichtbaren entweder erzählerisch flache VFX-Vehikel (Paul Verhoevens 2000er Hollow Man) oder seltsame Quasi-Komödien (Carpenters Der Unsichtbare von 1992) waren. Letzterer allerdings basierte allerdings nicht mal im Ansatz auf H.G. Wells Originalgeschichte von 1897.
Die Voraussetzungen waren also nicht zwingend glücklich. Und es schien fraglich, ob jemand nach dem Mumien-Flop ausgerechnet einen Film über eine Figur sehen wollte, die man eben nicht sehen kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier vor allem die Kamera-Arbeit entscheidend ist, um dem Zuschauer die Bedrohung durch eine nicht sichtbare Gefahr zu vermitteln. Und hier kommt Leigh Whannell ins Spiel. Denn der Kreativkopf hatte zuvor immerhin schon das SAW-Universum sowie die Insidious-Filme erdacht. Hauptsächlich ist er dementsprechend als Drehbuchautor unterwegs und schreibt seinem Buddy James Wan die Filme auf den Regie-Leib. Bisher hatte er „lediglich“ für Insidious Chapter 3 sowie für Upgrade selbst auf dem Stuhl des Filmemachers gesessen.
Doch ein Gespür für Stimmung, Atmosphäre und Kameraeinstellungen hatte er in diesen beiden Genrewerken schon bewiesen. Und mit Produzent Jason Blum arbeitete Whannell in beiden Filmen bereits zusammen. Blum, der aktuell praktisch das Monopol auf hochwertige und erfolgreiche Horrorfilme in den USA hält, übernahm mit Bloomhouse Productions dann 2019 und parallel wurde bekannt, dass Johnny Depp nicht mehr die Hauptrolle spielen würde.
Nachdem Der Unsichtbare für eine kurze Zeit in den Kinos lief, wurde er zum Auswertungsopfer der derzeitigen Corona-Krise. Zwar konnte er in der kurzen Zeit von knapp drei Wochen weltweit 124 Mio. Dollar einspielen, was bei 7 Mio. Dollar Budget aller Ehren wert ist, doch es sind ihm vermutlich weitere zig Mio. Dollar durch die Lappen gegangen. Deshalb entschloss man sich dazu, ihn deutlich früher über VoD-Plattformen zum Leihen anzubieten, bevor dann im Spätsommer vermutlich die Blu-rays erscheinen werden.
Whannell orientiert sich in seinem Skript nur in Grundzügen an der Originalgeschichte von Wells. Dafür ergänzt er das Gerüst um eine Stalker-Substory, die hervorragend in die moderne Zeit passt. Sie führt in letzter Konsequenz weiter, was in der Realität über die Kontrolle von Handys, Konten bei sozialen Netzwerken oder (im drastischen Fall) über Überwachungskameras und Nachstellen geschieht. Der Unsichtbare nutzt sein Schreckenspotenzial maximal aus, um eine Frau in den Wahnsinn zu treiben, der selbstredend niemand glaubt. Welcher Polizeibeamte lässt sich schon erzählen, dass man von jemandem verfolgt wird, den man nicht sehen kann.
Whannell reichert den Thrill dabei immer wieder mit perfiden Einfällen an, die den Zuschauer auf die höchste Emotionalisierungstufe bringen. Als Zuseher weiß man von Cecilias Unschuld. Doch der Film schafft es immer wieder, ihr, dem eigentlichen Opfer, die Schuld für alles in die Schuhe zu schieben – die Macht eines Unsichtbaren ist eben nahezu endlos.
Die ganze Zeit über lässt Whannells Film keinen Zweifel daran, dass wir, also diejenigen vor der Leinwand, Cecilia Glauben schenken dürfen, während alle anderen an ihrem Verstand zweifeln.
Und dass wir an ihrer Seite stehen, treibt Hauptdarstellerin Elisabeth Moss (Wir) zu einer herausragenden Leistung. Ist sie zunächst das immer stärker in Verzweiflung versinkende Opfer, schlägt sie irgendwann einen anderen Ton an. Beides gelingt ihr hervorragend.
Ihr Gesichtsausdrücke sprechen dabei stets Bände und vermitteln eindrücklich, was die aus Manipulation und Missbrauch bestehende Beziehung zu Adrian über die Zeit an Schaden angerichtet hat, wie geschunden ihre Seele ist.
Neben der herausragenden Leistung von Moss sorgen aber in der Tat die atmosphärisch gefilmten Bilder von Kameramann Stefan Duscio für Grusel und Spannung. Unterlegt mit dem meist unterschwelligen Score verdeutlichen leere Räume die Einsamkeit, in der sich Cecilia befindet, weil ihr niemand Glauben schenken mag. Hinter jeder Kamerabewegung auf sie zu könnte der Unsichtbare stecken. Immer dann, wenn sich die Kamera einfach mal von ihr weg bewegt, sucht man nach Anzeichen, die der Gegner aus dem Nichts hinterlassen haben könnte.
