Blu-ray Review
OT: Drive-Away Dolls
Beim Pen*s des Senators
Solopfad des jüngeren Coen.
Inhalt
Philadelphia 1999. Jamie wurde gerade von ihrer Freundin Sukie vor die Tür gesetzt, weil sie’s mit der Treue nicht so hatte. Ein Veilchen mit gefrorenen Erbsen pflegend, liegt sie auf der Couch ihrer zugeschnürten Bekannten Marian und möchte vor ihren Problemen am liebsten weglaufen. Als Marian verkündet, dass sie zu ihrer Tante Alice nach Tallahassee/Florida reisen möchte, um mit ihr Vögel im Wildpark zu beobachten, sieht Jamie sich als perfekte Begleiterin. Ihre Idee: ein Auto überführen – sozusagen ein Gratis-Mietwagen. Mit Alice, so denkt Jamie, komme sie schon klar. Und die Reise würde günstiger gar nicht gehen, als eben durch die Überführung eines Fahrzeugs. Wie gut und treffend, dass soeben eine Anforderung ans Autoüberführungsbüro kam, die genau das verlangt: eine Überführung eines Dodge Aries. Den beiden Frauen bleibt zwar nur ein Tag für die Reise, weil der Auftrag so lautet, doch Jamie sieht das Ganze nicht so eng. Allerdings verläuft der Trip nicht ganz so wie geplant. Eher so gar nicht ganz so wie geplant, denn als die beiden Mädels nach einem Plattfuß den Kofferraum des Dodge öffnen, finden sie darin nicht etwa den Ersatzreifen, sondern einen Behälter mit einem abgetrennten Kopf. Nicht gerade das, was man durch die Gegend spazieren fahren möchte. Stellen sich die Fragen: zu wem gehört der Kopf? Was hat der im Kofferraum verloren? Und wer sind die beiden Typen, die Marian und Jamie folgen …?
Es gibt zahlreiche Schauspieler-Geschwisterpaare in Hollywood, die fast gleichermaßen bekannt und erfolgreich sind. Von Liam und Chris Hemsworth über Casey und Ben Affleck oder Maggie und Jake Gyllenhaal bis hin zu Luke und Owen Wilson oder Charlie Sheen und Emilio Estévez. Schaut man ins Regiefach, sind Regie-Geschwister-Duos seltener – gerade, wenn man im eher prominenten Bereich unterwegs ist. Denn abseits von einigen Regie-Brüdern, die im Independent-Bereich (oftmals Horror) unterwegs sind, wird die Luft neben den Wachowskis schnell dünn. Ein Brüderpaar allerdings gehört zu den ganz Großen und vor allem Anerkannten und Respektierten im Filmbusiness: Joel und Ethan Coen. Auf das Konto der beiden gehen zahlreiche von Kritik und Publikum einhellig geliebte Klassiker wie Fargo, The Big Lebowski, O Brother, Where Art Thou oder der mit mehreren Oscars ausgezeichnete No Country for Old Men. Insgesamt 18! Mal standen sie gemeinsam hinter der Kamera, hatten zuvor gemeinsam des Drehbuch geschrieben und waren in der Regel auch für den Schnitt verantwortlich. Ganze zwei Filme gingen bisher auf das Konto eines der beiden, ohne dass der andere dabei war: Joel versuchte sich 2021 an einer eigenen Variante über Shakespeares Macbeth, während Ethan in Jerry Lee Lewis: Trouble in Mind eine Dokumentation über den gleichnamigen Rockmusiker verantwortete – allerdings auf Basis von Archivaufnahmen. Nun hat er’s wieder getan. Also Ethan. Alleine. Drive-Away Dolls hat er seinen jüngsten Filmspross genannt und spielt damit direkt im Titel auf das Roadtrip-Thema an, das der Film nutzt. Auch das Drehbuch stammt wieder von ihm selbst. In Kooperation mit seiner Gattin Tricia Cooke, die damit ihr Skript-Debüt gab. Jetzt werden findige Filmfreunde sagen: Moment, Mrs. Cooke hatte doch 2008 schon ein Regiedebüt gegeben, zudem sie auch das Skript verfasst hatte. Und das ist richtig. Doch das Drehbuch zu Drive-Away Dolls wurde bereits 2002 verfasst – seinerzeit noch unter dem Titel Drive-Away Dykes. Entworfen als klassische Sexploitation mit lesbischer Note. Sexploitation, aber aufrichtig nannte Ethan sein Projekt dereinst (Quelle) und hatte damals noch Schauspielerinnen wie Selma Blair oder Holly Hunter im Gespräch für eine Verfilmung.
