Blu-ray Review
OT: Objetos
Aus dem Morast
Aus Spanien kommt ein Thriller, der über weite Strecken überzeugen kann.
Inhalt
Mario ist ein Engel – zumindest für manche. Als Betreiber eines Fundbüros nimmt er seinen Job äußerst ernst. Nicht nur verwaltet er die Fundsachen, sondern repariert auch schon mal Kaputtgegangenes oder bringt Schätze von ideellem Wert zu den rechtmäßigen Eigentümern, wenn diese sich nicht von selbst melden. Stets wertschätzend gegenüber den Besitzern der verloren gegangenen Sachen auftretend ist er gleichsam kein guter Sozialkontakt. Menschlichen Beziehungen steht er defensiv bis skeptisch gegenüber und kann dann auch schon mal schroff wirken. Im Job jedoch geht es stets geordnet zu. Mario weiß zu jeder Zeit, an welchem Platz sich befindet, was auch immer verloren und ihm gebracht wurde. Etwas wuselig wird es jedoch, als das nahe Flussbett trockengelegt wird, um den dort vorhandenen „Müll“ auszuräumen – immerhin sammeln sich da schnell tonnenweise Fundsachen an. Als Mario an diesem Tag erschöpft Feierabend machen möchte, fällt ihm aber noch dieser rote Lederkoffer auf. Behutsam knackt er das Zahlenschloss, reinigt den morastigen Inhalt mit einer Brause und stößt auf etwas Hartes. Als er den Gegenstand mit einer Pinzette dreht, schaut er in den skelettierten Schädel eines Babys. Die alarmierte Polizei will trotz eines Baby-Skeletts den Fall schnell zu den Akten legen – vermutend, eine illegale Einwanderin oder Prostituierte habe eine Fehlgeburt gehabt und sich so der Sache entledigt. Marios Einwand, der Koffer wäre viel zu teuer gewesen, prallt an dem ermittelnden Beamten ab. Und so setzt sich der von der Ignoranz des Polizisten verärgerte Mann noch einmal selbst an den Inhalt des Koffers. Denn ein Stück Stoff sowie einen halb verrotteten Brief haben die Beamten übersehen. Mit detektivischer Kleinstarbeit entziffert Mario einen Namen und sucht die Adresse auf, unter der er die Person vermutet. Zwar tut diese so, als kenne sie den Koffer nicht, doch Mario lässt sich nicht so leicht abschütteln. Schnell führen ihn seine Ermittlungen in die Prostituierten-Szene, wobei ihm die Gegenstände aus seinem Fundbüro helfen, fremde Identitäten anzunehmen, um kein Aufsehen zu erwecken. Allerdings wirbelt Marios Arbeit so viel Staub auf, dass es für ihn gefährlich wird …
Jorge Dorado ist in seiner spanischen Heimat kein unbeschriebenes Blatt. Einige der besten und spannendsten Serien des Landes gehen auf sein Konto und im Jahre 2013 war er sogar schon einmal international auf der Bildfläche erschienen. Mit seinem Regiedebüt Mindscape gab er eine ziemlich überzeugende Vorstellung als Thriller-Filmemacher. In der spannenden Story schickte er Mark Strong als Detektiv mit der Fähigkeit, in die Erinnerungen von Menschen einzudringen in einen Fall eines brillanten, aber gestörten 16-jährigen Mädchens, um herauszufinden, ob sie eine Soziopathin oder ein Opfer eines psychologischen Traumas ist. Neun Jahre ließ sich Dorado nun Zeit, seinen zweiten Langfilm zu inszenieren, Die Spur der Knochen. Nachdem er viele Jahre vor allem im TV-Serien-Bereich unterwegs war, ist es erneut das Thriller-Genre, das es ihm angetan hat. Dieses Mal allerdings ohne US-Unterstützung, sondern mit einem vornehmlich spanisch-argentinischen Cast – wobei hier auch deutsche Produktionsgelder flossen.
