Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

Blu-ray Review

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis Blu-ray Review Cover
Koch Media, 23.03.2017

OT: סיפור על אהבה וחושך / A Tale of Love and Darkness

 


Die schwarze Witwe

Manchmal schaffen es Schauspieler, wahrlich beeindruckende Regiedebüts abzuliefern – so wie Natalie Portman mit Eine Geschichte von Liebe und Finsternis.

Inhalt

Fania und Arieh Klausner lebten mit ihrem Sohn Amos bis in die Vierziger Jahre hinein in Polen. Doch als dort die Juden immer stärker bedrängt werden, fliehen sie nach Jerusalem, das noch unter britischem Mandat steht. Fania kümmert sich rührend um ihren einzigen Sohn und lehrt ihn Werte wie Toleranz und Friedfertigkeit. So ist Amos schon als kleiner Junge davon überzeugt, dass Juden und ihre arabischen Nachbarn in Frieden nebeneinander leben können. Während der Vater sich eher schlecht als Schriftsteller durchschlägt, hat Amos andere Wünsche und Vorstellungen für sein Leben – Landwirt möchte er werden. Doch Fanias Geschichten, die sie ihm Abends erzählt und die Amos dabei in eine Welt der Poesie entführen, werden noch mehr Einfluss auf sein Leben haben als er sich jetzt vorstellen kann. Dass Fania dabei nicht nur ihrem Sohn eine Flucht aus dem tristen Alltag ermöglicht, sondern auch sich selbst, merkt der sensible Amos allerdings schon früh. Denn seine Mutter hatte sich für den Verlauf ihres Lebens doch etwas anderes vorgestellt …

Amos Oz ist ein israelischer Journalist, Autor und Begründer der Bewegung „Peace Now“, die sich zum Ziel gesetzt hat, einen Frieden zwischen Israel und den palästinensischen und arabischen Nachbarn zu erzielen. Natalie Portman, selbst in Jerusalem geboren und Kind eines isrealischen Vaters und einer jüdisch-amerikanischen Mutter, nahm sich des autobiografischen Buches von Oz an, um ihr Debüt als Regisseurin abzuliefern. Sie setzte gegenüber dem produzierenden Studio sogar um, dass sie auf Hebräisch drehen konnte. Da man dies dem deutschen Publikum mal wieder nicht zumuten wollte, ist die hiesige Fassung leider synchronisiert. Wer also auf Authentizität setzt, der wechselt auf die untertitelbare Originalspur. Davon ab ist aber auch die Synchronisation sehr gut geworden. In warmherzigen, oft poetischen Worten schildert Eine Geschichte von Liebe und Finsternis das Leben des Jungen und seiner Mutter. Dramatische(re) Rückblenden und melancholische Blicke in die Gegenwart, in der ein fast 80-jähriger Amos anmerkt, dass Erinnerungen wie „zertrümmerte Städte sind, die wieder aufgebaut werden müssen“. Viele der Dialoge sind ähnlich metaphorisch und führen dazu, dass man tief eindringen kann in die bewegende Geschichte. Dazu trägt auch bei, dass Portman an Orginalschauplätzen in Tel Aviv und Jerusalem drehen konnte. Schon rein visuell ist man damit ganz nahe bei den Figuren und ihrem Schicksal. Beeindruckend und ebenso erschreckend sind die Momente, in denen die UN-Generalversammlung die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat beschließt. Man kann die Freude ebenso spüren, wie die Bedenken. Letztere sollten Recht behalten, denn schon kurze Zeit später beginnen die Unruhen und die Kämpfe.

