Er ist wieder da

Blu-ray Review

Er ist wieder da Blu-ray Review Cover
Highlight Communications, ab 07.04.2016

OT: –

 


„Das Volk ist mein Klavier“

Wer Er ist wieder da als Komödie erwartet, erlebt sein blaues Wunder.

Inhalt

Eben noch hielt er sich die Knarre und richtete sich selbst, in der (für ihn) nächsten Sekunde wacht er wieder auf und traut seinen Augen kaum: Verwirrt muss er feststellen, dass all seine Anstrengungen, das deutsche Volk zu vernichten, nicht funktioniert haben – im Gegenteil: Erstaunlich gut geht es den Einwohnern des Landes, von dem aus er die Welt mit einem Krieg überzogen hatte. Sämtliche Trümmer sind verschwunden und das Kiosk an der Ecke verkauft türkische Zeitungen. Langsam realisiert der Führer, dass er im Jahre 2014 lebt und sich mit vollkommen veränderten Realitäten auseinandersetzen muss. Als der gerade vor die Tür gesetzte freie Fernsehjournalist Fabian Sawatzki mitbekommt, dass auf den Berliner Straßen eine Führer-Karikatur umherwandelt, wittert er die Chance, doch noch groß rauszukommen. Gemeinsam mit dem „Führer“ tourt er durch Deutschland, fängt die Stimmung der Menschen ein und wird bald zum Youtube-Star. Das lässt dann auch wieder Fabians Sender aufmerksam werden, der den vermeintlichen Hitler-Imitator in jede Sendung unterbringt und zum Showstar aufbaut. Doch das soll erst der Anfang des erneuten Aufstiegs des Herrn H. aus Braunau …

Ja, man darf über Hitler Witze machen – man sollte es sogar! Denn nichts trägt zur Verarbeitung der Geschehnisse und der unrühmlichen Zeit in Deutschlands Vergangenheit besser bei als Humor. Viel zu verstockt und ernst, viel zu bedrückend und aufs schlechte Gewissen hinführend behandelt man die Zeit des Dritten Reichs in der Regel. Allerdings ist der entlarvende humoristische Faktor in Er ist wieder da gar nicht das Hauptthema – dazu später mehr.
David Wnendt, der schon mit seinem Debüt Feuchtgebiete zeigte, dass er bissige Buchvorlagen umsetzen kann, nahm sich nun der Adaption von Timur Vermes Satire-Bestsellers an und landete damit den großen Kinohit des letzten Jahers. 2,5 Millionen Zuschauer hätte man sicher nicht in einer hintergründigen Hitler-Satire erwartet. Er ist wieder da ist aber gar nicht in den offensichtlich satirischen Führer-Verballhornungen so böse, sondern immer dann, wenn diese Figur, die Deutschland ins Verderben geschickt hat, durchaus treffend analysiert, dass die heutige, moderne Zeit ihre geregelten Probleme hat. Auch seine Analyse der letzten 70 Jahre innerdeutscher Politik, in der er mit den großen konservativen Parteien abrechnet und ausgerechnet Die Grünen als Hoffnungsschimmer bezeichnet gerät bissig. Wenn Wnendt bei den teils in echter Umgebung (sichtbar an teils unkenntlich gemachten realen Bürgern) gefilmten Szenen seine Kunstfigur auf authentische Personen treffen lässt, bleibt dem Betrachter das Lachen im Halse stecken – vor allem, wenn junge Erwachsene für ein Selfie mit Hitler den Führergruß praktizieren. Hier hält Er ist wieder da der Gesellschaft gekonnt den Spiegel vor und schreckt auch vor unangenehmer Konfrontation nicht zurück – so hätte sich eine türkische Reinigung sicher nicht träumen lassen, dass eines Tages ein Typ, der aussieht wie ein gewisser Herr Hitler in deutscher Uniform ebenjene zur Säuberung abgibt und sich dabei bis aufs Unterhemd auszieht. Es sind diese und vor allem jene Szenen, in denen die Bevölkerung den vermeintlichen Parodisten wie einen alten Bekannten behandelt, dem man ohne mit der Wimper zu zucken seine Sorgen anvertraut und erzählt, was in diesem Land so alles falsch laufe. Als Zuschauer fühlt man sich in der unangenehmen Situation, sich zu fragen, wie man reagierte, stünde man vor diesem Mann, der mit ein paar einfachen rhetorischen Fragen und Geschicklichkeiten die gruseligsten Vorurteile zum Vorschein bringt [Stichwort: Intelligenzquotient (der übrigens in Prozent gemessen wird, ist ja klar …)]. Nur selten bieten ein paar Passanten der dahinterstehenden Ideologie die Stirn und reagieren integer. Sämtliche dieser Sequenzen sind im Buch nicht beschrieben, sondern nur in ihrer Grundidee angelegt.

