Detroit 4K UHD

Blu-ray Review

OT: Detroit

Detroit 4K UHD Blu-ray Review Cover
Concorde Home Entertainment, 05.04.2018
Detroit Blu-ray Review Cover
Concorde Home Entertainment, 05.04.2018

Ausnahmezustand

Kathryn Bigelow legt nach Zero Dark Thirty erneut ein Meisterwerk vor.

Inhalt

Der 23. Juli 1967: Als die Polizei in der 12th Street in Detroit eine hauptsächlich afroamerikanisch besuchte Party zugunsten von Vietnam-Heimkehrern sprengt, weil die Lokalität keine Ausschank-Genehmigung hat, beginnt der ohnehin brodelnde Kessel zu explodieren. Aufstände bahnen sich ihren Weg. Schaufenster werden eingeschlagen, Gebäude und Fahrzeuge in Brand gesteckt. Die zusehends überforderte Polizei, die noch dazu mit massiven rassistischen Verhaltensweisen auftritt, wird von der Nationalgarde unterstützt. Es droht ein Krieg auf den Straßen. Mitten im Chaos sollte eigentlich die Soulband The Dramatics auftreten. Doch der Gig wird aufgrund der Unruhen abgesagt und die Band zieht sich in ein nahes Hotel zurück. Genau dorthin treibt es den rassistischen Cop Krauss, dessen Hass auf Schwarze aufgrund einer drohenden Mordanklage gegen ihn ohnehin noch geschürt ist. Er und drei seiner Kollegen stürmen das Motel. Vollkommen unmotiviert üben sie dort Gewalt aus. Gewalt, bei der ein afroamerikanischer Sicherheitsbeamter nur ohnmächtig zuschauen kann und später selbst als Verdächtiger von weißen Polizisten zu Falschaussagen gedrängt wird …

Fünf Tage lang wüteten vom 23. Juli 1967 die seinerzeit schwersten Rassen-Unruhen der USA. An deren Ende waren 43 Menschen tot und fast 1200 verletzt. Ausgelöst durch eine Razzia in einer Bar, begann die mehrheitlich afroamerikanische Bevölkerung damit, die Schaufenster der umliegenden Geschäfte einzuschlagen und sich offen mit der Polizei anzulegen. Diese schlug ihrerseits mit unverhältnismäßig drastischen Mitteln zurück.
Die Gegend war zuvor binnen weniger Jahre zum Schmelztiegel geworden, da der für die afroamerikanische Bevölkerung kaum bezahlbare Wohnraum knapp wurde und der Anteil der Schwarzen auf der 12th Street sich drastisch erhöhte. Der latent vorhandene Rassismus innerhalb der Polizei der Gegend trug dabei wenig zur De-Eskalation bei.
Kathry Bigelow, die zuletzt mit The Hurt Locker und Zero Dark Thirty zwei Kriegsdramen mit ungeheurer Intensität inszeniert hatte, schildert eingangs die Gründe für den hohen Anteil der schwarzen Bevölkerung in der Gegend sowie für die Entwicklung der Aufstände. Dann allerdings konzentriert sie sich auf einen einzelnen Aspekt und pickt sich diesen heraus, um eine emotionale Wucht zu entwickeln, die den Zuschauer atemlos zurücklässt.
Schon die ersten zehn Minuten geraten zur fiebrig beschriebenen Eskalation der Ereignisse und zeigen, wie aus Wörtern Flüche, aus Flüchen Wut und aus Wut Gewalt wird. Dabei stellt sie erneut beide Seiten dar. Zum einen den Frust der afroamerikanischen Bevölkerung, zum anderen die Nervosität und aufkeimende Angst unter den Polizisten. Man sieht deutlich, dass die Beamten die Lage nicht im Griff haben und jederzeit mit der Explosion des Pulverfasses rechnen, zu der sie selbst beitragen.

