Blu-ray Review
OT: The Laundromat
Geld essen Seele auf
Steven Soderbergh kümmert sich in seinem jüngsten Werk um die Auswirkungen der Veröffentlichung der Panama-Papers.
Inhalt
Ellen Martin und ihr Mann Joe genießen die Stimmung auf ihrer Reise zum 40. Hochzeitstag und buchen eine Fahrt auf einem See. Als eine Welle das Boot zum Kentern bringt, stirbt Joe. Doch Trauer ist in der Folge nicht alles, was Ellen bewältigen muss, denn im Nachgang erwartet sie zwar eigentlich eine siebenstellige Entschädigung, bekommt sie aber nicht. Man verweigert ihr die Zahlung des Schadensersatzes, weil die Versicherung des Bootsbetreibers sich wiederum woanders versichert hatte und die Police der ersten Versicherung wohl abgelaufen war. Weil Ellen auch noch ein neues Appartement vor der Nase weggeschnappt wird, wird sie wirklich sauer. Sie stellt Recherchen auf eigene Faust an und kommt einer Briefkastenfirma in Panama auf die Spur …
Wir erinnern uns an das Jahr 2016, als die Zeitungen nur ein Thema kannten, aufgrund dessen ein Land zu unrühmlicher Ehre kam. Gemeint ist natürlich der Skandal um die Panama Papers. Unter diese Begrifflichkeit verbargen sich mehrere Millionen Dokumente, die ein anonymer Whistleblower an die Süddeutsche Zeitung weiterspielte und die (nach der Überprüfung) offenbarten, wie allerlei Persönlichkeiten über Offshore-Konten entsprechende Steuerzahlungen im eigenen Land umgingen. Aus den Unterlagen ging hervor, dass hier bis zum Verstoß gegen Geldwäschegesetze oder sogar dem Bruch von UN-Sanktionen vorgegangen war. Dieser größte Skandal der letzten Jahre führte zu Ermittlungen gegen Prominente und Politiker und veranlasste Enthüllungs-Journalist Jake Bernstein zu seinem Buch The Secrecy World. Dieses nahm sich nun Hollywoods Rückenkehrer (und Wiederheimkommer) Steven Soderbergh zur Brust und ließ es von seinem Autoren-Kollegen Scott Z. Burns auf Filmformat trimmen. Im Oktober 2018 begannen dann die Dreharbeiten, nachdem ein unglaublich illustres Cast gebucht und Streaming-Anbieter Netflix als Produzent bestätigt wurde. Premiere feierte Die Geldwäscherei auf dem Filmfestival von Venedig am 01. September 2019 und erscheint nach limitierten Kino-Auswertungen nun am 18. Oktober exklusiv über die Streaming-Plattform von Netflix. Soderbergh nimmt dabei, wie gewohnt (und auch zuletzt im Netflix-exklusiven High Flying Bird) kein Blatt vor den Mund und nennt auch die offiziellen Namen der beiden Verantwortlichen hinter der Briefkastenfirmen-Dienstleistungsgesellschaft: Jürgen Mossack und Ramón Fonseca. Die beiden „Figuren“ leiten den Film sogar ein und werden von Gary Oldman und Antonio Banderas mit bissigem Zynismus porträtiert. Soderbergh nutzt sie praktisch als „Erzähler“, die eine Art Storybogen rund um die anderen Charaktere bilden, die wiederum im Verlaufe des Films in die Machenschaften der Geldwäsche-Geschäfte verstrickt werden. Süffisant, zynisch und bitter geht es zu, in Die Geldwäscherei. Aber auch witzig. Wenn Meryl Streep bspw. in einer genialen Szene in bester Falling-Down-Manier mit der Pumpgun in das Büro von Boncamper eindringt. Auch der Slapstick funktioniert, wenn die Dame, die für 25.000 Unterschriften verantwortlich zeichnet, dummerweise durch einen Unfall zu Tode kommt. Wenn dann flugs ein Ersatz besorgt wird, um „Verantwortung“ für diese 25.000 gegründeten „Firmen“ zu übernehmen, entlarvt der Film die Simplizität und Unverfrorenheit des Briefkasten-Systems. Entlarvt wird auch die Skrupellosigkeit, mit der gewisse Geschäftemacher vorgehen – und zwar in einer ziemlich krassen Sequenz, in der Organe in einer Großküche aus dem Körper von Toten entnommen werden. Allerdings krankt Soderberghs Film an einem Punkt: Der heillosen Unübersichtlichkeit. Die komplexen Strukturen der Steueroasen, -hinterziehung und Briefkasten-Scheinfirmen mit ebensolchen Scheingeschäften lassen sich nicht in 90 Minuten erschöpfend erklären. Und wenn man dabei auch noch ein illustres Cast aus locker zehn sehr bekannten Darsteller-Gesichtern unterbringen muss, trägt das nicht gerade dazu bei, dass man sich mit ihnen verbunden fühlt.
