Blu-ray Review
OT: Early Man
Ach du liebe Bronzezeit
Wer dachte, Jogis Elf wäre nach der WM zurück in der Steinzeit, sollte sich in Acht nehmen: Die Konkurrenz dort ist groß.
Inhalt
Dug ist ein genügsamer Kerl. Einer, der mit seinem Haustier Hognob (einem Wildschwein) und seiner Gemeinschaft anderer Steinzeitmenschen ein bisschen unbedarft in den Tag hinein lebt. Das, was sie zum Essen brauchen, fangen sie (manchmal) bei der Jagd – zumindest, wenn sie sich nicht allzu dämlich anstellen. Ja, das Leben könnte einfach so weitergehen. Wenn da nicht die Bronzezeit an die Tür klopfen würde – und zwar in Gestalt des ungeheuer zivilisierten Lord Nooth. Der kommt aus dem fernen Irgendwo und hätte gerne die Bodenschätze der Gegend rund um Dugs Lager. Immerhin liegt dort noch mehr Bronze für noch mehr Bronzezeit im Boden vergraben. Kurzerhand vertreibt Nooth die kleine Gruppe Wildhaut-Träger in das öde, umliegende Vulkanland. Allerdings nicht Dug. Denn der schleicht sich unfreiwillig in die Stadt des Lords ein und wird noch unfreiwilliger zum Mitspieler in einem dort ausgetragenen Fußballspiel. Und während er die Pille mal so richtig an die Steinzeit-Rübe bekommt, hat er eine Vision: Er deutet die heimischen Höhlenmalereien endlich als urzeitliches Fußball seiner Vorväter und ihm kommt die Idee. Er fordert den aktuellen Champion. Sollte Dugs Truppe gewinnen, bekommen sie ihr Land wieder. Wenn nicht … tja, darüber denken wir lieber nicht nach …
Wer es in 18 Jahren auf gerade einmal sieben Langfilme bringt, macht entweder viel Pause dazwischen oder besonders aufwändige Kunstwerke. Im Falle von Aardman Animations ist zweifelsohne Letzteres der Fall. Das Animationsstudio, das mit den Geschichten um Wallace & Gromit bekannt wurde, hat mit diesen Kurzfilmchen den Knetfilm nicht nur salonfähig gemacht, sondern geradezu zum Kult erhoben. Was mit Chicken Run begann und zuletzt mit dem Langfilm zu Shaun das Schaf perfektioniert wurde, gipfelt nun im neuen Knetspaß des Studios. In Early Man – Steinzeit bereit schickt uns Regisseur Nick Park mit seinen Knet-Animateuren zurück an die zeitliche Grenze zwischen Stein- und Bronzezeit und postuliert einfach mal, dass der Fußball weder von den Chinesen um die Jahre 220 nach Christus und noch weniger von den Briten Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden wurde. Nein, der „Heilige Rasen“ wurde schon in der Steinzeit präpariert, um auf ihm eine Kugel durch die Gegend zu schießen. Und zwar aus der Not heraus – denn so ein rundes Knäuel Lava ist halt einfach so heiß, dass man es schnellsten wegschießen muss, bevor es Brandblasen gibt.
Park, der dafür bekannt ist, gerne abseitige Storys zu erfinden, um sich in diesen über ganz gegenwärtige Gepflogenheiten lustig zu machen, gelingt das auch hier wieder hervorragend. Wenn auf einem Markt der Bronzezeit-Menschen eine unglaubliche Erfindung wie „geschnittenes Brot“ präsentiert wird, mag das historisch nicht korrekt sein. Es spiegelt aber mit unnachahmlichem Humor unsere heutige Wohlfühl- und Komfort-Gesellschaft wider.
Dazu dann diese irrwitzigen Details, die oft in einer Flut – gerade im Hintergrund – vorhanden sind, dass man Szenen gerne mehrfach schaut. Wie kommt man zum Beispiel auf die Idee, dass winzig kleine Krokodile als Wäschetrockner-Klammern herhalten? Oder das Barttrimmen per Skarabäus-Käfer? Großartig!
Selbst wenn das Tempo der früheren Werke bei Early Man nicht ganz erreicht wird und es manchmal auch etwas unübersichtlich wird. Der Wortwitz zündet immer noch – und das vor allem im Original. Nichts gegen die deutsche Synchro, die gerade in Person von Kaya Yanar (der gleich zwei Rollen übernahm) ganz gut funktioniert, aber gerade ein Film über die Britischste aller Sportarten funktioniert im Original nun mal besser. Man kann gewisse Slangs einfach nicht adäquat übersetzen und manchmal macht es sich die deutsche Dialogregie auch etwas zu leicht. Wenn der Gemeinschafts-Älteste in einem Moment noch sagt „live in balance and harmony … with all the creatures we share the forest“ und im nächsten Moment die Faust in die Hand schlägt und zum „let’s go kill something“ aufruft, dann ist das einfach witziger als „… und jetzt holen wir uns was zu fressen“.
