Dragged Across Concrete

Blu-ray Review

© Universum Film GmbH, 23.08.2019

OT: Dragged Across Concrete

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Alles Zuckerwatte

S. Craig Zahler liefert seinen dritten Film ab – erneut ein Meisterwerk?

Inhalt

Weil die Bulwarker Cops Ridgeman und Lurasetti bei der Festnahme eines lokalen Drogen-Kriminellen ein bisschen zu handfest vorgegangen sind und dabei dummerweise gefilmt wurden, werden sie für den Moment suspendiert. Ridgeman erwartete zudem eine Beförderung/Gehaltserhöhung, die er nun auch abschreiben kann. Das ist vor allem deshalb niederschmetternd, weil er mit seiner an MS erkrankten Frau und der gemeinsamen Tochter endlich aus der üblen Wohngegend ziehen wollte. Ein Vorhaben, für das nun das entsprechende Geld fehlt. Um die Löcher in der Kasse zu stopfen, kommt ihm eine Idee, für die er irgendwann auch Partner Lurasetti überreden kann: Sie observieren einen potenziellen Täter, um ihn bei einem Coup zu verfolgen und dann ihrerseits die Beute einzustreichen. Dumm nur, dass sie nicht mal wissen, was ihr Beobachtungsobjekt überhaupt für ein Ding drehen will …

Das muss man auch erst einmal schaffen: Gerade mal zwei Filme hat Regisseur S. Craig Zahler auf seiner Vita und es eilt ihm ein Ruf wie Donnerhall voraus. Nicht ganz verwunderlich indes, handelt es sich doch um die beinharten Genrefilme Bone Tomahawk und Brawl in Cell Block 99. Mit beiden sprengte er die Grenzen dessen, was man zum einen von einem Western eigentlich erwarten würde und womit man zum anderen bei einem Knast-Thriller für gewöhnlich rechnet. Beide Filme polarisierten und kannten nur Liebhaber oder Hasser. So richtig kalt lässt Zahler mit seinen Filmen niemanden. Was der Autor/Regisseur realisiert, wird diskutiert – und das ist gut so. Bei einem seit Jahren andauernden Trend, der das Kino zur reinen Mainstream-Veranstaltung mit der x-ten Fortsetzung des schon Bekanten abspeist; bei dem mittlerweile schon fast eine Monokultur des Anbieters mit der Maus im Logo herrscht und bei dem Innovation von den Filmstudios so sehr gefürchtet wird wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser meidet, braucht es frische Ideen und frische Filmemacher.

Nun zeigt der Regisseur das schmuddelige Amerika. Das Amerika, das vergessen scheint. Jenes, bei dem man in den üblen Gegenden jederzeit damit rechnen muss, Opfer irgendeiner Art von Überfall zu werden. Ein Amerika, das den Nährboden für einen neu aufkeimenden Rassismus liefert. Und S. Craig Zahler hat einen durch und durch kontroversen Film daraus gemacht. Dragged Across Concrete triggert Emotionen, die bei liberalen Filmschauern für Abscheu sorgen werden. Ja, man kann soweit gehen und dem Film eine ebenso rassistische Aussage unterstellen, wie sein Hauptcharakter sie vermittelt. Jene Rolle, die man – nicht ganz unheikel – mit Mel Gibson besetzt hat. Immerhin jenem Schauspieler, der sich gegenüber seiner Ex-Frau Oksana Grigorieva mehrfach rassistisch geäußert hatte, einem Polizisten gegenüber mit üblen Juden-Beschimpfungen auffiel (Quelle) und einem Kritiker seines Films Passion Christi die wenig freundlichen Worte: „I want to kill him…I want his intestines on a stick… I want to kill his dog.“ (Quelle) entgegen schmetterte.

Nach einem erstaunlich pazifistischen Film (Hacksaw Ridge) schien Gibson aber so langsam wieder zu Sinnen zu kommen und brachte sogar ein paar (etwas halbherzige) Entschuldigungen zustande. Vielleicht funktioniert seine Rolle hier in Dragged Across Concrete als eine Art Katharsis. Vielleicht ist es aber auch nur ein Rückfall in alte Muster – jedenfalls bietet sie Anlass für angeregte Diskussionen. S. Craig Zahler gibt in einem Interview zu Protokoll, dass er keine politische motivierte Person ist und es ihm mit seinem Film nicht darum ginge, das Publikum in eine bestimmte Richtung zu lenken oder zu manipulieren. Vielmehr ginge es ihm um dreidimensionale Figuren, die man hassen oder sympathisch finden könne. Für ihn seien beide Reaktionen okay, solange es zu Reaktionen und zur Beschäftigung mit den Charakteren führe. Was Dragged Across Concrete dabei allerdings bewusst missachtet, ist ein gewisses Pacing. Waren Bone Tomahawk und Brawl schon keine puren Actionfilme und hatten eine stattliche Länge, dehnt er seinen dritten Film auf zweieinhalb Stunden. Zweieinhalb Stunden ohne JEDE Art von Filmmusik. Kein Score, kein Tönchen sorgt für Abwechslung oder etwas Tempo (ausgenommen, ein Radio läuft irgendwo). Anstelle dessen sieht man in gedehnten Szenen, wie sich Ridgeman und Lurasetti über Mahlzeiten unterhalten, in (gefühlter) Zeitlupe ein Sandwich essen oder untätig in einem Auto sitzen, aus dem sie ihre Zielperson überwachen. Die einzigen Quasi-Action-Szenen innerhalb der ersten 60 Minuten sind vier Morde eines Gangsters an zwei unterschiedlichen Schauplätzen. Trocken und zynisch inszeniert und visualisiert – ohne Gegenwehr oder Rasanz: Peng, peng … tot. Fast wirkt der Film statisch – zumal es praktisch nur feste Kamera-Einstellungen gibt, keine Aufnahmen in der Bewegung und erst Recht keine hektischen Zooms oder Handkamera-/Steadycam-Einsätze.