Wenn Detroit dann den vier Cops folgt, die am liebsten sämtliche „schwarzen Affenärsche“ wieder auf den südlichen Kontinent treten würden, werden die Grenzen klarer gesteckt. Will Poulter (Maze Runner) als Krauss, der einem flüchtenden Plünderer auch gerne mal von hinten mit der Shotgun in den Rücken feuert, ist furios und vereint all die Wut des Zuschauers auf sich.
Denn wütend und ohnmächtig schaut man tatsächlich zu, wenn Bigelow ihre rassistischen Cops den Sicherheitsmann Melvin Dismukes während des Verhörs dorthin drängen, wo sie ihn gerne hätte.
Detroit schafft es wie kaum ein anderer Film der letzten Zeit, den Zuschauer so sehr emotional mitzunehmen. Fast rasend wird man, wenn man dabei zuschaut, wie unschuldige Bürger auf menschenunwürdigste Weise von der Autorität behandelt werden. Von eben jener Autorität, die sie und das Gesetz eigentlich schützen sollten. Und wenn die Szenerie nach 50 Minuten in das Motelzimmer wechselt, schließt sich daran eine kammerspielartige 45-minütige Tortur an, die an Wucht und Intensität kaum mehr zu überbieten ist. Was sich hier an menschlichen Abgründen auftut, ist nicht nur „eigentlich“, sondern definitiv unglaublich. Und es lässt sprachlos, ja fassungslos zurück.
Die Kraft dieser Szenen ist zu einem großen Teil der großartigen Regie geschuldet, zu einem wesentlichen zweiten Teil aber den Darstellern – und zwar auf beiden Seiten. John Boyega, der als abtrünniger Sturmtruppler Finn in Star Wars: Das Erwachen der Macht erstmalig einem großen Publikum auffiel, wächst hier über sich hinaus, wenn er am ganzen Körper zitternd vor Wut und Angst im beschriebenen Verhört sitzt. Es ist die Größte aller Schauspielkünste, wenn ein Zuschauer sich in eine Situation versetzen kann, die er in dieser Form nicht mal annähernd erlebt hat oder erleben wird. Doch hier steckt man leibhaftig im Körper von Boyega, der nach diesem Film mindestens als junger Denzel Washington gehandelt werden sollte. Über Poulter, der auf der anderen Seite der Ereignisse steht, wurde oben schon entsprechend geschrieben. Auch er leistet Großes.

Ein weiterer Aspekt für das intensive Erlebnis des Films ist die Arbeit von Kameramann Barry Ackroyd. Er nutzte spezielle Objektive (siehe Kapitel: Bildqualität UHD), um mit der Kamera möglichst nahe dranbleiben zu können und dennoch weite Winkel zu ermöglichen. Zusätzlich ließ er mit mehreren Kameras gleichzeitig filmen, was dazu führte, dass die Darsteller nie genau wussten, welches der Objektive gerade auf sie gerichtet war, welche Kamera sie filmte. Das erlaubte (oder nötigte ihnen auf – je nachdem) den Akteuren ein extrem freies Agieren, das auf Anthony Mackie fast etwas Theaterhaftes hatte. Er und seine Kolleginnen und Kollegen konnten so vollkommen in die Situation eintauchen, ohne von der Technik abgelenkt zu sein. Dazu ist Ackroyd den Protagonisten oft ganz dicht auf der Spur oder nimmt wahlweise deutlichen Abstand, um semidokumentarisch aus dem Hintergrund zu filmen. Welches Mittel er aber nimmt, sämtliche Aufnahmen sind extrem schnell geschnitten und fast durchweg von wackliger Handkamera geprägt. Das intensiviert zwar spürbar die Dynamik der Handlungen, kann sensiblen Mägen aber auf denselben schlagen.
Dass Bigelow erneut keine Geschichte nach klassischem Muster erzählt, sollte man wissen. Wer schon mit der Erzählstruktur von The Hurt Locker ein Problem hatte, wird mit Detroit sicherlich nicht glücklich. Doch das ist erneut eben das starke Element ihrer Arbeit. Sie beobachtet. Sie schildert. Und sie überlässt Vieles dem Zuschauer. Allerdings ist sie dabei nicht so objektiv wie im Kriegsdrama über die Bombenentschärfer und positioniert sich eindeutiger. Nachvollziehbar bei dem, was damals geschehen ist. Dennoch bleibt gerade im Bezug auf die Plünderungen und Provokationen beider Seiten genug Raum, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Keineswegs wird hier eine Seite als mustergültig und die andere als dämonisch beschrieben. Das macht Detroit erneut zu keinem einfach zu konsumierenden Film. Er fordert den Zuschauer, nimmt ihn emotional mit und lässt ihn durchgerüttelt zurück – trotz etwas zu ausgeprägter Laufzeit von 144 Minuten.

