Die Boxtrolls – Echte Helden haben Ecken und Kanten 3D

Blu-ray Review

Boxtrolls 3D Blu-ray Review Cover
Universal Pictures, seit 05.03.2015

OT: The Boxtrolls

 


Nicht von Pappe!

In Boxtrolls lernen wir die liebenswürdigsten Pappenheimer der Filmgeschichte kennen.

Inhalt

Boxtrolls sind kleine, fiese Gnome, die des Nachts in Cheesebridge ihr Unwesen treiben und die vom Antlitz der Welt getilgt werden müssen – so jedenfalls denkt Trolljäger Archibald Snatcher und bleut diese Überzeugung auch dem Bürgermeister Lord Portley-Rind und allen anderen Bewohnern ein. Portley-Rind bangt vor allem um die geliebten Käse-Vorräte der Stadt, denn diese, so meint Snatcher, wollen die Boxtrolls natürlich auch haben. Einzig, die scheuen, in Kisten lebenden Wesen sind alles andere als böse, sondern befreien die oberirdische Welt vom Schrott, den sie selbst tief unten im Berg sammeln und mit ihnen ihre Höhlen dekorieren. Eggs, ein kleiner Waisenjunge, ist bei den Boxtrolls aufgewachsen und muss mitansehen, wie nach und nach immer mehr von seinen Freunden in Kisten von Snatcher und seinen Schergen gefangen werden. Als auch sein Ziehvater Fish entführt wird, beschließt Eggs, nicht mehr länger zuzusehen. Er nimmt allen Mut zusammen und geht an die Oberfläche. Dort erfährt er bald, dass alle Boxtrolls noch am Leben sind. Doch alleine wird er es nicht schaffen, sie zu befreien. Er braucht die Hilfe von Winnifred Portley-Rind, der Tochter des Bürgermeisters …

In einer Welt volldigitalisierter Animationsfilme und CGI-Effekte ist schon ein altmodisch gezeichneter Film eine willkommene Ausnahme – ein Stop-Motion-Beitrag ist geradezu herausragend anders und oldschool. Man muss sich das immer wieder vor Augen führen: 96 Minuten Spielzeit bei 24 Bildern pro Sekunde macht 138.240 Einzel-Shots. 138.420 mal wurden die Figuren bewegt, in ihren Gestiken, Mimiken und Aussehen verändert, die Hintergründe angepasst – und das alles von Hand und in absoluter Detailverliebtheit. Als wäre das nicht schon beeindruckend genug, legt Boxtrolls beim ersten Besuch in den Katakomben der kleinen einkartonierten Wesen ein Tempo vor, dass man auch bei mehrfachem Anschauen noch nicht alle Feinheiten und Details gesehen hat. Der Animationsstil, der nicht zufällig an Coraline und vor allem ParaNorman erinnert (dasselbe Studio zeichnete verantwortlich) setzt auf Skurrilität und Verschrobenheit. Nichts ist wirklich perfekt in Boxtrolls: Die Teller sind vieleckig, die Gesichter schief und als Hauptspeise der Boxtrolls dienen Käfer, Tausendfüßler und andere Insekten. Das Bizarre wird zelebriert und die Vorzeichen werden umgekehrt. So sind die Menschen entweder bösartig oder oberflächlich, während die vermeintlichen Monster friedliebend, scheu und freundlich agieren – einziges Bindeglied zwischen diesen vollkommen unterschiedlichen Welten und Verhaltensweisen sind (mal wieder) die (unschuldigen) Kinder. Als eine Art Mowgli mit zu enger Kartonage um den Bauch muss Eggs erst einmal verdauen, dass er ein Junge und kein Boxtroll ist, um sich dann zu entscheiden, als was er weiterleben möchte. Auf dem Weg zu dieser Entscheidung muss das Waisenkind ein Abenteuer bestehen, dass er letztlich nur mit der Hilfe eines Mädchens aus der arroganten Menschenwelt bewerkstelligen kann.