Und damals wär’s auch noch ein bisschen frecher, aufmüpfiger und kontroverser gewesen, was sich Coen und Cooke da gemeinsam ausgedacht haben. Vor 22 Jahren war die queere Gemeinschaft noch lange nicht so laut und präsent wie heute. Das allerdings wird Drive-Away Dolls ein bisschen zum Verhängnis. Dazu später aber mehr. Zunächst beginnt das Ganze ein bisschen wie ein klassischer Monster-Horrorstreifen aus den 60ern, wenn er seinen beiden Protagonisten mit schrägen Kamerapositionen/-winkeln in eine schummrig ausgeleuchtete Gasse folgt. Zur Exploitation wird’s dann direkt im Anschluss, wenn einer der beiden prominenten Darsteller die schmerzhafte Erfahrung eines Korkenziehers macht. Von hier an könnte die Story noch einen eigenwilligen Verlauf in Richtung ironische Gangsterfarce nehmen, bevor sie mit der nächsten Szene von der Exploitation in die Sexploitation driftet. Dort fallen dann Sätze wie: „Hätte ihre Pussy eine Parkuhr, könnten wir in Rente gehen“. Sukie, die ihrer zukünftigen Ex Jamie diese Nettigkeit entgegenschleudert, ist das, was sich Stereotype im Jahr 2002 unter dem männlichen Part einer lesbischen Beziehung vorgestellt haben – eine, die ihren Mann, pardon: ihre Frau steht. Und das darf sie in der vermutlich besten Szene des Films nach rund einer halben Stunde demonstrieren, wenn sie einen der beiden Verfolger von Jamie und Marian in den Schwitzkasten nimmt. In Form dieser beiden Typen (und ihrem unmittelbaren Boss) manifestieren sich auch die typischen Coen-Figuren. Auch Curlie, der Office-Leiter der Autoüberführung verströmt ein wenig Lebwoski-Flair. Doch die wirklich guten Witze sind so rar gesät und das Geschehen zieht sich trotz der kurzen Laufzeit mitunter spürbar. Und damit sind wir auch schon beim „Verhängnis“, von dem oben gesprochen wurde. Denn das Problem des Films ist: Man kann das Lesbenthema im Jahre 2024 nicht über 85 Minuten ausdehnen, dabei Witz mit bemüht-offensiver Sprache ersetzen und hoffen, dass das heute noch jemanden hinter dem Ofen vorlockt. Viele der Sprüche wirken abgegriffen und angestaubt. Und auch wenn der Film 1999 spielt, schützt das nicht davor, dass die Zeit seit 2002, also dem Verfassen des Drehbuchs, fortgeschritten ist. So lebt der Film hauptsächlich durch zwei Dinge: die Dynamik zwischen Jamie und Marian sowie jene zwischen den beiden Verfolgern – letztere liefern sich immer wieder Wortgefechte, während Geraldine Viswanathan (Miracle Workers) und Margaret Qualley (Once Upon a Time in Hollywood) ihr Bestes geben, um ihre Figuren mit Leben zu füllen. Schade, dass das Drehbuch einfach nicht witzig ist und ein paar LSD-Sequenzen aus einem Drive-Away Dolls auch keinen Big Lebwoski machen.
Bild- und Tonqualität
Wie zuletzt The Beekeeper wurde auch Drive-Away Dolls mit der ARRI Alexa 35 aufgenommen. Diese zeichnet mit 4.6K digital auf. Ethan Coen und seine Kamerafrau Ari Wegner entschlossen sich dazu, den Film „offen“, im Format 1,85:1 zu finalisieren. Gefinisht wurde außerdem über ein 4K-DI, sodass die Voraussetzungen für ein gut aufgelöstes Bild ideal sein sollten. Da die Coens aber irgendwie auch immer Fans von filmischem Look waren, hat man hier mit Körnung noch etwas nachgeholfen. Die 35 scheint ohnehin ein Kamera zu sein, die analogen Look liefert, doch hier körnt es noch ein wenig mehr als beim Statham-Actioner, der mit dem gleichen Gerät gedreht wurde. Coen und Wegner waren sich außerdem schnell einig, was den Look des Films anging, der einen B-Movie-Stil haben sollte – die Russ-Meyer-Filme waren dafür Anhaltspunkte. Für die psychedelischen Traumsequenzen grub Wegner alte Experimentalfilme als Referenz aus, um den kratzigen, farbblutenden Stil zu treffen. Was das Rauschen angeht (gedreht wurde meist bei ISO 1600 und 3200, also eher empfindlicheren Einstellungen), so kommt es bei der Blu-ray natürlich auch aufs Encoding an. Gegenüber dem eher durchschnittlichen Encoding der Blu-ray von Beekeeper geht es in Drive-Away Dolls homogener zu Werke. Es gibt keine großen Ausreißer sichtbar softerer Anteil auf uniformen Hintergründen, auch wenn’s insgesamt durchaus feiner hätte sein dürfen. Vor allem, wenn es dunkler wird und Farben hinzukommen, gesellt sich auch farbiges Rauschen hinzu und digital clean ist das Bild dann keineswegs (45’18). Der Look an sich ist auf jeden Fall so gewollt und funktioniert im Œuvre der Coens ziemlich gut. Farben werden wunderbar kräftig wiedergegeben, wenn es nötig wird. Das geschieht zum ersten Mal nach sechs Minuten, wenn Marian in den Club geht und dort allerlei Neonbeleuchtung den Raum erhellt. Zum Teil wurde eine stattliche Anzahl an LED-Röhren eingesetzt, um die intensiven Farben und Farbreflexionen zu erzielen. Die Auflösung hängt ebenfalls etwas am gewählten Look, denn das Geschehen ist oft bewusst etwas softer gehalten. Close-ups von Darstellern sind dennoch gut fokussiert und ansprechend knackig.