Bild- und Tonqualität BD

Kathryn Bigelow mag’s gerne authentisch und grob. Das war schon in The Hurt Locker so und so ist es auch in Detroit. Allerdings geht sie hier durchaus noch einen Schritt weiter, um das Bild der damaligen Zeit anzupassen. Die Sache mit der Körnung nimmt sie derart ernst, dass die Filmszenen beinahe so schmutzig wirken, wie die eingestreuten TV-Aufnahmen der realen Geschehnisse. Da Detroit auch noch zu gefühlt 90% in Dunkelheit oder Innenräumen spielt, wird es dort noch unruhiger – bis hin zu Farbrauschen auf uniformen Flächen. Da nur wenige Farben ins Spiel kommen und viele dunkle Szenen flau und matt wirken, muss man sich die dynamischen Kontrastmomente des Films dann schon mal suchen. Die Kundgebung nach zehn Minuten gehört dazu und liefert ein paar bunte Kleckse im graubraunen Einerlei. Ohne Zweifel ist das höchst authentisch und unterstützt die Wirkung des Films kongenial – schön im Sinne technischer Aspekte ist das allerdings nicht. Die Schärfe überzeugt nur in wenigen Close-ups von Gesichtern, zeigt dort dann aber bisweilen erstaunlich viele Details. Leider tauchen oft Banding-Effekte auf den uniformen Hintergründen auf.
Akustisch kann Detroit trotz fehlender 3D-Tonspuren fast durchweg überzeugen. Lediglich die deutsche Synchronisation ist hin und wieder etwas zu nuschelig und leise. Ansonsten herrscht hier in den dramatischen Szenen des Chaos eine überraschend räumliche Atmosphäre mit viel direktionalen Sounds. Von Polizeisirenen über fliegende Molotow-Cocktails bis zu berstendem Schaufensterglas. Auch die später fallenden Schüsse kommen effektvoll ins Heimkino, bleiben aber eher auf realistischem Niveau – übertreiben es also nicht mit Druck oder Volumen. Die Filmmusik wird spärlich eingesetzt, wird dann aber ebenfalls recht räumlich. Geraten Objekte oder Gebäude in Brand, setzt der Sub entsprechend ein und liefert durchaus etwas Druck. Richtig räumlich und fetzig wird es, wenn das Motel beschossen wird. Was hier an Projektilen und Querschlägern durch die Luft flitzt, ist wirklich beeindruckend und macht richtig Spaß (ab 52’40).

Bild- und Tonqualität UHD

Um möglichst nahe an den Protagonisten zu bleiben und dennoch viel aufs Bild zu bekommen, entschloss sich Kameramann Barry Ackroyd, die 16mm-Optiken zu nutzen, die er schon bei der Zusammenarbeit mit Bigelow bei The Hurt Locker verwendete. Dort waren sie allerdings auf eine 16mm-Analogkamera montiert, während er sich hier dazu entschloss, mit digitalen Arri Alexa Mini zu arbeiten. Mit denen war er in der Lage, sehr unmittelbare Bilder zu produzieren, da sie sehr leicht und portabel sind. Man sollte also wissen, dass Detroit einem wackeligen Handkamerastil verpflichtet ist, der einem Found-Footage-Film alle Ehre machen würde.
Die UHD basiert auf einem 2K-Digital-Intermediate, das von der Ausgangsauflösung der Alexa Minis (in der Regel 2.8K) erstellt und für die 4K Disk hochskaliert wurde. Mit an Bord sind ein erweiterter Farbraum im Rahmen von Rec.2020 sowie ein höherer Dynamikumfang (hier HDR10).
Im laufenden Bild hat die UHD der Blu-ray schon mal voraus, dass die doch deutlichen Banding-Effekte auf den Hintergründen der vielen dunklen uniformen Flächen der Vergangenheit angehören. Ansonsten ist die UHD noch eine Spur dunkler, ohne massiv an Kontrastumfang zu gewinnen. Das Material ist dermaßen stark stilisiert, dass über die erweiterte Bilddynamik nur wenig rauszuholen war. Auch der generelle Kontrastumfang während der Szenen auf den Straßen ist nur bedingt besser, liefert vielleicht ein etwas satteres Schwarz. Die warm ausgeleuchteten Innenraumszenen gefallen allerdings mit weniger überstrahlten Gesichtern und Close-ups bei available Light sind noch eine Spur knackiger. Klar ist hier aber auch, dass das ohnehin schon sichtbare Korn noch deutlicher zutage tritt – selbst wenn die grundsätzliche Bildtiefe durch die Kontrastanhebung subjektiv griffiger ist.
Die Farbdarstellung konzentriert sich auf wenige bunte Szenen, liefert über die UHD in dunklen Bereichen eher eine leichte Tendenz ins Grün, während die BD etwas deutlicher im Braunbereich bleibt – welche Ausrichtung man hier bevorzugt, darf gerne als Geschmackssache aufgefasst werden.