Das größte Problem dabei ist, dass Soderbergh nach gut 45 Minuten seine eigentliche Hauptfigur links liegen lässt. Dachte man in der Zeit, dass der Regisseur eine Art modernen Erin Brockovich erzählen und damit unterstreichen wollte, wie gut er sein kann, wenn er sich auf die Seite benachteiligter Bürger stellt, denen massives Unrecht passiert, passt das nach einer Dreiviertelstunde nicht mehr. Denn anstelle die Story um Ellen zu Ende zu erzählen, führt Die Geldwäscherei mit Charles einen zweiten Hauptcharakter ein. Der Film konzentriert sich daraufhin auf diese Figur, unterstützt das auch optisch durch einen aufgehellten Look und kümmert sich praktisch überhaupt nicht mehr um die initiale Story des Versicherungsfalls. Da sich Soderberghs Film hier fast mehr Zeit nimmt, die Figuren und Hintergründe zu erzählen als bei der ersten Geschichte, kommt man zwar irgendwann auch in diesen Subplot hinein – aber die Frage bleibt: Warum?
Warum zwängt sich Die Geldwäscherei eine zweite (und später sogar noch eine dritte) Story auf, wenn er auch die Eine, erste Geschichte hätte fokussieren können? Wenn es darum geht, zu erzählen, dass keine der Figuren eine Bedeutung im Spiel der mächtigen Geldveruntreuer und -wäscher hat, dann geht die Rechnung natürlich auf. Für den Zuschauer aber bleibt hier eine gewisse Unbefriedigtheit zurück – selbst wenn Meryl Streep (nicht in den Credits aufgeführt) zur „Entschuldigung“, dass ihre Ellen Martin aus dem Film fällt, gleich zwei Rollen spielen darf. Dies tut sie wirklich glänzend, wenngleich man sie aufgrund des extrem extrovertierten Make-ups durchaus identifiziert und die Figur arg überzogen wirkt. Weiß man dies von Beginn an, kann man sich auf das System hinter der Geschichte konzentrieren: Die Offenlegung der unmoralischen Machenschaften reicher Geschäftsleute, Politiker und Unternehmen, die Profit und das Beiseiteschaffen von Geld über alles andere stellen – auch über Menschenleben.