In Die Spur der Knochen konzentriert sich Dorado zunächst vollkommen auf seine Hauptfigur Mario. Der in seiner Arbeit im Fundbüro vollkommen aufgehende Mann scheint zufrieden mit seinem Leben, das nicht unbedingt auf der finanziellen Sonnenseite stattfindet. Auch wenn er im Umgang mit den ihm näher stehenden Menschen wortkarg, manchmal gar abweisend wirkt, ist er ein Mann, dem Moral und Anstand noch etwas wert sind. Dass er mitunter nervös wirkt und den Blick anderer nicht erwidern kann, lässt die Figur umso tiefgründiger und geheimnisvoller erscheinen. Was mag hinter seiner Fassade schlummern, die wirkt, als hätte er eine Mauer um sich herum gebaut? Was steckt dahinter, dass er nach etwas über 50 Minuten so verzweifelt darum kämpft, einen Unterschied zu machen? Die zunächst zurückgenommene, respektvoll gegenüber seinen Mitmenschen auftretende Art von Álvaro Mortes, der den Mario spielt, zieht den Zuschauer augenblicklich auf seine Seite.
Mit jazzigen Klängen unterlegt der Film Momente, in denen Mario Gegenstände im Fundbüro sortiert, was auch aufgrund der düsteren Atmosphäre etwas Film-Noir-Stimmung aufkommen lässt. Geschickt schafft Die Spur der Knochen es zudem, ohne große Füllszenen zur Sache zu kommen und dabei zunächst eine intensive Spannung zu erzeugen. Eben weil Mario so vortrefflich von Mortes gespielt wird und man sich aus moralischen Gründen selbst angestachelt fühlt, die Hintergründe zu dem schrecklichen Fund zu erfahren, folgt man den Hinweisen, die Mario findet, wissbegierig.
Dass es den Film relativ schnell ins Rotlicht- und später ins Milieu des Menschenhandels führt, mag vorhersehbar sein und ist letztlich auch alles andere als innovativ umgesetzt, aber es ist und bleibt immer noch ein Thema, das viele Emotionen birgt und freisetzen kann. Auch wenn man als Filmemacher stets Gefahr läuft, dass die Charaktere (in aller Regel) schwarzweiß gemalt bleiben, so darf man hin und wieder auch mal einen Film produzieren, bei dem Gut und Böse deutlich erkennbar bleiben. Im Falle von Mario ist das nicht einmal der Fall, was der Zuschauer dann nach etwa einer Stunde erfährt. Schlagartig wissen wir, warum er sich so vehement dafür stark macht, Sara zu helfen und Licht ins Dunkel des toten Babys zu bringen. Die Tatsache, dass hier noch eine Lovestory integriert wird, mag zunächst überflüssig wirken, dient aber als Katharsis für das, was Mario durchgemacht hat. Allerdings ist das auch der Moment, in dem Die Spur der Knochen etwas durchhängt und mal kurz Luft holt, um im letzten Drittel noch mal eine Wendung zu vollziehen, die auch einen Schauplatzwechsel enthält. Man darf ankreiden, dass Mario lediglich eine (für ihn) zu vage Aussage eines Polizisten zum Anlass nimmt, hier auf einer gegen alle zu machen, doch Dorado und sein Autor Natxo López haben immerhin dafür gesorgt, dass man die Motivation des Protagonisten nachvollziehen kann.
Bild- und Tonqualität
Die Spur der Knochen wurde sichtbar digital gedreht, was sich anhand der sehr ruhigen und rauscharmen Bilder von Beginn an erkennen lässt. Während der Anfangsszenen schauen wir in das Innere eines alten Lederkoffers und sehen die Bespannung des Deckels. Nur ganz geringfügig kann man hier recht homogen wirkendes Digitalrauschen erkennen, das allerdings durchaus vorhanden und ergo nicht weggefiltert ist. Während der darauf folgenden Szene bei Dunkelheit hat das Encoding allerdings leichte Probleme. Der Himmelshintergrund ist nicht absolut perfekt gleichmäßig mit Digitalrauschen versehen, sondern zeigt hier und da dezente Clusterbildung. Nichts dramatisches und nichts, was man im laufenden Bild überdeutlich erkennen würde. In den sehr dunklen Bereichen dieser Szene gehen Details ein kleines bisschen verloren, wobei man weit davon entfernt ist, hier von Black Crush zu sprechen. Während der schwach ausgeleuchteten Innenraumszenen ist Schwarz hingegen ganz leicht aufgehellt und verhindert dadurch absolut knackige Dynamik. Allerdings ist auch das moderat und nicht überdeutlich auffallend. Stilistisch hat man dem Bild eine Grüntendenz mitgegeben, was offensichtlich eine bewusste Entscheidung gewesen ist. Gleichzeitig sind Gesichter mit einer dezenten Gelblastigkeit gezeichnet, was zum generell eher grünlichen Look passt. Im späteren Verlauf gibt’s wärmere, goldgelberere Farben, wenn das Geschehen den Schauplatz wechselt. Das allerletzte Bisschen an Auflösung und Schärfe fehlt – erkennbar schon bei Halbtotalen, noch auffälliger aber bei Totalen, die im Hintergrund nicht mehr sehr gut auflösen (10’00). Auch das Geländer an der Brüstung des Gebäudes oberhalb der Uhr sowie deren römische Zahlen bei 19’12 dürften klarer abbilden. Selbst Close-ups wirken ab und an etwas soft (19’21). Sehr gut geht die Scheibe mit den helleren Szenen um, die nicht den üblichen Blu-ray-Hang zum leichten Überstrahlen haben. So bleibt der Himmel auch bei taghellen Aufnahmen stets gut durchzeichnet und Wolken bilden sich sichtbar ab.