Detroit BD vs UHD Bildvergleich 1
(89’25): Die Blu-ray ist ohne HDR ein wenig heller, zeichnet deshalb aber auch besser durch
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 2
Die UHD überstrahlt auf den hellen Bereichen nicht so, versumpft aber bei den dunklen Bildanteilen
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 3
(120’12): Bei dieser Szene ist die BD tatsächlich etwas zu hell und in den Hintergrund-Details nicht so dreidimensional
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 4
Die UHD wirkt hier homogener und mehr aus einem Guss. Gerade die Holz-Schnitzereien im Hintergrund wirken plastischer. Auch das Gesicht kommt natürlicher rüber
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 5
(10’39): Während der gut ausgeleuchteten Tageslicht-Szenen wirkt die BD etwas kontrastschwächer
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 6
Hier punktet die UHD mit kräftigeren Farben und besserem Kontrastumfang, ohne zu versumpfen
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 7
(26’36): Ganz anders indes in den dunklen Szenen. Mal abgesehen davon, dass schon die BD hier drastisches Korn zeigt, wirkt sie kontrastintensiver
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 8
Die UHD liefert hier das weniger dynamische Bild mit matterer Gesichtsfarbe – obendrauf gibt’s das noch deutlichere Korn
Detroit BD vs UHD Bildvergleich 9
Hier das komplette Bild der obigen Ausschnittsvergrößerung
Beim Ton von Detroit ändert sich nichts: Auch die UHD liefert die beiden dts-HD-Masterspuren, die schon die BD bereitstellt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Detroit, das Anbieter Concorde sowohl auf die BD als auch auf UHD gepackt hat, wartet ein fünfteiliges Featurette, das Zeitzeugen zu Wort kommen lässt, die aus ihrer Sicht noch einmal kurz beschreiben, wie sich das Geschehen damals dargestellt hat. Ebenso wird kurz auf die Besetzung eingegangen und abschließend bemüht man sich darzustellen, dass sich Detroit heute, 40 Jahre später, gewandelt habe. Leider läuft das alles in allem nur gut zehn Minuten – hier hätte man sich mehr gewünscht. Zum Schluss gibt’s noch den Titelsong “Grow” mit Algee Smith und Larry Reed.

Fazit

Detroit zeigt erneut, wie emotional Kathryn Bigelow Kino inszenieren kann und dass sie vor allem gut ist, wenn sie sich reale Hintergründe zur Brust nimmt. Ihr jüngster Film macht wütend und nimmt einen emotional gefangen. Die ausgedehnten Szenen im Motelzimmer der Band hätte man zwar etwas straffen können, doch das ist ohnehin nur eine kurze Entspannung auf dem Weg, den der Film danach geht. Ein gerade in der heutigen Zeit wichtiger Film, da die USA sich mitten in einem tiefen Graben mit einer gespaltenen Gesellschaft befinden.
Die UHD bietet die etwas harmonischere Farbgebung, ist aber noch mal dunkler als die ohnehin schon nicht gerade helle Blu-ray.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität BD: 65%
Bildqualität UHD: 60%

Tonqualität BD/UHD (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD/UHD (Originalversion): 80%

Bonusmaterial: 40%
Film: 90%

Anbieter: Concorde Home Entertainment
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Kathryn Bigelow
Darsteller: John Boyega, Will Poulter, Algee Smith, Jason Mitchell, John Krasinski, Anthony Mackie, Jacob Latimore, Hannah Murray, Kaitlyn Dever, Jack Reynor, Ben O’Toole
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1 (Dokumentaraufnahmen in 4:3)
Laufzeit: 144
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10, Dolby Vision
FSK: 12

(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots: © 2017 20th Century Fox)

Trailer zu Detroit

DETROIT | Trailer | Offiziell | Deutsch

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LordNikon99

Hallo.
Finde deine Seite einfach nur Klasse.

Eine Bluray hochskaliert mit einem der besseren 4K Player Sony UbP X800 auf ein 4K Sony Fernseher.

Wie hoch werden die Bluray hochgerechnet?
Gibt es da eine prozentuale Angabe?

Gruss, LordNikon99