Blu-ray Review
OT: The Lost City of Z
Zu englisch für den Dschungel?
Abenteuer-Drama mit klassischer Erzählweise.
Inhalt
1905 in Irland: Major Percy Fawcett, Ex-Soldat der königlichen Armee, ist nicht gerade adligen Ursprungs und wird deshalb trotz seiner Dienste und Erfoge von der feinen Gesellschaft gemieden. Als die Royal Geographical Society sich aber ein Jahr später an ihn wendet, scheint es, als könne er seinem Leben noch einmal den Inhalt geben, nach dem er immer gesucht hatte. Die Gesellschaft schickt ihn auf eine Forschungsreise nach Bolivien in Südamerika. Er soll die schlechten und lückenhaften Karten des Landes verbessern, damit die Engländer klare Grenzen ziehen und vielleicht ein Bein in den Handel mit Kautschuk bekommen können. Man lockt ihn damit, dass er mit einer erfolgreichen Mission die Ehre seiner Familie (einst vom Vater in den Schmutz gezogen) wiederherstellen könne. Gemeinsam mit seinem neu eingestellten, etwas fahrigen Assistenten Henry Costin treffen sie vor Ort auf selbstinstallierte weiße Bosse, die die Ureinwohner wie Tiere behandeln, aber auch auf wenig erfreute Eingeborenenstämme, die die Eindringlinge auch mal wissen lassen, was sie von ihnen halten. Doch allen Widrigkeiten zum Trotz beenden sie ihre Reise erfolgreich und finden am Ziel scheinbar Überreste einer alten Zivilisation. Zurück in England schaffen sie es, sich die Unterstützung des Antarktis-Erforschers James Murray zu sichern und ziehen erneut los, um die verschollene Stadt zu finden, von deren Existenz Fawcett überzeugt ist …
James Gray (The Immigrant) sucht sich seine Stoffe immer sehr ausgewählt aus, was dazu führte, dass er seit seinem Langfilm-Debüt Little Odessa von 1994 gerade mal vier weitere Werke vollbrachte, bevor er nun mit Die versunkene Stadt Z seinen sechsten abendfüllenden Spielfilm ins Rennen bringt. Der basiert auf dem gleichnamigen Buch von David Grann, das von Gray überarbeitet wurde. Lange war es allerdings unklar, ob er wirklich realisiert würde. Denn als man Gray das Buch bereits 2008 (noch vor der Veröffentlichung des Romans selbst) zusandte, war der Regisseur praktisch überrumpelt. Nicht nur, dass er von der Story bisher überhaupt nichts wusste, hatte er auch zuvor noch nichts dergleichen inszeniert. Einige Jahre entwickelte er dann das Drehbuch und nach und nach kamen die Darsteller hinzu. Hunnam war übrigens nach Brad Pitt und Benedict Cumberbatch (die beide aufgrund von Terminkonflikten absagen mussten) die dritte Besetzung für die Hauptrolle. Die Geschichte selbst erzählt vom echten Percy Fawcett, der ab 1906 als ehemaliger Soldat die nötige Portion Abenteuerlust mitbrachte, um seine archäologischen und geologischen Kenntnisse in diverse Forschungsreisen nach Südafrika zu nutzen. Später trieben ihn seine Reisen immer wieder in den Regenwald, wo ihn die Spuren vergangener Zivilisationen zur Überzeugung brachten, dass es eine mysteriöse verschollene Stadt geben müsse. Obwohl Fawcett Zeit seines Lebens viele Erkenntnisse aus den erfolgreichen Reisen mitbrachte, kennt man ihn heute vornehmlich aufgrund seiner Suche nach der Stadt „Z“ und seinem damit verbundenen (hier aufgrund von Spoiler-Gefahr) nicht genannten Schicksals.
Grays Drehbuch und filmische Umsetzung hat aus dem Thema in Die versunkene Stadt Z ein echtes Abenteuer-Epos gemacht, wie es lange nicht mehr das Licht der Leinwand erblickt hat. Gut zweieinhalb Stunden nimmt der Zuschauer teil an den Jahren 1905 bis 1925 und darf sich auf eine ebenso gemächlich wie intensiv inszenierte Reise begeben. Die Hauptfiguren bekommen echtes Fundament (wo findet man das heute noch) und der Produktionsaufwand war erstaunlich hoch. Zeitgenössische Dampfloks, schmuddelige Gassen in London, der Regenwald Boliviens, die schneebedeckten Gipfel der Anden – das alles fängt Die versunkene Stadt Z in langen, fast meditativen Einstellungen ein. Begleitet von elegischer Musik wirkt Grays Film oft wie ein Mix aus Herzogs Fitzcarraldo und den erlesenen Bildern eines Terrence Malick, der mit The New World schon mal auf ähnlichem Terrain unterwegs war. Dabei teilt sich der Film in zwei inszenatorische Bereiche auf: Die Reisen in den Regenwald Amazoniens und die politisch-gesellschaftlichen Debatten im heimischen England. Während Erstere atmosphärisch packender sind, könnte der Film ohne Zweitere dennoch nicht funktionieren. Denn Gray zeigt eben nicht nur den Forscherdrang eines Idealisten, sondern auch eine Gesellschaft, deren Konventionen zunehmend in Frage gestellt werden.