Wenn Cecilia ihn dann das erste Mal enttarnt, braucht es keinerlei Blut- oder Ekeleffekte, um für eine ebenso kurze wie wirkungsvolle Sekunde für absoluten Schrecken zu sorgen.
Die kurzen, aber wirkungsvollen Blutmomente, die Der Unsichtbare durchaus liefert, verkommen nie zum Selbstzweck, sondern intensivieren nur gezielt den Grusel, der über die geschickte Regie und die Kamera-Arbeit ohnehin entsteht. Was Verhoeven 2000 in visuellen Effekten absaufen ließ und was Carpenter mit peinlichem Humor in seiner Unsichtbaren-Variante vergurkte, bewegt Whannell zu einem im allerbesten Sinne wirklich gruseligen Werk, das Vieles gar nicht zeigen muss, um Spannung zu erzeugen.
Bereits die Eröffnungsszene ist derart fiebrig inszeniert, dass man gebannt vor dem TV oder der Leinwand sitzt und beide Daumen drückt, dass die Flucht gelingt. Zu keiner Zeit hat man Zweifel daran, dass Adrian es jeden Moment entdecken und vereiteln könnte. Und diese Spannung setzt sich weit über eine Stunde fort, bis Der Unsichtbare dann doch etwas der Mut verlässt und er auf einen konventionellen Schluss abzielt, der über einen (nicht sonderlich überraschenden) Storytwist in die Wege geleitet wird. Das ist insofern schade, als dass es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, die Sache subtiler zu Ende zu bringen.
Für Genrefans verwirrend dürfte überdies sein, dass Whannell sich nach 90 Minuten doch SEHR deutlich an einem anderen Film anlehnt, deren Protagonistin auch niemand glauben wollte: Terminator II – Tag der Abrechnung.
Bild- und Tonqualität
Während der Leihphase von Der Unsichtbare liegt dieser bei Amazon Prime Video sowie auch bei iTunes lediglich in HD, nicht aber in 4K vor. Ob später eine UHD-Fassung nachkommt, ist derzeit aber fraglich. Die physische Disk ist derzeit ebenfalls nur als Blu-ray angekündigt.
Trotz eines mit 4.5K aufgenommenen Films und eines 4K Digital Intermediates bleibt also zunächst lediglich die 1080-Full-HD-Auflösung. Der Stream gibt sich dabei alle Mühe, keine großen Kompressionsprobleme zu verursachen. Die dunklen Einstellungen im High-Tech-Heim von Adrian zu Beginn werden über Amazon allerdings bisweilen von sehr deutlichen Banding-Artefakten auf den uniformen Hintergründen begleitet. Auch später bleiben in dunkleren Szenen immer mal wieder Schwierigkeiten in den Helligkeitsverläufen sichtbar.
Das KANN derzeit auch am reduzierten Datendurchsatz liegen, den sich Amazon neben den anderen Streaming-Plattformen während der Corona-Krise selbst auferlegt haben. Deshalb muss auch diese Beschreibung unter Vorbehalt gesehen werden.
Davon ab ist es auch ein wenig dunkel, was bei der Flucht durch den Wald, aber auch in späteren düsteren Innenräumen etwas an Durchzeichnung mangeln lässt. Durchweg hoch ist hingegen die Bildruhe, die kein Rauschen und keine Körnung zulässt. Allerdings setzt es auf uniformen Hintergründen schon mal leichte stehende Rauschmuster, was wiederum der Komprimierung des Streams geschuldet ist. Während Close-ups oft ansprechend scharf sind, wirken Bilder aus der Totale über die Häuserschluchten nicht sonderlich detailreich. Zudem könnten Hauttöne noch natürlicher sein. Oft wirken Gesichter ein bisschen arg rosig.
Sobald das Geschehen tagsüber oder bei guter Ausleuchtung gefilmt ist, passt aber immerhin die Kontrastdynamik sehr gut. Figuren schälen sich dreidimensional vom Hintergrund ab und Farben sind kräftig.
Der Ton liegt bei Anbieter Amazon Prime Video in Dolby Digital Plus vor. Eine Atmos-Fassung (ob deutsch oder englisch) gibt’s hier (derzeit noch) nicht. Entsprechend konzentrieren wir uns auf die 5.1-Ebene, die zunächst bereits mit sehr lebhaften und räumlichen Geräuschen der Brandung das Geschehen ins Heimkino holt. Das wirkt zunächst überhaupt nicht nach einer schwachen Komprimierung, die man von einem DD+-Codec eines Streaming-Anbieters sonst erwarten muss.
Auch die anfängliche Atmosphäre, nachdem Cecilia auf der Straße steht, erzeugt direkt Spannung. Bei ansonsten absoluter Ruhe knackst es im Wald und man stellt gespannt sämtliche Nackenhaare auf – war da nicht was zwischen den Bäumen?
