DVD Review
OT: –
Charlotte, Caroline und Friedrich
Dominik Graf erzählt von einer ungewöhnlichen Liebe.
Inhalt
1788: Die junge Charlotte von Lengefeld kommt an den Hof ihrer (nicht immer geliebten aber respektierten) Tante Charlotte von Stein, um dort das vornehme Leben, Handeln und die Sprache zu lernen. Nicht zuletzt aber auch, um eine gute Partie zu machen. Die Familie von Lengefeld ist über die Ereignisse der leztten Jahre ein wenig mittellos geworden, und da scheint es nur logisch, dass Charlotte einen der angesehenen Männer ehelicht, die dort verkehren. Doch es kommt alles anders. Der (wenig sympathische) Auserwählte zieht in kriegerischer Mission von dannen und Charlotte kehrt heim zu Mutter und Schwester. Dort lädt sie den jungen Dichter Friedrich Schiller ein, der sich des Öfteren vor dem Fenster Charlottes am Anwesen derer von Stein hatte blicken lassen. Kaum ist der wortgewandte Mann in Rudolstadt angekommen, verliebt sich auch gleich noch Schwester Caroline in den Poeten. Die ist mehr als unglücklich verheiratet und einer Dreiecksbeziehung (natürlich geheimgehalten) nicht abgeneigt. Als der Familie Lengefeld ein überraschendes Erbe zuteil wird, scheint die Situation sich zu verbessern. Gleichzeitig heiraten Charlotte und Friedrich, um nach außen das Bild zu wahren. Wird der Plan aufgehen, zu Dritt durchs Leben zu gehen?
Mit luftiger Erzählweise und hervorragender Ausstattung nimmt Dominik Graf den Zuschauer in Die geliebten Schwestern mit in die Zeit der großen Deutschen Dichter und konzentriert sich doch auf etwas ganz anderes. Nicht das Werk der beiden berühmten Schriftsteller steht im Vordergrund, sondern die Liebe – eine unkonventionelle noch dazu und damit verbunden die Frage, ob eine Beziehung zwischen drei Menschen umsetzbar ist oder nicht. Das von Graf selbst geschriebene Drehbuch strotzt nur so vor Dialogkraft und -witz, lässt die knapp drei Stunden Laufzeit des Director’s Cut wie im Flug vergehen und zelebriert die Kommunikationsformen der damaligen Zeit – nonverbale und verbale. So sind es nicht nur die geschliffenen Dialoge, sondern auch Verschriftlichungen in Geheimcode und Schillers Vorfreude auf den möglichen Buchdruck, es sind Visualisierungen, in denen die Drei Briefe schreiben und die Verschriftlichung fließend in einen Monolog direkt in die Kamera übergeht. Letzteres wirkt zwar, urplötzlich eingesetzt, ein wenig befremdlich, gehört aber zu den Spielereien, die Graf bisweilen einstreut. Ebenso wie übrigens der immer wieder einsetzende, nuschelige Erzähler, der nicht nur mäßig akzentuiert, sondern auch noch viel zu schnell spricht. Soll man ihm folgen? Muss man es? Das mag jeder für sich selbst entscheiden. Blendet man dessen Einwürfe aus, kann man die Geschichte dennoch nachvollziehen – fast wirkt es so, als setzte Graf dieses Mittel ein, um den relevanten Dialogen des Films eine gewisse Redundanz gegenüberzusetzen. Ähnlich empfindet man es bei den Titeln, die zwischendurch eingeblendet werden, um die Szenerie verorten zu könnnen. Deren billige Optik erinnert an ein Selfmade-C64-Design und wirkt im visuell ansonsten akribisch umgesetzten Film wie ein Fremdkörper.
Diese Mätzchen ausgenommen überzeugt Die geliebten Schwestern auch durch seine vorzügliche Besetzung. Während Henriette Confurius die schüchterne Charlotte ebenso fragil wie bezaubernd gibt, dominiert Hannah Herzsprung die Szenen, in denen sie auftritt mit absoluter Souveränität und Präsenz. Dagegen hat es Florian Stetter als Schiller etwas schwer und lässt seine Dialoge hin und wieder etwas auswendig gelernt erscheinen. Claudia Messner als Mutter von Caroline und Charlotte agiert hingegen grandios und jederzeit absolut authentisch – egal, in welcher Gefühlslage sie sich nun gerade befindet. Nebenbei hat sie einen der besten Lacher des Films, wenn sie Knebel vorwirft, er „grinse schon den ganzen Tag unter seinem Niveau“. Knebel selbst wird herrlich selbstironisch von Michael Wittenborn verkörpert, der so etwas wie die gute Seele im Hause der Lengefelds ist. Was den zweiten großen Dichter der Zeit angeht, der Thema in Die geliebten Schwestern ist – er bleibt Thema und zwar nur das. Goethe wird nicht dargestellt, sondern nur erwähnt oder mal von hinten gezeigt. Auch eine Art und Weise zu verdeutlichen, dass es Graf eben nicht zwingend um die Darstellung der kulturellen Blütezeit in Weimar und Umgebung ging.
Bild- und Tonqualität
Das helle Bild der DVD von Die geliebten Schwestern präsentiert die Bäckchen der Protagonisten rosig, lässt helle Hintergründe leicht ausreißen, was gut zur Stimmung passt und ist für eine Disk mit langer Laufzeit erstaunlich gut gemastert, vermeidet digitale Artefakte weitestgehend. Die Schärfe tritt zugunsten eines etwas weicheren Looks in den Hintergrund. Der Ton wird immer dann etwas offener, wenn die Musik sich flächig über alle Lautsprecher legt oder Naturgeräusche das Zepter übernehmen. So zirpen die Grillen während der Ausflüge der drei Liebenden rund um den Zuschauer herum. Ansonsten konzentriert sich der Film auf die gute Verständlichkeit der Dialoge.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Die geliebten Schwestern besteht aus einem Audiokommentar von Dominik Graf und einem 20-minütigen Making-of, das sehr hautnah hinter die Dreharbeiten blickt.
Fazit
Die geliebten Schwestern ist historisch vermutlich nicht in allen Belangen korrekt, was aber auch ebenso egal ist. Denn Graf geht’s nicht um das Schildern der Fakten, sondern darum, universelle Fragen in Sachen Liebe zu stellen und diese mit höchst fesselnden Kommunikationsformen zu schildern – ein Fest für Freunde des hochwertigen deutschen Films.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%
Anbieter: Senator Home
Land/Jahr: D/A 2013
Regie: Dominik Graf
Darsteller:Hannah Herzsprung, Henriette Confurius, Florian Stetter, Claudia Messner, Maja Maranow, Michael Wittenborn, Ronald Zehrfeld
Tonformate: DD 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 164
Codec: AVC
FSK: 6