Blu-ray Review
OT: Marco Effekten
Neues Team
Wie war das noch mit „Never change a running system“?
Inhalt
Marco ist Roma und gerade einmal 14 Jahre alt. Weder von der Zugehörigkeit zu dieser Bevölkerungsgruppe noch vom Alter her ein einfaches Los. Trotz seiner jungen Jahre hat er sein ganzes Leben in einem Clan verbracht, der von seinem Onkel Zola geleitet wird. Entsprechend ist Kriminalität Alltag für Marco. Kriminalität jedweder Couleur. Als er bei einer Zugfahrt nach Kopenhagen von der Polizei aufgegriffen wird, weil er keine Papiere dabei hat, findet man bei ihm eine Seite eines Passes. Das dazugehörige Dokument gehört William Stark, einem Familienvater und Beamten, der einige Jahre zuvor verschwunden war. Und das möglicherweise nicht zufällig. Denn ihm gegenüber wurden Vorwürfe wegen sexueller Belästigung und des Besitzes von Kinderpornografie geltend gemacht. Inspektor Carl Mørck, der aktuell genug Stress hat, weil ihn sein Chef in eine psychologische Behandlung schicken will, findet gemeinsam mit Assad heraus, dass Stark in Sachen Korruption ermittelt hatte. So war er in der Entwicklungshilfe für Namibia tätig und hatte sich beim dänischen Außenministerium beschwert, da Fördermittel verschwunden waren. Weiß Starks Nachfolger auf dem Posten mehr? Waren die Vorwürfe aus der Luft gegriffen? Und wie kann Marco helfen? Der Junge sitzt im Jugendheim und schweigt. Kein Wunder, dass Mørck deshalb andere Saiten aufziehen will …
Viermal durfte das Ermittlerteam des Sonderdezernats Q bestehend aus Carl Mørck und Hafez el-Assad bereits in einer Kino-Verfilmung auftreten. Viermal übernahmen Nikolaj Lie Kaas und der grandiose Fares Fares (Kops) die beiden Hauptrollen und führten die extrem erfolgreiche Buchreihe (rund 20 Mio. verkaufte Exemplare) von Jussi Adler-Olsen ins Kino. Für die Adaption des fünften von bisher neun Romanen wechselte man das Team allerdings komplett aus. Und da darf man durchaus mal etwas skeptisch sein. Selbst dann, wenn es auf dem Papier eigentlich prominenter zugeht. Denn während auf dem Regiestuhl der versierte Filmemacher Martin Zandvliet (Unter dem Sand) Platz nahm, übernahm Charaktermime Ulrich Thomsen (Adams Äpfel) die Rolle des Mørck. Und Thomsen ist hierzulande ungleich bekannter als es Nikolaj Lie Kaas vor seinem Engagement als Mørck gewesen ist. Fares Fares wird indes durch den eher unbekannten Zaki Youssef ersetzt, der zuvor vor allem in dänischen TV-Serien zu sehen war. Aber bevor wir zu viel theoretisieren, beginnen wir der Reihe nach. Erwartung – Der Marco-Effekt macht tatsächlich zunächst einmal nicht viel anders als die Vorgänger. Konsequent düster sind die Bilder, die man in den ersten Minuten zu Gesicht bekommt und die melancholisch-getragene Filmmusik tut ihr Übriges dazu, dass man hier nicht sonderlich optimistisch durch den Film kommt. Dass Ulrich Thomsen seinen Mørck ungleich grimmiger, miesepetriger und mies gelaunter gibt, verwirrt zu Beginn ein wenig. Denn wenn man die ersten vier Filme gesehen hat, weiß man auch um die Entwicklung, die der Ermittler bis dahin innerhalb der Behörde und vor allem mit seinem Kollegen Assad gemacht hat. Sich nun charakterlich noch einmal resetten zu müssen und als Zuschauer die Entwicklung ein weiteres Mal erleben zu müssen, fühlt sich irgendwie unbefriedigend an.
Mit Thomsen hat man diese Entwicklung also nun wieder genullt. Zwar kennen sich Mørck und Assad, aber ein wirkliches Verhältnis haben sie nicht. Eher im Gegenteil. Die furchtbar blasse Darstellung des Assad durch Zaki Youssef, der vom Drehbuch zudem komplett im Stich gelassen wird, irritiert noch mehr als das griesgrämige Verhalten Mørcks. Über den Verlauf der zwei Stunden hat Assad kaum Screentime und seine Figur wirkt (bis zum Schluss) praktisch überflüssig. Bedenkt man, welch großartige Rolle Fares Fares in den vorherigen Filmen zuteil wurde und wie grandios er diese ausgefüllt hat, sitzt man mitunter kopfschüttelnd und ernsthaft frustriert vor dem Bildschirm. Es macht den Anschein, dass man sich etwas zu sehr auf die Prominenz seines Hauptdarstellers verlassen hat, denn die Konzentration liegt eindeutig auf Thomsen. Der darf zwar eine kleine Entwicklung durchmachen und zwischendurch selbstkritische Monologe führen, ist aber trotz dem später etwas sanfteren Verhalten einfach ein unsympathischerer Mørck als es Lie Kaas war. Dazu passt dann leider, dass der Fall an sich weder große Überraschungen bereithält, noch spannend verläuft. Daran ist nicht das Setting schuld, das einen großen Reiz geboten hätte, auch gesellschaftliche Themen etwas stärker zu integrieren. Doch daran ist Marco-Effekt nicht gelegen. Die anfänglich noch sehr straight durchgeführten Ermittlungen, werden später nicht selten von Kommissar Zufall bedient und nicht immer erscheint das Verhalten der Figuren logisch. Letzteres mag noch daran liegen, dass man Details und Erklärungen aus dem Buch einfach weggelassen hat. Aber bei zwei Stunden Laufzeit darf man durchaus erwarten, dass die Lösung des Falls nicht in den letzten zehn Minuten so hopplahopp und erzwungen wirkt. Vor allem die finale Überführung eines Täters wirkt extrem beiläufig und wird der eigentlichen Tragweite dieser Tatsache kaum gerecht. Schade drum.