Bis zur 60. Minute weiß man nicht mal so richtig, wohin der Film gehen möchte. Wer also schon mit dem Erzähltempo der beiden Vorgänger-Filme nicht sonderlich zurecht kam, wird hier frühzeitig die Vorspultaste drücken. Doch das wäre voreilig und schade. Denn was S. Craig Zahler ab der 105. Minute (mit einem kleinen Vorgeschmack in der 85.) urplötzlich abzieht, reicht trotz der 16er Freigabe (fast) an den Brutalitätsfaktor seiner Vorgänger heran. 90 Minuten lang wiegt Dragged Across Concrete sein Publikum in Sicherheit, suhlt sich im Moloch des Amerikas der Verlierer und schlägt dann zu wie ein tollwütiger Hund. Was im gut 45-minütigen Showdown passiert, ist zwar immer noch slow paced, aber von derart hoher Intensität, dass es einem immer wieder die Sprache verschlägt. Und das auch deshalb, weil Gibson eine unglaublich kraftvolle Vorstellung abliefert. Sein Ridgeman wirkt etwas wie ein desillusionierter und zynisch gewordener Martin Riggs. Allerdings überzeugen neben ihm auch alle anderen Darsteller. Allen voran Tory Kittles als Henry und Thomas Kretschmann als Vogelmann. Und während sich die acht Personen im Finale einen denkwürdigen Shoot-out liefern, wird auch klar, warum der Film nur mit diesem langsamen Erzähltempo überhaupt funktionieren konnte. Denn trotz einiger überflüssiger Momente entfaltet sich dieses Charakterstück, das am Ende in einem Drahtseilakt von Vertrauen und Misstrauen kumuliert, nur durch seine Entschleunigung derart überzeugend. Gewöhnungsbedürftig: Mel Gibson spricht hierzulande nicht mit seiner angestammten Synchronstimme von Elmar Wepper, sondern wird erstmalig von Jürgen Heinrich gesprochen.

Bild- und Tonqualität

Leider stand mir zum Review nur die DVD zur Verfügung, sodass nur generelle Aussagen zur Bildqualität getroffen werden können. Denn die 159 (bzw. durch 50Hz „verschnellerten“ 152) Minuten der Disk haben natürlich mit der Speicherkapazität der DVD etwas zu kämpfen. Bei einer durchschnittlichen Datenrate von 4-5 Mbps muss man nun mal mit einem unscharfen, soften Bild leben, das schon in Hintergründen von Halbtotalen unter Artefakten leidet. Der Kontrastumfang geht in Ordnung. Die teils kühlen Bilder werden recht dynamisch eingefangen. Die Blu-ray dürfte das Ganze mit deutlich besserer Schärfe und weniger „Schmiereffekt“ umsetzen. Akustisch liefert die Blu-ray natürlich dts-HD-Master-Spuren. Die DVD muss leider mit Dolby Digital 5.1 auskommen. Allerdings fällt das nur bedingt auf, denn Dragged Across Concrete ist still und leise. Bis auf wenige Ausnahmen spielt das Geschehen ausschließlich auf der Front. Und die konzentriert sich auf Dialogwiedergabe und etwas Straßen-Atmosphäre. Durchbrochen wird das Ganze allerdings, sobald die schallgedämpften MPs die Sprache übernehmen. Schüsse kommen derart knochentrocken aus den Speakern, dass man augenblicklich hellwach ist.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial wartet das Featurette: Elements of Crime – Part 1-3 sowie jenes, das auf den Namen „Moral Conflict Creating Cinema that Challenges“ hört. Die DVD enthält nur Letzteres, das beschreibt, wie schwierig es heutzutage ist, Filme zu drehen und vor allem zu veröffentlichen. Man kritisiert unter anderem auch das Streaming als Konkurrenz.

Fazit

Dragged Across Concrete ist bewusst langsam, bewusst unhektisch und bewusst provokant. Er beinhaltet klar rassistische, sexistische und homophobe Einzeiler und wird die Zuschauer spalten. Was man dabei aber nicht übersehen darf: Zahlers jüngstes Werk ist ein grandios gespielter Film über kaputte Figuren und liefert einen Showdown, der gerade wegen seines langsamen Tempos atemlos zurücklässt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 55% (bewertet wurde die DVD)
Tonqualität (dt. Fassung): 75% (Dolby Digital Spuren der DVD)
Tonqualität (Originalversion): 75% (Dolby Digital Spuren der DVD)
Bonusmaterial: 40%
Film: 75%

Anbieter: Universm Film
Land/Jahr: Kanada/USA 2018
Regie: S. Craig Zahler
Darsteller: Mel Gibson, Thomas Kretschmann, Don Johnson, Vince Vaughn, Tory Kittles, Michael Jai White, Jennifer Carpenter
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 159
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder: © Universum Film GmbH)

Trailer zu Dragged Across Concrete

DRAGGED ACROSS CONCRETE Trailer Deutsch German (2019) Exklusiv

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Jonas Grosch

Danke Timo, das hört sich doch vielversprechend an. BT kenne und mag ich, BiCB99 werde ich mir noch anschauen, der Beschreibung nach muss ich für den „in stark gewaltbereiter Stimmung“ sein, war bisher nicht der Fall. Schon Kurt Russell hatte in BT nicht seine gewohnte Synchrostimme, Zufall oder liegt das ggf. daran dass Zahlers die Filme nicht direkt Mainstream sind?