Während echte Action nur in wenigen Szenen stattfindet, ist es oftmals eher die Ruhe, die Spannung erzeugt. Der Score, der stetig unterschwellig bleibt, schlägt dann aber umso fiebriger und energischer zu, wenn Cecilia und der Unsichtbare ihren ersten physischen Kampf ausfechten. Schüsse, die dann später fallen, werden trocken wiedergegeben und ein ebenfalls stattfindender Autounfall liefert ein wenig Druck. Insgesamt fehlt’s zwar ein wenig an Dynamik, aber alleine die Räumlichkeit sorgt für einen sehr lebhaften akustischen Auftritt.
Hin und wieder hat man das Gefühl, dass Sprache etwas schwimmt, was auch hier für eine leichte durch Datenreduktion hervorgerufene Kompression sprechen würde.
Fazit
Der Unsichtbare gehört zu den stärksten Neuverfilmungen der letzten Jahre. 90 Minuten liefert er pure Spannung und ein hohes Maß an Emotionalisierung. Das letzte Viertel fällt dagegen zwar leicht ab, doch Elisabeth Moss rettet auch über diese etwas schwächere halbe Stunde hinweg.
Beim Bild muss man zumindest derzeit noch Abstriche machen, weil eine Datenreduktion keine komplett artefaktfreie Wiedergabe zulässt. Der Ton hingegen gelingt erstaunlich räumlich.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60% (unter Vorbehalt aufgrund möglicher Datenreduktion)
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Film: 80%
Anbieter: Universal Pictures // Amazon Prime Video // Apple iTunes
Land/Jahr: USA 2020
Regie: Leigh Whannell
Darsteller: Elisabeth Moss, Oliver Jackson-Cohen, Harriet Dyer, Storm Reid, Aldis Hodge, Michael Dorman,
Tonformate: Dolby Digital Plus: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 125
Altersfreigabe: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
Während der Leihphase von Der Unsichtbare liegt dieser bei Amazon Prime Video sowie auch bei iTunes lediglich in HD, nicht aber in 4K vor. Ob später eine UHD-Fassung nachkommt, ist derzeit aber fraglich.
die UHD wird auf amazon gelistet. das lässt hoffen.
https://www.amazon.de/dp/B086ML1SFS?smid=A3JWKAKR8XB7XF
im netz gibt es ein paar mediainfos zu diesem stream. das komische, der deutsche stream hat sowohl für die deutsche tonspur, als auch für die englische tonspur nur 256 kbps. der us stream hat dagegen bei der englischen tonspur 640 kbps. hier mal die mediainfo vom deutschen stream. da sieht man, dass das nur 256 kbps hat.
Audio
ID : 1
Format : E-AC-3
Format/Info : Enhanced AC-3
Commercial name : Dolby Digital Plus
Codec ID : A_EAC3
Duration : 2 h 4 min
Bit rate mode : Constant
Bit rate : 256 kb/s
Channel(s) : 6 channels
Channel layout : L R C LFE Ls Rs
Sampling rate : 48.0 kHz
Frame rate : 31.250 FPS (1536 SPF)
Compression mode : Lossy
Delay relative to video : 1 s 0 ms
Stream size : 228 MiB (3%)
Language : German
Service kind : Complete Main
Default : Yes
Forced : No
Na wenn der US-Stream die 640 kbps hat, dann wird’s im Deutschen sehr wahrscheinlich an der Datendrosselung liegen.
Soweit ich weiß, hat Netflix in den USA nicht gedrosselt. Man kann mich aber gerne korrigieren, falls es doch so ist.
Es ist aber DD+, oder? Von iTunes kenne ich das so: DD 5.1 bis 384 kbit/s, bei DD+ sollen es gar nur 192 kbit/s sein (Dolby Atmos soll auf 768 kbit/s kommen).
kann es sein, dass auch die bitrate beim ton reduziert wurde ?????
sonst eac3 5.1 @ 640 kbps und jetzt nur noch eac3 5.1 @ 256 kbps … oO
Durchaus möglich.
Womit hast du die Datenrate der Tonspur aus dem Stream ausgelesen?
Laut Dolby erscheint der Film aber noch in Atmos: https://www.dolby.com/us/en/cinema/theatrical-releases.html
Er wurde in Atmos produziert, das ist korrekt.
Das muss natürlich erst einmal nichts heißen.
Dennoch möglich, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Atmos-Fassung per VoD oder später auf Disk integriert wird.
Unabhängig vom Film selbst finde ich die Leihgebühr von 17,99 absolut unverschämt. 10 respektive 9,99 wären hier völlig ausreichend und auch gerechtfertigt(er). Ich finde es klasse, dass solch eine Strategie (vorzeitiges Bereitstellen eines aktuellen Kinofilms) auf den Streamingplattformen gefahren wird. Aber zu solchen widerwärtigen Wucherpreisen…da warte ich liebend gerne 3 Monate +/- nach Kinodurchlauf auf die reguläre Verfügbarkeit zum Leihen fürˋn 5er.
Da pflichte ich dir bei – vor allem, da BLOODSHOT zum gleichen Kurs gekauft werden kann.
Der film ist klasse, spannung auf die spitze getrieben. Danke das in den letzten tagen immer was neues zu lesen gibt.