Bild- und Tonqualität
Überraschung beim Bild: Während Soderbergh seine letzten beiden Filme noch mit einem iPhone 7 und iPhone 8 aufnahm, um sich noch mehr als sonst Freiheiten beim Filmemachen zu gönnen, kehrt er nun wieder zur klassischen Arbeit zurück. Die Geldwäscherei wurde mit Red-Epic-Kameras aufgezeichnet und erhielt im Anschluss (typisch für Netflix, die das oft vorgeben) ein vollwertiges 4K-Digital-Intermediate. Damit haben wir es mit einer Real-4K-Produktion zu tun, die über Netflix auch in dieser Auflösung abrufbar ist. Und die hohe Auflösung sieht man dem im 16:9-Vollformat abgelegten Film durchaus an. Die Close-ups zu Beginn auf dem Boot sind von herausragend hoher Schärfe. Die Detaildarstellung ist so gut, dass man aber auch wirklich jede Falte in Meryl Streeps mittlerweile in Würde gealterten Gesicht erkennen kann. Jedes Haar ist einzeln zählbar und die Fransen an ihrer Jacke sind zum Greifen nahe (9’07). Dazu kommt eine Laufruhe und Rauschfreiheit, die selbst im Sektor ähnlicher Produktionen ihresgleichen sucht. Sogar die dunkleren Innenraumszenen – und selbst solche mit schwieriger roter Farbgebung wie bei Minute 10’00 – bleiben vollkommen frei von Körnung oder Farbrauschen. Apropos Farben: Das pinke Kleid von Vincelle ist wunderbar lebhaft und kräftig, während Hautfarben meist sehr warm gehalten sind. Wechselt der Film dann zu seiner zweiten Story, hellt das Bild bewusst auf und wirkt kontrastschwach und trüb. Das ist zwar so gewollt, sieht aber nicht so hübsch aus.
Da wir es mit einer überhöhten Satire und nicht mit irgendeiner Art von Actionthriller oder Sci-Fi-Kunstwerk zu tun haben, schreit der dialoglastige Film nicht gerade nach einer referenzhaften Tonspur. Das ist am Ende auch so und wird von Netflix nicht unnötigerweise mit einer Atmos-Spur beschickt, die dann auf der Höhen-Ebene eh nichts zu tun hätte. Beide Sprachen liegen deshalb nur in Dolby Digital Plus vor, was der grundsätzliche Basis-Codec für Netflix-Produktionen ist.
Und beide Tonspuren bleiben bis auf wenige Ausnahmen oft auf die Front beschränkt. Während des anfänglichen Boots-Unglücks gluckst es mal ein bisschen von den Rears und auf den Straßen von Nevis oder am Flughafen lebt die Umgebungsatmosphäre ein wenig auf. In Panama City kreischen Möwen rundherum und hin und wieder hat auch der Subwoofer mal etwas zu tun – beispielsweise beim Unfall, der für den überraschenden Tod von Mia sorgt. Stimmen kommen derweil klar zum Ohr und die anfänglichen Stereo-Effekte der Erzählungen von Oldman und Banderas sind klasse. Wirkliche Dynamik gibt’s hier aber schon rein thematisch nicht. Selbst Filmmusik ist relativ selten und sorgt nicht für entsprechende Akustik-Highlights.
Fazit
Die Geldwäscherei ist kein schlechter Film – im Gegenteil. Er ist sogar ein ziemlich guter Soderbergh. Da der Regisseur auch schon einige ziemlich überschätzte Werke in seiner Vita hat, liefert er hier doch zumindest einen bösen und (leider) sehr wahren Film ab. Wenn sich Oldman und Banderas zum Finale hin als Opfer darstellen (und dabei großartig an der Kamera vorbeigucken, wo sie doch eigentlich die Vierte Wand beständig durchbrechen), dann wird deutlich, wie falsch es auf Welt zugeht. Und wenn sie am Ende auch noch offenbaren, dass die Schlupflöcher immer noch nicht gestopft sind, bleibt ein gewisser Zorn zurück. Das wiederum ist eine Leistung des Films: Er regt auch nach dem Abspann und der finalen Ansage (die scheinbar eher von Meryl Streep selbst als von Ellen Martin gehalten wird) zum Nachdenken an.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Film: 70%
Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Steven Soderbergh
Darsteller: Meryl Streep, Gary Oldman, Sharon Stone, Antonio Banderas, Melissa Rauch, David Schwimmer, James Cromwell, Robert Patrick, Jeffrey Wright, Matthias Schoenearts, Will Forte, Rosalind Chao
Tonformate: Dolby Digital Plus: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 96
Real 4K: Ja
Datenrate: 15.25 Mbps
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)