Blu-ray Review
OT: Devil’s Knot
Mord im Robin-Hood-Wald
Devil’s Knot behandelt das wenig rühmliche Verhalten von Ermittlern und Gericht während eines Prozesses im Falle eines dreifachen Kindermordes.
Inhalt
Es ist der 5. Mai 1993 in West Memphis, Arkansas. Um halb fünf soll der junge Stevie mit seinen Kumpels Michael und Chris wieder zu Hause sein. Doch er kommt nicht. Weder um fünf, noch am späten Abend oder am nächsten Tag. Seine Mutter Pam ist ebenso außer sich, wie die Eltern der beiden anderen. Bald schon konzentriert man sich auf drei Jugendliche (Jason, Damien und Jessie), von denen einer ein Teilgeständnis abzulegen scheint. Die Indizien sind aber auch erdrückend: Heavy Metal Musik, Horrorfilme, Totenkopf-Skizzen und die Aussagen eines achtjährigen Jungen, der die drei unterschiedlicher Gewalttaten bezichtigt. Auf die drei Teenager wartet nicht nur die Todesstrafe, sondern auch die Kirche sowie ultrakonservative Provinzbewohner, die hinter allem das Werk des Teufels vermuten und gleich einen Rundumschlag gegen alles befürworten, was die religiösen Werte beleidigt. Als der Privatermittler Ron Lax Wind von der Sache bekommt, beschließt er, pro bono eigene Nachforschungen einzuleiten, um die drei in Untersuchungshaft sitzenden Kids vor der Todeszelle zu bewahren. Ihm kommen nach und nach Zweifel an der Schuld von Jason, Damien und Jessie – womit er nicht der einzige ist. Auch Stevies Mutter Pam glaubt, nachdem sie zunächst ihren Hass auf die „Punks“ und „Satanisten“, die sich „kleiden, als würden sie an den Teufel glauben“, ablässt, bald nicht mehr daran, dass die Drei schuldig sind.
Atom Egoyan liefert in Devil’s Knot – Im Schatten der Wahrheit einen auf den Tatsachen des Schicksals der „West Memphis Three“ basierenden Thriller ab, der nie aufgeregt oder gar sensationslüstern ist. In ruhigen Bildern, mit einem ebenso sanften wie schleichend bedrohlichen Filmscore schildert er, wie die von der Tat beeinflussten Menschen mit den Ereignissen umzugehen versuchen: Deputys, die aufgrund der grausigen Leichenfunde traumatisiert am Tatort sitzen bleiben, Eltern, die im Moment der Wahrheit schreiend zusammenbrechen und eine scheinheilige Gesellschaft, die die Taten dazu missbraucht, ihren Feldzug gegen Rockmusik, Horrorfilme und Satansanbetungen zu führen. Die zugrundeliegende Geschichte weist tatsächlich all diese Faktoren auf und sorgte Mitte der 90er bis noch ins Jahr 2011 für einen regelrechten Justizskandal mit großem öffentlichen Echo. Musiker wie Henry Rollins, Lemmy Kilmister oder Pearl Jam sowie Prominente wie Johnny Depp und Peter Jackson (der 2012 sogar eine Dokumentation über den Fall produzierte) solidarisierten sich mit den West Memphis Three. Deren Schuld war 2007 im Prinzip widerlegt worden, nachdem man am Tatort sichergestellte DNA-Proben analysierte und keinem der Drei zuordnen konnte. Eine Anhörung zur Wiederaufnahme des Verfahrens führte allerdings erst im Jahre 2011 dazu, dass Verteidigung und Staatsanwaltschaft sich in einem Vergleich auf eine Freilassung der langjährig Inhaftierten aus dem Vollzug unter Einhaltung einer zehnjährigen Bewährungsstrafe einigten.
Trotz oder vielleicht gerade wegen seiner ruhigen Erzählweise macht Devil’s Knot wütend. Immer wieder ertappt man sich kopfschüttelnd ob der unterlassenen Ermittlungen und Indiziensicherungen der Polizei und eines Richters, der relevante Verteidigungsaspekte erst gar nicht anhörte. Erstaunlich ist auch, dass man sich emotional vollkommen eingebunden fühlt, obwohl es echte Hauptpersonen in Devil’s Knot gar nicht gibt. Colin Firth und (eine erstaunlich propere) Reese Witherspoon sind zwar die bekanntesten Gesichter, haben aber dennoch nicht so viel Screentime, wie man annehmen könnte. Vielmehr verteilt der Film seine Geschichte auf den Schultern vieler (immer wieder bekannter) Nebendarsteller. Allesamt agieren sie im Dienste der Story und drängen sich nicht in den Vordergrund und dennoch leisten einige von ihnen Herausragendes: Hühne Kevin Durand, der als Vater eines der toten Kinder seinen persönlichen Feldzug im Namen Jesus Christus in die Fernsehkameraus hinein- und die Welt hinausposaunt; James Hemrick, der als Hauptangeklagter Damien vielschichtig genug agiert, um dem Zuschauer die eine oder andere Frage aufzudrängen oder Bruce Greenwood, der als nicht wirklich neutraler Richter den Zorn des Filmfans auf sich zieht – alle gemeinsam lassen sie Devil’s Knot zu einem aufwühlenden Film werden.
Bild- und Tonqualität
Dem Bild von Devil’s Knot – Im Schatten der Wahrheit fehlt’s beständig an Schärfe. Auch ist es deutlich zu dunkel. Man ertappt sich immer wieder dabei, dass man sich die Augen reiben möchte, um besser sehen zu können. Dafür ist die Bildruhe beständig hoch – Rauschen und Korn sind kein Thema. In Schwenks gibt’s hin und wieder Nachzieheffekte.
Der Ton von Devil’s Knot wird dauerhaft bestimmt vom zarten und doch bedrückenden Soundtrack – Streichern, die sich sanft über alle Lautsprecher legen. Dazu kommt während der Außenaufnahmen die hörbar flirrende Hitze, das Quaken der Frösche am Fluss und das permante Zirpen der Zikaden. Später, während der Gerichtsszenen, regieren die Dialoge, die klar wiedergegeben werden.
Bonusmaterial
Mit Ausnahme des Originaltrailers und einiger Programmtipps gibt’s im Bonusmaterial von Devil’s Knot nichts weiter zu entdecken.
Fazit
Ebenso ruhiger und unaufgeregter, wie emotional aufwühlender Film – Devil’s Knot – Im Schatten der Wahrheit offenbart ein weiteres unrühmliches Kapitel der jüngeren amerikanischen Gerichts- und Ermittlungsarbeit. Wenngleich ein mittlerweile von Haupttäter Damien Echols veröffentlichtes Buch zumindest eine Art von Mitgefühl mit den Hinterbliebenen der Opfer vermissen lässt und ein psychologisches Gutachten, das während seiner Haftzeit angefertigt wurde, ihm paranoide Wahnvorstellungen attestiert …
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 10%
Film: 75%
Anbieter: Senator Home
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Atom Egoyan
Darsteller: Reese Witherspoon, Colin Firth, Dane DeHaan, Mireille Enos, Kevin Durand, Elias Koteas
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 114
Codec: AVC
FSK: 16