Erinnerungen an Marnie

Blu-ray Review

Erinnerungen an Marnie Blu-ray Review Cover
Universum Film, seit 11.03.2015

OT: Omoide no Mânî

 


Ich bin, wie ich bin

Der letzte Film des Ghibli-Studios ist ein romantisches Märchen über die Ich-Werdung eines jungen Mädchens.

Inhalt

Anna wuchs als Waisenmädchen bei einer Pflegemutter auf und ist, nicht zuletzt aufgrund ihres Astmas, eine Einzelgängerin. Ihre Atembeschwerden sollen gebessert werden, indem sie während ihrer Ferien zu Tante und Onkel an die gemäßigte Seeluft geschickt wird. Während die beiden Verwandten ihre Nichte freundlich aufnehmen, verbringt Anna auch dort zunächst ihre Zeit alleine. Lediglich der mürrische Fischer, ebenfalls ein wortkarger Außenseiter, leistet ihr ab und an Gesellschaft. Dann entdeckt Anna eines Tages bei ihren skizzenhaften Zeichnungen der Naturumgebung ein herrschaftliches Anwesen, in dem die gleichaltrige Marnie lebt. Das blonde Mädchen jedoch scheint etwas komisch zu sein, denn sie tauch manchmal einfach auf und verschwindet wieder und weiß außerdem immer schon vorher, dass Anna kommen wird. Wird das Geheimnis, das Marnie umgibt, die Freundschaft der beiden gefährden?

Mit Erinnerungen an Marnie kommt der diesjährige Oscar-Kandidat des Ghibli-Studios ins Heimkino – aber eben auch der zunächst letzte Film aus der Animationsschmiede. Das für die Filme von Hayao Myazaki (Prinzession Mononoke, Chihiros Reise ins Zauberland) bekannte Studio gab während der Produktion von Marnie gekannt, dass es eine Umstrukturierung durchmachen würde. Dass man für das letzte Animationswerk keine eigene Geschichte zugrundelegte, sondern auf eine (noch dazu) europäische Erzählung zurückgriff, mutet vielleicht noch etwas ungewöhnlicher an. Erinnerungen an Marnie basiert auf Joan G. Robinsons When Marnie was there (Damals mit Marie), einem Jugendbuch, das die Engländerin 1967 schrieb. Trotz dezenter Geisternote ist die Geschichte nicht ganz so fantastisch wie frühere Werke des Studios und die Geschichte um eine Mädchenfreundschaft ist bei aller rührenden Romantik auch ein wenig kitschig geraten. Aber die wunderschönen Bilder und die grandiose Szenerie am Meer entschädigt für einige etwas alberne und klischeehafte Momente. Optik geht hier dieses Mal vor inhaltlicher Tiefe – zumal der erwachsene Zuschauer schon bald ahnt, welches Geheimnis Marnie verbirgt. Gerade jüngeren Zuschauern wird das aber herzlich egal sein und den Kids mal einen entschleunigten Animationsfilm vorzusetzen, anstelle den immer rasanter werdenden perfektionistisch getricksten Filmen aus dem Hause Pixar oder Dreamworks Animations, kann im Sinne einer echten Konzentration auf das Geschehen nur gut sein. Erinnerungen an Marnie hält zudem eine universelle Botschaft von der Identitätsfindung eines Mädchens bereit, dessen Selbstwertgefühl durch die Adoption und den Verdacht, dass ihre Pflegemutter dies nur aufgrund des Geldes tat, immer unterdrückt wurde. Dass Anna am Ende genug Selbstbewusstsein hat, um Freundschaften und Zuneigung zuzulassen, ist eine grundpositive Essenz eines Films, der vielleicht etwas zu sehr auf Melodramatik setzt.

Bild- und Tonqualität

Wer die Filme des Ghibli-Studios kennt, weiß, dass diese nie vor Kontrasten bersten, sondern eher sehr hell und pastellfarbig daherkommen. Das reduziert den Kontrastumfang immer etwas, was ein wirklich knackiges Bild verhindert. So ist es auch hier bei Erinnerungen an Marnie, obschon gerade Szenen in dunkleren Bereichen (Bahnhof 5’20) bisweilen für ein Werk des Studios knackige Schwarztöne liefern. Leider auch ein Merkmal ist das deutliche Ruckeln aufgrund der reduzierten Rate abfotografierter Animationsbilder (12’33).
Dem Sound von Erinnerungen an Marnie fehlt der .1-LFE-Kanal. Die Blu-ray kommt dementsprechend als 5.0-Variante ohne gesonderte Tieffrequenz-Information daher. Das jedoch ist so dramatisch gar nicht, denn die Lebhaftigkeit der fünf Grundspuren ist von Beginn an gut. Was jedoch zu Beginn stört, ist der anfängliche Monolog, den Anna hält. Der wurde nicht sauber abgetrennt auf dem Center platziert, sondern kommt über alle drei Frontspeaker. Das wirkt eher befremdlich als authentisch. Glücklicherweise bleibt dies ein Einzelfall und kommt im späteren Verlauf nicht mehr vor. Die japanische Spur ist noch ein wenig räumlicher, weil sie während der Szenen mit vielen Menschen/Kindern mehr Gebrabbel auf die Lautsprecher verteilt. Wenn’s dann mal dynamischer wird wie bei Annas unsanfter Landung am Kai des Anwesens von Marnies Eltern, sorgen die Hauptlautsprecher im Übrigen für ausreichend Volumen, um den nicht vorhandenen Sub-Frequenz-Kanal vergessen zu machen. Auch das Gewitter am Silo wird auf diese Weise sehr kraft- und effektvoll im Heimkino platziert.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Erinnerungen an Marnie enthält neben den Storyboards zum kompletten Film noch ein Making-of sowie das Featurette „Yohei Taneda’s Art of Marnie“. das Making-of läuft knapp 45 Minuten und wurde fürs japanische Fernsehen produziert. Dementsprechend ist es eher eine Dreiviertelstündige Huldigung denn eine Informationsveranstaltung. Aber immerhin bekommt man etwas Hintergrundwissen zur Produktion vermittelt.

Fazit

Von der Selbstfindung eines jungen Mädchens – Erinnerungen an Marnie ist sicher nicht der beste und vielschichtigste Film der Ghibli-Studios, dafür aber ein herrlich entschleunigter, mit wundervollen Bildern garnierter und im besten Sinne altmodischer Animationsfilm.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 40%
Film: 70%

Anbieter: Universum Film
Land/Jahr: Japan 2014
Regie: Hiromasa Yonebayashi
Sprecher: Laura Jenni, Laura Wurmer, Claudia Lössl, Andreas Borcherding
Tonformate: dts HD-Master 5.0: de, jp
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 103
Codec: AVC
FSK: 0

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