Blu-ray Review
OT: Fanny Lye Deliver’d
Fest in der Spur
Ganz außergewöhnlich-ungewöhnlicher Film.
Inhalt
1657: England hat den König überwunden und lebt nun unter der puritanischen Ägide von Oliver Cromwell. Nicht jeder kommt mit dessen Führung zurecht, sodass sich zahlreiche Menschen radikaleren Kräften zuwenden. Radikalere, die auch mehr Freiheit im Sinne der Sexualität fordern. Fanny Lye gehört nicht zu diesen Menschen. Sie lebt mit ihrem Ehemann Sir John auf einer großen Farm, die diese sich leisten konnten, nachdem John mit der Armee Cromwell in die Gegend gekommen war. Zufrieden ist Fanny unter den frommen Lebensbedingungen allerdings nicht. Die viele Arbeit auf der Farm macht ihr zu schaffen. Der Alltag besteht aus Latrine säubern, Essen zubereiten und dem sonntäglichen Gang in das Gotteshaus.. Der einzige Lichtblick ist ihr aufgeweckter Sohn Arthur Als die Familie eines Sonntags aus der Kirche zurückkommt, sieht der Herr des Hauses Rauch aus dem Kamin aufsteigen. Es muss jemand im Haus sein, denn das Feuer hatte Fanny ausgemacht. Bei ihrer Suche stoßen sie auf ein junges Paar, dass sich auf dem Heuboden eingerichtet hat. Angeblich seien sie tags zuvor überfallen und um all ihr Hab und Gut beraubt worden. Sie hatten einen Neuanfang in der neuen Welt über dem Ozean starten wollen. Nun hatten sie nichts mehr, nicht mal mehr ein Hemd auf der Haut. Während John den jungen Kerl am liebsten an Ort und Stelle gerichtet hätte, schreitet Fanny ein und bewahrt das Paar vor dem sicheren Tod. Da der junge Mann auch in der Armee von Cromwell gedient hat, gewährt John dem Paar eine Nacht in der Scheune und ein warmes Essen. Anderntags würde man gemeinsam zum Konstabler gehen, um den Diebstahl an dem Paar zur Anzeige zu bringen. Da sich Thomas, so der Name des jungen Mannes, und seine Frau Rebecca zunächst gut betragen, bleiben sie aber länger auf der Farm. Die Frage ist nur, ob das junge Paar wirklich so redlich ist wie sie tun. Und ob nicht doch etwas anderes hinter ihrem angeblichen Verlust von Hab und Gut steckt …?
Die Erlösung der Fanny Lye ist ein Traumobjekt von Regisseur Thomas Clay. Schon lange wollte er einen Film drehen, der in dieser Zeitepoche spielt, hatte aber nie einen Zugang oder ein entsprechendes Skript gefunden. Also schrieb er es sich kurzerhand selbst auf den Dirigentenleib. Dass er insgesamt zehn Jahre an diesem Werk arbeiten würde, hätte er sich dann aber wohl doch nicht träumen lassen. Selbst für die Postproduktion nahm er sich noch einmal drei Jahre Zeit. Und herausgekommen ist ein ungewöhnliches Drehbuch, ein ungewöhnlicher Film. Einer, der sich nur schwer in eine Schublade stecken lässt und dessen Kategorisierung schwer fällt. Kein Wunder, dass ihn viele Zuschauer auf dem Fantasy Filmfest 2020 deplatziert sahen.
Schon die Wahl des Szenarios lässt aufmerken. Das puritanische England der Zeit unter Lordprotektor Oliver Cromwell. Eine Ära, die nicht allzu oft thematisiert wird und hier als Hintergrund für eine Geschichte der Emanzipation dient. Es wird zeitgenössische Kritik geübt – und das nicht zu knapp. Wenn man in einem Gespräch zwischen Fanny und der jungen Rebecca ein ganz pikantes Detail zu hören bekommt, ist Fanny zunächst empört, aber gleichzeitig auch ein wenig fasziniert von diesem nicht ganz so christlichen Leben, dass das junge Paar führt und das mit ihrem eigenen kaum zu vergleichen ist. Man wittert, dass Fanny viel lieber einer dieser freien Menschen wäre; lieber mal nackt durch den Garten laufen würde als jeden Sonntag in die Kirche zu rennen und Abbitte zu leisten. Ohnehin: Kirche. Den Glauben an Frömmigkeit stellt Die Erlösung der Fanny Lye praktisch dauerhaft in Frage – und damit natürlich auch die Doktrin des Oliver Cromwell. In einer bestimmten Szenen weht gar eine Spur Robin Hood durch das Werk.
Clay bemüht sich wirklich darum, eine entsprechende Atmosphäre aufzubauen, die den Zuschauer in die puritanische Zeit der Cromwell-Zeit entführt. Aus dem zugegebenermaßen etwas begrenzten Szenario einer Farm irgendwo am Waldrand macht der Regisseur durchaus das Beste. Allerdings dauert es. Und man muss sich darauf einlassen, dass hier mehr Geschichte erzählt wird als sonst üblich – und das, obwohl wir es mit der 20 Minuten kürzeren Kinofassung zu tun haben, nicht mit dem 130-minütigen Director’s Cut. Auch nach einer halben Stunde hat man maximal eine Ahnung, wohin die Reise gehen wird – obschon die Handlungen und etwaige Geschehnisse von der Figur der Rebecca aus dem Off kommentiert werden.