Ein Brüller sind auch die zahlreichen Anspielungen auf bekannte Fußballvereine, Spieler oder gar den Fußball-Weltverband. Dabei scheut man sich nicht davor, auch bissige Kommentare auf überbezahlte Einzelspieler, überteuerte Eintrittspreise oder alberne Show-Einlagen im Stile eines Neymar los zu feuern – hier bekommt jeder sein Fett weg. Dass in einem Abwasch auch noch eine Lanze für den Frauenfußball gebrochen wird und natürlich der traditionelle TEAM-Gedanke in den Vordergrund rückt, macht das Ganze noch sympathischer.
Apropos sympathisch: Die Queen ist Sympathieträger in Early Man – und das schon früh und ohne ihre Anwesenheit. Wenn sie per Brieftaube mit Nooth kommuniziert und die Taube in Königin-Manier dem Gierlappen die Leviten liest, dann ist das einfach grandios witzig.
Bild- und Tonqualität
Early Man beginnt optisch bewusst auf ganz alt getrimmt, um in körnigen, mit Schmutzpartikeln durchzogenen Bildern den Zustand auf der Erde des Steinzeitalters zu schildern, kurz bevor die Dinosaurier den Abgang machen müssen. Wechselt der Film dann in die erzählerische Gegenwart, wird das Stilmittel natürlich beendet und die Bildruhe ist durchweg hoch. Was aber auch nicht verwundert, ist die in Stop-Motion-Technik gefilmte Komödie doch durchgängig mit einer hochwertigen Canon EOS-1D X fotografiert, deren Einzelbilder dann mit 5.2K gemastert wurden. Da der komplett im Studio entstandene Film in der Regel auch keine schwierigen Lichtverhältnisse zu meistern hat, die eine extreme Anhebung der ISO-Werte verlangen würden, bleibt es durchweg rauschfrei. Und superb aufgelöst. Denn was aus so einer EOS-1D rauskommt, ist schon phänomenal. Die Schärfe ist dermaßen gut, dass man jedes einzelne Härchen der Baumwollfäden auf Hognobs Wildschweinfell abzählen kann. Wäre man Forensiker, könnte man anhand der Fingerabdrücke, die in den Aardman-Filmen bewusst in der Knetmasse gelassen werden, wohl jeden einzelnen Animateur schon am TV identifizieren. Auch der umherliegende Schmutz und die Baumrinde sind einfach fantastisch.
Dazu sind Farben lebhaft und der Kontrastumfang lässt Bilder dreidimensionale wirken.
Akustisch reiht sich Early Man ebenfalls weit vorne ein. Die Räumlichkeit der luftigen Filmmusik ist hervorragend, die Stimmen sind in beiden Sprachversionen klar verständlich und während des abendlichen Kaninchen-Freudentanzes wird es sogar dynamisch und wenn die Kollegen aus der Bronzezeit aus der Ferne auf ihren Mammuts anrücken, bekommt sogar der Subwoofer ordentlich zu tun. Nicht nur bei Dug rappelt dann der Boden. Effektvoll schießen die Pfeile aus dem Wald und der Bronze-Gong, der die Spiele in der Arena einläutet erschallt rundherum. Gleichsam wie auch die Stadion-Atmosphäre, die den Zuschauer rundum gefangen nimmt.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Early Man gibt es neben dem gut aufgelegten Audiokommentar von Nick Park noch ein kurzes Featurette über die Maßnahmen, die man in der Realität umsetzte, um die unverwechselbare Stadion-Atmosphäre umzusetzen. Tatsächlich organisierte man einen echten Stadion-„Dirigenten“, der zuvor geschriebene Texte und Schlachtengesänge mit ein paar hundert Menschen in einem echten Stadion einstudierte – darauf hoffend, dass manche der engagierten „Zuschauer“ auch wirklich falsch singen. Es sollte ja möglichst authentisch sein. Das Making-of fällt mit zehn Minuten etwas kurz aus. Man hätte noch viel mehr Zeit in den Studios verbringen können, um zu zu sehen, wie aufwändig und liebevoll dort gearbeitet wird und wie viel Geduld manchmal vonnöten ist, wenn man pro Tag vielleicht eine Sekunde Film produziert.
Fazit
Early Man – Steinzeit bereit liefert beste Unterhaltung in Aardman-Tradition. Das Setting ist erfrischend, die vielen Querverweise auf König Fußball machen vor allem Fans richtig Spaß und die schrulligen Nebenfiguren sorgen für großartige Brüller. Dazu gibt’s ein richtig tolles Bild und einen effektvollen Sound. Was will man mehr?
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%
Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: GB 2017
Regie: Nick Park
Sprecher (Originalton): Eddie Redmayne, Tom Hiddleston, Kayvan Novak, Maisie William, Timothy Spall, Rob Brydon
Sprecher (dt. Synchro): Friedrich Mücke, Kaya Yanar, Palina Rojinski, Uli Krohm, Kornelia Boje, Christian Gaul
Tonformate: dts HD-Master 7.1: de // dts HD-Master 5.1: en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 89
Codec: AVC
FSK: 0
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Studiocanal)