Wnendt geht in Er ist wieder da demnach einen Schritt weiter und überträgt die Satire ins echte Leben. Man weiß, dass einige Passanten, die nicht im Bild waren, Anzeige gegenüber den teils drastischen Reaktionen der Menschen machten – Dinge, die der Film natürlich verschweigt, um seine Intention noch drastischer zu formulieren. Das ist insofern gerechtfertigt, weil offenbar in der Tat der Anteil derer, die begeistert reagiert haben, deutlich größer war als jener, die kritische Äußerungen getätigt haben. Zudem bewirkt diese wenig optimistische Stimmung, dass man sich als Zuschauer eben doch hinterfragt und für sich klarstellt, dass man selbst anders denkt oder denken möchte als jene im Film zu sehende stumpfsinnige Massen-Mitläufer. Noch einmal erschreckend ist übrigens, dass alle Passanten, deren Gesicht erkennbar ist, ihre Einverständniserklärung gegeben haben und unbedingt im Film sein wollten – hoffentlich haben das im Nachhinein viele bereut.
Dagegen fallen die geschauspielten Szenen fast ab, weil sie vom Stil und der Stimmung nur bedingt hineinpassen. Aber auch, weil nicht jeder der Darsteller gut aufgelegt ist. Katja Riemann hat man zuletzt schon besser aufgelegt gesehen und Christoph Maria Herbst (dessen Hörbuch von Er ist wieder da Sensationserfolge gefeiert hat) wird in der Rolle des opportunistischen stellvertretenden Geschäftsführers des TV-Senders sein Stromberg-Image nicht los. Außerdem wirkt er hier ein wenig, als trete er auf die Bremse. Wenn Michael Kessler als Comedian in seiner Sendung „Krass, Alter!“ sein eigenes Image persifliert, gehört das zu den besten Momenten der fiktiven Szenen. Inszenatorisch ist dieses Ungleichgewicht allerdings nicht flüssig zusammengefügt, was Wnendts Arbeit fragmentarisch und zerfahren wirken lässt. Der Umbruch zwischen dokumentarischen Szenen und inszenierter Geschichte lässt nur bedingt Unterhaltungswert aufkommen, sodass man den Film beileibe nicht als Komödie werten darf, sondern als aufgeklärter Zuschauer sich vornehmlich auf die schockierenden Verhaltensweisen der Bevölkerung konzentrieren sollte.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Er ist wieder da ist bisweilen satt und sehr bunt. Grün und Rot überstrahlen in Außenaufnamen schon mal ein wenig. Die Auflösung ist hervorragend, wie man anhand der anfänglichen Vogelperspektiven gut sehen kann. Auch die Bildruhe ist außergewöhnlich hoch. Um die Realfilm-Sequenzen von den fiktiven abzugrenzen, wurden diese mit der Handkamera aufgenommen. Hier ist die Helligkeit oft etwas zu heftig. Gelungen dagegen die Schärfe – gerade in Nahaufnahmen. Akustisch konzentriert sich Er ist wieder da auf die gut verständlichen Dialoge und des Öfteren eingesetzte direktionale Effekte. Ebenfalls sehr räumlich ist der (natürlich meist klassische) Filmscore, der (natürlich) auch vor Wagner nicht zurückschreckt. Anlass für große Dynamik- oder gar Bassattacken gibt’s keine.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Er ist wieder da findet sich ein Making-of sowie zehn Interviews, acht entfernte und drei erweiterte Szenen, Sequenzen vom Probedreh und der Audiokommentar von Regisseur Wnendt und seinem Hauptdarsteller. Das Making-of läuft knapp 20 Minuten und lässt Produzenten, Regisseur und Hauptdarsteller zu Wort kommen. Erstaunlich viel Improvisation von hinter der Kamera gesellt sich dazu – beispielsweise auch Arbeiten an Oliver Masuccis Maske.

Fazit

Der Film zur Pegida-Stimmung: Er ist wieder da schildert ein pessimistisches Bild der deutschen Bevölkerung. Einer Bevölkerung, die scheinbar nur darauf gewartet hat, dass „einer wie er“ wieder die Verantwortung übernimmt. Handys hoch, wenn endlich mal wieder einer ein (demokratisches sic!) Machtwort spricht und ein NPD-Funktionär (im Glauben die Kamera sei aus) beteuert, dass er für den echten Hitler auch wieder in den Krieg ziehen würde. Er ist wieder da ist dann auch weniger eine Satrie über Hitler, sondern vielmehr eine erschreckende Momentaufnahme eines Landes, das seine Wahrheit lieber in sozialen Netwerken, denn in reflektierter Berichterstattung sucht und scheinbar wieder in den Krieg ziehen würde, wenn der falsche Typ an die Macht kommt. Rein vom Unterhaltungswert und der Inszenierung her ist der Film allerdings sperrig und holprig.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Bonusmaterial: 60%
Film: 75%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: Deutschland 2015
Regie: David Wnendt
Darsteller: Oliver Masucci, Fabian Busch, Christoph Maria Herbst, Katja Riemann, Franziska Wulf, Lars Rudolph, Michael Kessler, Michael Ostrowski, Gudrun Ritter
Tonformate: dts HD High Resolution 5.1: de
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 116
Codec: AVC
FSK: 12

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