Was inhaltlich ein bisschen beginnt wie ein Home-Invasion-Thriller vor dem Hintergrund des 17. Jahrhunderts, entwickelt sich dann doch irgendwie anders. Die „Eindringlinge“ mögen nicht ganz aufrichtig sein, aber klassische Einbrecher und Peiniger sind sie ebenfalls nicht. Nach und nach konzentriert sich das Geschehen auf die Titelfigur der Fanny. Während diese zunächst noch ganz im Sinne ihres Herren, Sir John, handelt und ihm keine Widerworte gibt, stellt sie zunehmend das System und ihre Unterjochung in Frage. Je mehr Zeit das junge Paar auf der Farm verbringt, desto mehr emanzipiert sie sich von den puritanischen Fesseln und öffnet sich.
In Verbindung mit den authentischen Kostümen und den erstaunlich hochklassigen Dialogen entfaltet sich so ein durchaus faszinierender Einblick in eine Zeit, die auch vom Umbruch bestimmt war. Dass es im Finale dann doch noch einen gewissen Horroranteil gibt, wird anhand entsprechend grafischer Gewaltdarstellung deutlich, die letztlich auch die FSK-18-Einstufung rechtfertigt. Ziemlich anstrengend und irgendwann nervig ist allerdings der permanent dudelnde Score, der über weite Strecken (gerade zu Beginn) besser zu einem Film gepasst hätte, der in der Renaissance spielt.
Bild- und Tonqualität
Die Erlösung der Fanny Lye beginnt ziemlich dunkel. Sehr dunkel. So dunkel, dass man kaum etwas sieht. Das ist sicherlich auch dem Thema und der Zeit geschuldet, in der der Film spielt. Denn ganz offenbar ging es darum, nicht mit extrem viel künstlichem Licht auszugleichen. Um den Look noch authentischer zu gestalten, ließ Regisseur Thomas Clay auf analogen 35-mm-Film aufzeichnen. Körnung ist also allgegenwärtig. Digital ist hier nichts. Allerdings fängt die Blu-ray den Look authentisch ein und kann in punco Encoding durchaus überzeugen. Die nebligen Außenaufnahmen sind etwas kontrastarm, was allerdings auch beabsichtigt sein könnte. Denn es fördert das feucht wirkende, kühle Klima des Films. Close-ups sind harmonisch scharf, ohne das letzte Quäntchen Detaildarstellung, aber sehr angenehm anzuschauen. Die meist bräunlich gewirkten Farben kommen natürlich rüber, wirklich satt werden sie nie, was auch durch den bewusst etwas eingeschränkten Kontrastumfang kommt. Nach gut 85 Minuten (beim Anblick von John und Thomas auf dem Pferd) gibt’s allerdings mal eine sehr unscharfe Szene, die nicht Herr über die Bewegung im Gras bleibt.
Die DTS HD-Master-Spur gibt sich beim Ton zu Beginn schon recht räumlich, wenn Umgebungsgeräusche auf alle Speaker platziert werden. Die zahlreichen Monologe und Dialoge werden in der Synchro klar dargestellt. Sie klingen allerdings ein wenig eng auf dem Center, könnten etwas mehr Weite haben. Rumpelt im Hintergrund ein Gewitter, wird das deutlich räumlicher aufgefächert. Das klingt dann wiederum nicht ganz so authentisch, aber es kracht ganz hübsch.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial der Blu-ray findet sich neben den Trailern noch ein Q&A ein – und zwar eins, das man zuletzt in ähnlicher Form schon öfter gesehen hat. Denn es fand unter Corona-Lockdown-Bedingungen statt. Also via (mies aufgelöster) Video-Konferenz im Rahmen des Edinburgh International Film Festival. Beteiligt sind der Regisseur und drei der Hauptdarsteller.
Fazit
Die Erlösung der Fanny Lye ist ein spezieller Film, der bei Weitem nicht jeden Geschmack trifft. Dafür nimmt er sich zu viel Zeit, um seine Geschichte zu erzählen und wirkt immer wieder etwas ziellos. Wer sich aber auf die Atmosphäre sowie die stimmig eingefangene Gesellschaftsproblematik einlassen kann, bekommt zumindest ein gut gespieltes und sehr außergewöhnliches Stück Genrekino, dessen Emanzipationsanspruch durchaus aufgeht.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 50%
Film: 65%
Anbieter: Alamode Film
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Thomas Clay
Darsteller: Maxine Peake, Charles Dance, Freddie Fox, Tanya Reynolds, Zak Adams
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 115
Codec: AVC
FSK: 18 (uncut)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Alamode Film)
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Trailer zu Die Erlösung der Fanny Lye
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.