Standesdünkel, der Unterschied zwischen Mann und Frau, gesellschaftliche Konventionen – Die versunkene Stadt Z legt den Finger auf die Wunde dieser sozialen Risse und scheut auch nicht davor zurück, seinen Protagonisten bisweilen ganz schön chauvinistisch argumentieren zu lassen, wenn er bspw. von „unterschiedlichen Aufgaben von Mann und Frau“ spricht. Das, sowie die Tatsache, dass er seine Familie immer wieder lange Zeit alleine lässt, steht im Gegensatz zu seinem sehr toleranten und offenen Verhalten, wenn er die Indios entgegen aller anderen Weißen nicht für minderwertige Menschen hält. Zusätzlich zur „Zweiteilung“ der Szenarien spalten sich auch die Forschungsreisen noch auf. So erzählt der Film von insgesamt drei Reisen ins Amazonas-Gebiet. Während die erste Expedition die Vermessung Boliviens schildert und die Zweite sich auf die Suche nach der angenommenen Stadt begibt (sich dabei vornehmlich auf den neuen und ziemlich schwierigen Teilnehmer Murray konzentriert), ist es die dritte Reise, die Fawcett erstmals mit seinem Sohn Jack in den Regenwald bringt. In Wirklichkeit war der Forscher gar insgesamt sieben Mal vor Ort, um seiner Überzeugung zu folgen. Die inszenatorische Aufteilung hat zwar zum Resultat, dass keine der drei Reisen die maximale Erzähltiefe erreicht, doch die 140 Minuten Laufzeit bieten genug Länge, um die wichtigsten Fakten glaubwürdig und nachvollziehbar abzuhandeln. Etwas besser herausarbeiten hätte man noch die Freundschaft zwischen Fawcett (Charlie Hunnam kommt authentisch rüber) und seinem Assistenten Henry Costin (überraschend unaffektiert: Robert Pattinson) können, denn die beiden waren während der Reisen stets zusammen und hielten sich den Rücken frei.
Bild- und Tonqualität
Die versunkene Stadt Z stimmt optisch von Beginn an darauf ein, dass man es mit einem ungewöhnlichen Film zu tun hat. Gray taucht seine nicht gerade sehr scharfen Bilder in deutliche Gelb- und Grünfilter ein und reduziert damit den Farb- und Kontrastumfang. Selbst die roten Uniformen auf dem Fest zu Beginn wirken schmutzig und maximal dreckig-orange (6’45). Auch Fawcetts Bart nimmt nie die blond-braune Farbe an, die er hat, sondern ist stets irgendwie grün. Die Schärfe ist dazu gerade in Halbtotalen ziemlich mittelprächtig und lässt kaum Plastizität zu (28’45). Während der dunkleren Innenraumszenen muss oft natürliches Licht aus Kerzen und Öllampen ausreichen, um das Geschehen auszuleuchten. Der mit vier unterschiedlichen Kameras komplett auf 35mm gedrehte Film nimmt während dieser Sequenzen dann auch deutlich zu, was Körnung angeht. Das passt atmosphärisch natürlich perfekt zum Thema, dürfte aber Freunden des glatten digitalen Looks von heute eher missfallen. Der grüne Look funktioniert natürlich wiederum sehr gut, wenn das Geschehen in den Regenwald wechselt. Die Bäume kommen dann noch saftiger rüber und die Atmosphäre profitiert davon.
Zikaden zirpen, exotische Vögel krächzen, Frösche quaken – Die versunkene Stadt Z beginnt mit einer wunderbar räumlichen Naturkulisse, die vor allem im Urwald stets präsent ist. Während der Szenen in Großbritannien und Irland reduziert sich die Räumlichkeit etwas, nur um mit dem Eintritt in den Regenwald Boliviens wieder extrem aufzuflammen (ab 21’20). Klasse, wie sehr diese unterschiedliche Tonart den Zuschauer zwischen den beiden Welten unterscheiden lässt und in Stimmung bringt. Setzt dann schon mal Action ein, wie beim Angriff der Einheimischen nach einer halben Stunde, fliegen dem Zuhörer die Pfeile nur so um die Nase (31’00). Auch beim kurzen Ausflug an die Front nach Frankreich darf der Ton zeigen, was er drauf hat, wenn Bomben fallen und Schüsse querschlagen (ab 97’00).
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Die versunkene Stadt Z findet sich eine Pressekonferenz von der Berlinale 2017, der die drei Hauptdarsteller und der Regisseur beiwohnen. Dazu gibt’s ein Behind the Scenes, das mit drei Minuten allerdings ziemlich kurz geraten ist und nicht mehr als ein mit ein paar Hintergrundinfos unterlegter Teaser ist. Das ebenfalls enthaltene Making-of ist mit fünfeinhalb Minuten auch nur unwesentlich länger und wird dem Film selbst kaum gerecht – zumal es sich hierbei um ein deutsch kommentiertes Feature fürs hiesige Fernsehen handelt.
Fazit
Wer keinen Indiana Jones erwartet und mit den Filmen von Terrence Malick etwas anfangen kann, der erhält mit Die versunkene Stadt Z den ersehnten Nachschub im Abenteuer-/Forscher-Subgenre. Darstellerisch liegt das Ganze auf sehr gutem Niveau und die vorzügliche Kameraarbeit ist sowohl im Dschungel als auch an der Kriegsfront stets ein Blickfang.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%
Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2017
Regie: James Gray
Darsteller: Charlie Hunnam, Robert Pattinson, Sienna Miller, Tom Holland, Edward Ashley, Angus MacFadyen, Ian McDiarmid,
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 141
Codec: AVC
FSK: 12