Die Geschichte, die auf einer Vorlage von Kinderbuchautor Alan Snow („Here be Monsters!“) basiert, mag nicht sonderlich originell sein und die Motive hat man schon dutzendfach gesehen, doch solange das Ganze so charmant und liebevoll dargeboten wird, wie hier bei Boxtrolls, mag man das gerne verzeihen. Die Stadt und ihre Katakomben, die immer auch ein wenig an eine bunte Version der Stop-Motion-Klassiker von Tim Burton erinnert, wird von derart vielen individuell liebenswürdigen Charakteren bevölkert, dass man nur Staunen kann – ganz gleich, ob es die üblen Gestalten auf Seiten der Menschen sind (großartig ist das Handlangertrio Mr. Trout, Mr. Pickles und Mr. Gristle) oder die großartigen Trolle selbst, die auf den Namen hören, der usprünglich schon immer auf ihren Pappkisten stand. Die eigens entwickelte Sprache der kleinen Wesen, die irgendwo zwischen Gurgeln und Kieksen liegt, passt wunderbar zu den Kartongestalten und wenn der arme Shoe immer wieder den Kürzeren zieht, leidet man bewegt mit ihm mit. Einzig für die jüngeren unter den sechs- bis zehnjährigen dürften die bisweilen gruseligen Momente und der im Finale wie die Zombiemutter in Braindead verunstaltete Snatcher eine Spur zu heftig sein.
Übrigens lohnt es sich, bis zum Ende dranzubleiben, denn dort zeigt man in Zeitraffer-Aufnahmen, welche Arbeit alleine in einer 30-sekündigen Sequenz steckt.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Boxtrolls ist für einen Animationsfilm erstaunlich weich geraten. Die Schärfe ist entsprechend eher mittelprächtig. Charmant hingegen ist, dass man darauf verzichtete, durch die Stop-Motion herorgerufene Überblendungsimperfektionen nicht digital herauszukompensieren. Diese werden bisweilen als wischartige Bewegung und leichte Unruhe wahrgenommen. Die Farben sind zwar lebhaft, vor allem in der Unterwelt, werden jedoch etwas vom hellen, weichgezeichneten Grundlook in Mitleidenschaft gezogen.
In Sachen Sounddesign schlägt Boxtrolls viele artverwandte Filme durch äußerst gezielte genutzte direktionale Effekte, wenn die Boxtrolls im Schatten durch die Gassen huschen oder in der fantasievollen Unterwelt unzählige mechanische Wunderwerke ihrer Arbeit nachgehen. Dazu kommt eine erstaunlich hohe Dynamik, wenn beispielsweise der Riesen-Brie die Stadt hinunter Richtung Fluss rollt oder Snatchers Grabemaschine bei den Boxtrolls eindringt. Hörbare Unterschiede zwischen deutschem dts-Ton und englischer dts-HD-Master-Spur sind bis auf eine leichte Lautstärkedifferenz nicht vorhanden. Dennoch empfiehlt sich die Originalfassung, die einfach die passenderen und atmosphärisch stimmigeren Sprecher bietet.

3D-Effekt

Der 3D-Effekt in Boxtrolls ist nicht brutal vordergründig, wie man aufgrund der Animationsherkunft annehmen könnte, sonder erzeugt eine eher harmonisch-dezente Räumlichkeit. Die Figuren heben sich jederzeit hübsch vom Hintergrund hab und die Ankunft der Boxtrolle über das Rollband funktioniert gar auf mehreren Ebenen. Allerdings nutte man keine aufdringlichen Pop-Out-Effekte, sondern nutzt 3D, um ein etwas weitläufigeres Mittendringefühl zu erzeugen. Sehr schön funktionieren die teils harten und langen Schatten bei nächtlicher Beleuchtung der Straßen in Cheesebridge und natürlich schälen sich die Kartons eindrucksvoll aus dem Hintergrund heraus.

Bonusmaterial

Im Bonusbereich der Boxtrolls finden sich sechs „erste Animationssequenzen“, die sich wahlweise mit dem Kommentar der Regisseure abspielen lassen. Dabei handelt es sich um sehr charmante Zeichnungen im Kohlestift-Look. In „Mut zur Kiste“, dem Behind the Scenes von Boxtrolls, finden sich fünf Featurettes mit einer Laufzeit von insgesamt gut 30 Minuten, die sich um die Originalsprecher im Film, die phänomenale Animationsarbeit der Figuren und auch um den „Allergy Snatcher“ – Ben Kingsleys Figur mit üblen Gesichtsschwellungen, kümmern. Fünf weitere Featurettes mit kurzer Laufzeit zeigen, wie aufwändig die Kulissen designt wurden, wie man auf die gutturale Sprache der Trolle kam und zeigen die Näherinen und Schneiderinnen bei der Detailarbeit an den Klamotten und Frisuren der Figuren. Zu guter Letzt gesellt sich der Filmkommentar mit den Regisseuren Graham Annable und Anthony Stacchi hinzu.

Fazit

Die Boxtrolls sind als Mix aus Das Dschungelbuch, Coraline und Beetlejuice ein Fest für Freunde herrlich altmodischer Stop-Motion-Technik. Die universelle Geschichte rund um Zugehörigkeitsgefühle und den Abbau von Vorurteilen hat man zwar schon häufig gesehen, doch die detailverliebten Animationen alleine sind schon den Kauf wert. Nach Boxtrolls, so viel ist sicher, wird man herumliegende Kartons mit anderen Augen sehen.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 85%
Bonusmaterial: 70%
Film: 75%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: GB/USA 2014
Regie: Graham Annable, Anthony Stacchi
Sprecher (Original): Isaac Hempstead Wright, Elle Fanning, Jared Harris, Ben Kingsley, Nick Frost, Richard Ayoade, Simon Pegg, Toni Collette
Sprecher (Deutsch): Jodie Blank, Olaf Reichmann, Joachim Tennstedt, Norman Matt, Patrick Baehr
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Real 3D: Ja
Laufzeit: 96
Codec: AVC
FSK: 6

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