Um dies noch eindringlicher zu schildern, nutzt Portman Archivaufnahmen und unterlegt sie mit weisen Worten von Oz. So schildert er, dass zwei gepeinigte Brüder nicht unbedingt gemeinsam den Feind erkennen, sondern in ihrem Gegenüber den bösen Vater. Wahrere Worte über das Verhältnis zwischen Juden und Arabern in Palästina sind in einem Film noch nicht gefunden worden. Während die Juden in den Arabern „getarnte Nazis“ sehen, fühlen sich die Palästinenser von den Israelis als „neue Kolonialisten“ bedrängt. Unglaublich eindrücklich geraten dabei die wenigen Szenen, in denen Heckenschützen einzelne Menschen in Jerusalem erschießen. Man sieht nicht direkt, wie die Menschen getroffen werden und doch ist es so erschütternd, dass es den Zuschauer wie eine Faust in den Magen trifft. Eine Geschichte von Liebe und Finsternis ist dabei gleichzeitig Autobiografie von Oz und der Staatsgründung Isreals, beschränkt sich dabei aber nicht auf die bloße Beschreibung der Vergangenheit. Denn alles, was Amos als Erzähler über die Vergangenheit preisgibt, ist auch eine Zustandsbeschreibung der Gegenwart. Man mag kaum glauben, dass die Hoffnung auf Frieden, die 1948 zwischendurch mal aufflammte, seit nun 70 Jahren nie realisiert wurde.
Neben diesen eindringlichen Szenen und dem hohen Maß an Authentizität überzeugen aber auch die Darsteller. Allen voran natürlich Natalie Portman, die Fania zurückhaltend und mit bedingungsloser Güte ihrem Filmsohn gegenüber spielt. Dabei drängt sie sich als Regisseurin/Hauptdarstellerin aber nicht über die Maßen in den Mittelpunkt. Wenn sie mit sanfter Stimme Fanias Erzählungen anstimmt, klebt man gebannt auf ihren Lippen. Neben ihr steht der junge Amir Tessler im Fokus, der als Amos hier sein beeindruckendes Schauspieldebüt gibt.

Bild- und Tonqualität

Da Natalie Portman hauptsächlich in warmen Farben filmte, um die Atmosphäre von Eine Geschichte von Liebe und Finsternis möglichst warmherzig rüberkommen zu lassen, bleibt der Kontrastumfang eher schwach ausgeprägt. Oft sind die Einstellungen auch ein wenig zu hell und die Schärfe bleibt durchschnittlich. Das eingesetzte, leichte Korn lässt einen dezenten Filmlook entstehen, der zum Thema und den Bildern passt.
Da Portmans Film doch eher dialogbasiert ist, bleibt der Sound vornehmlich auf die Front konzentriert. Stimmen sind äußerst präsent und gerade die Erzählstimme von Oz hat ein sehr angenehmes Timbre. Dennoch entsteht auch Atmosphäre während der vielen Außenszenen auf Plätzen oder in belebten Gegenden. Erstmals richtig räumlich und etwas dynamisch wird Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, wenn der Schuppen in Flammen aufgeht (15’05). Dass der Film aber auch richtig effektvoll werden kann, zeigen die kurzen Momente kriegerischer Auseinandersetzung. Bombenexplosionen und Schüsse von Heckenschützen zerreißen die Stille.

Bonusmaterial

Ein Hinter-den-Kulissen-Feature ist neben Trailern und einer Bildergalerie das einzige Bonusmaterial von Eine Geschichte von Liebe und Finsternis. Hier ist man allerdings eine Viertelstunde lang ganz nahe bei den Dreharbeiten, den Darstellern und der Regisseurin.

Fazit

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis ist gleichsam beeindruckendes Regiedebüt einer der besten Schauspielerinnen ihrer Generation, wie auch fesselndes Porträt eines Landes, das bis heute keine Ruhe findet.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%

Anbieter: Koch Media
Land/Jahr: USA 2015
Regie: Natalie Portman
Darsteller: Natalie Portman, Makram Khoury, Amir Tessler, Shira Haas, Neta Riskin, Gilad Kahana, Aliza Ben-Moha
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 98
Codec: AVC
FSK: 12

Trailer zu Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

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