Universal setzt bei Drive-Away Dolls ungewöhnlicherweise auf Dolby Digital Plus und geht scheinbar weg von den bisher meist genutzten DTS-Varianten. Doch das muss kein Drama sein, denn Universal ist ja nicht Disney. Und Dolby Digital Plus kann hervorragend klingen, wenn die Abmischung gut ist. Was sie ist. Egal, ob die Mädels im alten Auto unterwegs sind und dessen dezentes Quietschen über die Rears zu hören ist oder die Gitarren während der psychedelischen Szene nach 35 Minuten rund um den Zuschauer herumschwirren – all das klingt sehr offen und räumlich. Besonders einprägend, ist das Fahrzeuggeräusch nach 13’28, bei dem man derart überrascht nach hinten schaut, dass man sich fragt, ob da just eine Bundesstraße im Nacken gebaut wurde. Gleichzeitig sind die Stimmen mittig im Raum und sehr präsent. Platzt bei 39’52 der Reifen am Auto, geht auch das akustisch in Ordnung. Die Diskoszene nach rund sechs Minuten bietet ein wenig Bass und das Gewitter nach 22 Minuten liefert erstaunlich viel Räumlichkeit. Was dem Ganzen etwas fehlt, ist die Dynamik. Das merkt man dann auch, wenn man auf den O-Ton wechselt. Der bietet zwar auch keine heftigen dynamischen Sprünge, ist aber etwas griffiger und lauter als die deutsche Variante. Beiden Tonfassung gleich ist die relative Unterversorgung mit Subwoofer-Einsätzen. Die englische Tonspur liegt allerdings in Dolby Atmos vor und bietet somit noch die Höhen-Ebene. Konzentrieren wir uns auf diese, gibt’s während der ersten 20 Minuten hauptsächlich atmosphärische Umgebungsgeräusche während der Autofahrt. Rauschende Fahrzeuge, das leichte Surren im inneren Autos etc. Nach 18 Minuten hört man nächtliches Vogel- und Zikaden-Geräusch, vier Minuten später setzt es ein heftiges Gewitter und die Halluzinationssequenz kurz darauf wird plötzlich von deutlichen 3D-Sounds begleitet. Ähnlich schräge Sounds gibt es noch einmal vier Minuten später und weitere zehn Minuten später. Dazwischen setzt es immer wieder Umgebungsatmosphäre oder auch mal ein Bitzelgeräusch (39’50). Längere Ruhephasen werden vom Schuss nach 60’45 abgelöst und ab Minute 61’15 hört man die Musik teils sehr deutlich mit von oben. Das Gleiche gilt für die Songs nach 70 Minuten und 71 Minuten. Ansonsten eine eher unspektakuläre, um zusätzliche Atmosphäre bemühte Heights-Belegung.
Bonusmaterial
Drei Featurettes warten im Bonusmaterial von Drive-Away Dolls: „Drive-Away Gang“ läuft drei Minuten und bietet ein paar Kommentare von Coen und Cooke sowie den drei Hauptdarstellerinnen. In „Ein Projekt von“ geht es dann vornehmlich um die Kooperation zwischen dem Ehepaar sowie der Idee, die vor allem Tricia Cooke hinter dem Drehbuch sah. Auch dieses Featurette geht drei Minuten. Featurette #3 läuft nur eine Minute und enthält Tipps für einen Road Trip – präsentiert von den beiden Hauptdarstellerinnen.
Fazit
Drive-Away Dolls atmen hier und da Coen-Atmosphäre, wirkt aber wie eine B-Seite eines Hits aus der gemeinsamen Feder der Regie-Brüder. Vielleicht kommt der Film auch einfach 20 Jahre zu spät und 2002 hätte man mehr Spaß daran gehabt. Die Bildqualität bleibt ebenso wie der deutsche Ton unterhalb des Möglichen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 70%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 40%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 30%
Film: 50%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2023
Regie: Ethan Coen
Darsteller: Geraldine Viswanathan, Margaret Qualley, Beanie Feldstein, Joey Slotnick, C. J. Wilson, Colman Domingo, Pedro Pascal, Matt Damon
Tonformate: Dolby Atmos (True HD-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Untertitel: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 84
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures)
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So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
- Subwoofer: 2 x Canton Sub 12 R
- Heights: 4 x Canton Plus X.3
- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.
Das magere Ergebnis war so leider zu erwarten und es soll ja auch noch der Auftakt zu einer Trilogie sein.
Ich verzichte, weil der Film mich weder technisch noch inhaltlich reizt.
An anderer Stelle habe ich schon erwähnt, dass die Solo-Errungenschaften vom großen Coen jetzt auch nicht so geglückt sind. Also, im besten Fall tun die beiden sich wieder zusammen und schaffen große Filme, oder scheitern weiter jeder für sich.
Warum eigentlich, nach all den Jahren, die Einzelgänge von den beiden? Gab’s streit?
Ich warte und hoffe….