Die Spur der Knochen kommt auf Blu-ray mit zwei verlustfrei komprimierten DTS-HD-Master-Spuren fürs Deutsche und Spanische. Wer’s im Original schauen möchte, bekommt ausschließlich deutsche Untertitel. Der Film selbst beginnt mit markerschütterndem Schluchzen und Babyweinen – beides wird räumlich verhallt auf Rears und Fronts gelegt, sodass eine große Bühne entsteht, die sehr weit weg erscheint. Das Gewitter nach gut fünf Minuten bringt dann erstmalig etwas Dynamik und Fundament ins Heimkino. Wenn es nach knapp 39 Minuten innerhalb einer Flucht im Auto mal etwas dynamischer wird, rumpelt der Sound allerdings etwas, was jedoch auch am Sounddesign selbst liegen kann.Dialoge werden unterdessen sehr sauber und klar wiedergegeben, stehen zentral im Raum, wenn die Kamera die Protagonisten fokussiert. Die Synchro ist absolut hochwertig, wird aber vor allem von der Stimme Nicola Mamone getragen, der dem Mario sein Organ leiht und den man sonst als Stimme von John Leguizamo kennt. Seine Klangfarbe in dieser Rolle erinnert frappant an David Nathan, was dem Film wirklich gut tut und zum spanischen Darsteller hervorragend passt. Nach 52’20 ist es erneut ein Gewitter, das für Abwechslung sorgt und die vorherige Stille effektvoll zerreißt. Was ebenfalls gut funktioniert, sind atmosphärische Geräusche jeder Art – beispielsweise jener in der Küche nach etwas über 60 Minuten.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Die Spur der Knochen finden sich leider nur der Trailer zum Film sowie Programmtipps zu einigen weiteren Titeln. Schade, dass man auch hier auf ein Making-of oder auf Interviews verzichten muss – vor allem, da es sich um eine deutsche Koproduktion handelt. Es wäre schön gewesen, wenn man hier etwas mehr über die Dreharbeiten und das Ensemble erfahren hätte.
Fazit
Die Spur der Knochen ist kein Actionthriller, kein schnell geschnittener Konkurrent zum US-Kino. Jorge Dorado lässt zwar den meisten überflüssigen Kram beiseite, liefert ansonsten aber einen eher konzentrierten und ganz auf seinen Hauptdarsteller zugeschnittenen Film ab. Das ist zu Beginn richtig spannend, lässt dann etwas nach und ist auch vor Klischees nicht sicher. Kraft der Darstellung von Álvaro Morte umschifft der Film diese Mankos aber relativ sicher. Das arg plakative Ende hätte es allerdings nicht gebraucht.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 10%
Film: 70%
Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: Spanien/Argentinien/Deutschland 2022
Regie: Jorge Dorado
Darsteller: Álvaro Morte, Andy Gorostiaga, China Suárez, Daniel Aráoz, David Luque, Gloria Velásquez, Maitane San Nicolás,
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, sp
Untertitel: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 108
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Capelight Pictures)
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Trailer zu Die Spur der Knochen
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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