Blu-ray Review
OT: –
Mehr Glück als Verstand
Ein Jahr für eine Weltumrundung auf dem Motorrad – ein gewagtes Unterfangen.
Inhalt
Arbeit und Wohnung gekündigt, kaum Ahnung von Motorrädern – und doch ist der Plan glasklar: Einmal um die Erde auf zwei Rädern. Am 19. Mai 2015 begibt sich Christian Vogel auf die Reise. Mit rudimentären Kenntnissen, wie man sich selbst im Ernstfall nähen kann, falls eine größere Wunde auftreten sollte. Ebenso rudimentäre Kenntnisse hat er im Wechsel eines Reifens an seiner Maschine. Doch „egal, was kommt“, Christian wird fahren.
Beginnend an der Ostküste der USA, in Orlando, nimmt er sich erst einmal das Traumziel vieler Menschen vor. Von dort aus geht es Richtung Alaska. Geschlafen wird in der Penntüte und mit 1000 Euro im Monat muss er auskommen. Der Abschied fiel schwer, gerade weil sich Christian erst vor Kurzem verliebt hat und Freundin Miriam nun zurücklassen muss. Über Russland, die Mongolei und Pakistan führt die Reise nach Indien, wo es zu dramatischen Ereignissen kommen wird …
Ja, so eine R 1200 GS mit schwerem Gepäck ist schon ein dicker Brocken:
Egal was kommt beginnt mit einer Szene, die vier Monate nach Christian Vogels Reisestart entsteht. Mit seiner Maschine hat er sich irgendwo am Rande der Mongolei auf die Nase gelegt und muss das 300kg schwere Ding nun eigenhändig wieder aufheben und startklar machen.
Das ist auch der Start einer zweistündigen Dokumentation, die im August einen kleinen, aber achtbaren Erfolg im Kino feiern konnte und die den Traum von der Freiheit zelebriert.
Was neben den faszinierenden Aufnahmen der Länder aber genauso begeistert, sind die Menschen, die Christian begegnen. Ob das der Erfinder des digitalen Joystick ist, der stolz seine Controller zeigt, die er seinerzeit für Microsoft entwickelte oder ein Weltenbummler wie er selbst, der zehn Jahre auf dem Bock saß und bei einem Unfall gar ein Bein verlor. Menschen wie dieser sind es, durch die Egal was kommt eine großartige Botschaft von Toleranz und Gemeinschaft unterlegt wird.
Seine Geschichte von der Begegnung mit „den Russen“ beispielsweise ist bewegend und liefert mehr Völkerverständigung als so manche politische Gemeinschaft. Das sind auch die packenden Momente des Films, die weit mehr unterhalten als die GoPro-Selbstaufnahmen während der Fahrt durch die Lande.
Die extremen Unterschiede in den Kulturen und den Gegenden, der Reiz des Fremden und Gegensätzlichen – all das kommt in Vogels Dokumentation zur Geltung. Manchmal ist das beängstigend – wie bei seiner gefährlichen Fahrt durch das unwegsame Gelände der Mongolei bei 40°C Außentemperatur. Anderes verärgert, wenn man die Repressionen in China sieht, die dem Reisenden ebenso entgegen schlagen wie dem Rest der Bevölkerung. Manches ist fast unglaublich, wenn man bedenkt, dass in Pakistan kein Geldautomat funktioniert, weil niemand in die Infrastruktur investiert. Umso erstaunlicher, wenn ein lokaler Polizist (der eigentlich gerufen wurde, weil Christian kein Bargeld hat, um das gebuchte Hotel zu bezahlen) mal eben seinen gesamten Wochenlohn spendet, damit der Globetrotter bis Islamabad kommt.
Manchmal sind diese Begegnungen noch zu kurz, werden zu rasant abgehandelt. Man wünscht sich eine zweistündige Dokumentation über jedes der einzelnen bereisten Länder.
Immerhin aber gibt es noch gut 25 Minuten an entfernten Szenen im Bonusmaterial, die das Geschehen noch einmal erweitern.
Den Höhepunkt erreicht der Film, wenn Christian in Indien verunfallt und Ersatzteile für sein Motorrad braucht, weil der Hersteller und die entsprechende Werkstatt vor Ort sie nicht (oder nur unbezahlbar teuer) besorgen können. Diese Szenen sind mörderisch spannend – zumal er parallel noch mit angebrochen Rippen zu kämpfen hat. Unglaublich, was er am Ende für eine neue Lenkergabel bezahlen soll. Doch auch hier ist wieder erstaunlich, wie die Menschen reagieren. Von den offiziellen Behörden direkt nach dem Unfall einfach abtransportiert und in die nächste Stadt gefahren anstelle einen Krankenwagen zu holen, nimmt ihn nachher ein Mechaniker des lokalen BMW-Händlers auf und lässt ihn tagelang bei sich wohnen – immerhin war das Bike vollkommen manövrierunfähig.
Gerade in diesen Szenen und in der Kommunikation mit Freundin Miriam wird auch deutlich, dass Egal was kommt nicht nur die Dokumentation einer Weltreise ist, sondern auch die bewegende Geschichte einer noch frischen und scheinbar grenzenlosen Liebe.
Bild- und Tonqualität
Egal was kommt ist von Christin Vogel per DSLR, Handy oder GoPro gefilmt worden, was je nach Tageslicht und Aufnahmesituation zu mal mehr, mal weniger verrauschtem Bild sorgt. Solange es hell ist, sind die Szenen klar und sauber. Das gilt auch für die daheim aufgenommenen Interview-Szenen. Ab und an sieht man leichte Artefaktbildung in Schwenks. Aber insgesamt geht der Mix aus unterschiedlichen Qualitäten durchaus in Ordnung. Wir sind ja auch in einer Doku, nicht in einem glatt gebügelten Hollywoodstreifen.
Akustisch ist Egal was kommt erstaunlich räumlich. Bei vielen Situationen werden die Rearspeaker einbezogen. Ob das die Atmosphäre im indischen Post-Office oder auf den Straßen Delhis ist. Ob das die Fahrten auf den Straßen sind oder eine landende Maschine – stets öffnet sich der Raum ein wenig. Nicht ganz so schön sind die Synchronitätsprobleme bei den Interviews – hier hängt der Ton ein bisschen neben der Spur. Ansonsten sind die Stimmen allerdings sehr gut verständlich.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial befindet sich ein 30-minütiges Hinter den Kulissen, das zu einem Interview mit Vogel noch mal Szenen der Vorbereitungen zusammen schneidet. Die vier entfernten Szenen haben eine Gesamt-Laufzeit von 25 Minuten und zeigen Bilder aus Nepal sowie Szenen, in denen Christian auf zwei andere Biker mit einem Problem trifft. Dazu sind wir noch dabei, wenn Christian einen Erste-Hilfe-Kurs macht.
Fazit
Egal was kommt ist eine faszinierende Reise nach einer fixen Idee. Persönlicher als andere Dokumentationen kommen aber auch diejenigen zu Wort, die in der Heimat geblieben sind. Das macht den Film für den Zuschauer noch erlebbarer und echter, auch wenn man sich hier und da etwas mehr Dokumentation, etwas mehr Landschaft gewünscht hätte.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Bonusmaterial: 60%
Film: 75%
Anbieter: Busch Media Group
Land/Jahr: Deutschland 2018
Regie: Christian Vogel
Darsteller: Christian Vogel, Helge Pedersen, Miriam Zimmermann
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 122
Codec: AVC
FSK: 6
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Busch Media Group)