Ähnliche Kritik muss man auch daran üben, dass Mørcks Vorgesetzter praktisch dauernd auf Contra-Kurs zu seinem Ermittler liegt und dann dermaßen ruckzuck die Meinung wechselt, dass man sich schon fragen darf, warum das nun so schnell geht, wo doch lange noch nicht alle Informationen auf dem Tisch liegen. Man wird das Gefühl nicht los, dass Erwartung – Der Marco-Effekt in den letzten 20 Minuten das Tempo nachholen möchte, das er zuvor versäumt hat, an den Tag zu legen. Wenn in der Zeit zuvor wenigstens mehr Charakterentwicklung drin gewesen wäre; wenn man außerdem el-Assad mehr Bildschirmzeit zugesprochen hätte, dann wäre das sicherlich verschmerzbarer gewesen. Da es ansonsten auch sehr ruhig zugeht und Action kaum eine Rolle spielt (im Grunde gibt’s genau eine entsprechende Szene, bei der immerhin ein Auto zu Schrott geht), plätschert es oft nur so vor sich hin. Inszenierung und Ausstattung bewegen sich meist eher auf TV-Krimi-Niveau. Was leider auch für das Spannungsniveau gilt. Interessanterweise ist die einzige, wirklich spannende (und das ist sie wirklich) Szene nicht während der Ermittlungen zu finden, sondern geschieht auf dem Revier, wenn Mørcks Kollegin versucht, den Dienststellen-Chef hinzuhalten. Hier wird das Potenzial deutlich, was der Film gehabt hätte, wenn man ihn mal von den Fesseln befreit hätte. Zurück zum oben angesprochenen gesellschaftlichen Themenbereich, muss man konstatieren, dass der mindestens fragwürdige Umgang mit den im Film porträtierten Sinti und Roma durchaus verärgert. Jedenfalls dürfte sich Martin Zandvliet nicht beschweren, wenn man ihm latenten Rassismus vorgeworfen hätte.
- Verfilmung des internationalen Bestsellers von Jussi Adler-Olsen ERWARTUNG, ehemals Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste
- Der renommierte Schauspieler Ulrich Thomsen brilliert als kauziger Ermittler Carl Mørck, an seiner Seite Zaki Youssef
- Inszeniert vom Oscar-nominierten dänischen Regisseur Martin Zandvliet (UNTER DEM SAND) im Stil eines Nordic-Noir
Bild- und Tonqualität
Nach allen verfügbaren Informationen wurde Erwartung – Der Marco-Effekt digital gedreht. Wobei der eine oder andere das bezweifeln würde, wenn er den Film startet. Denn Regisseur Martin Zandvliet und sein Kameramann Aske Foss nutzten einen betont grobkörnigen Look, um ihrem Film eine gewisse schmuddelige und raue Atmosphäre zu verpassen. Vielleicht auch, um gar nicht erst Gefahr zu laufen, es könne sich lediglich um einen TV-Krimi handeln. Denn so sehen TV-Filme wirklich nicht aus – jedenfalls nicht solche, die man in den letzten Jahrzehnten bewundern durfte. Dazu sind die Schwarztöne der Blu-ray äußerst tief angesiedelt. In den Schattenbereichen im eh schon nicht hell ausgeleuchteten Präsidium wird es schwierig, noch Details zu erkennen, so dunkel geht’s hier zu. Das Gleiche gilt für die Zeichnung, bzw. Durchzeichnung. Allerdings gibt’s immerhin kein Black Crush. Hautfarben sind weitgehend kühl – je nach Szene aber auch schon mal mit einer leichten Tendenz ins Gelbe, was dann oft (bewusst?) kränklich aussieht. Herausragend ist das Encoding geraten, das die digitale Körnung stets sauber präsentiert und auch in den Schwimmbad-Unterwasserszenen keine Artefakte zeigt. Da der Transfer beständig bei über 30 Mbps läuft, hat man hier auch die Bandbreite gut ausgenutzt. Lediglich bei Einzelbildfortschaltung offenbart sich schon mal eine kleine Ansammlung von Rausch-Clustern. Aber wer schaut einen Film schon in Einzelzeitlupe. Zwei sehr atmosphärisch arbeitende DTS-HD-Masterspuren bekommt man mit Erwartung – Der Marco-Effekt. Exemplarisch toll hört sich das Schwimmbad-/Unterwasser-Szenario mit dem Ambiente-Score an. Die leichten Wellen plätschern luftig, das Unterwasser-Blubbern kommt räumlich rüber und die Musik legt sich sanft über alle Speaker. Dialoge sind außerdem schön voluminös, klar und deutlich. Das Klatschen bei 39’30 füllt den ganzen Raum und wenn Filmmusik mal dominanter wird, gerät auch das angenehm. Die Speaker übernehmen hier eine sehr schön aufgefächerte Räumlichkeit. Fallen Schüsse, zerreißen diese trocken und dynamisch den Raum (103’40) und die Jagd im Wald gerät exemplarisch authentisch und vor allem äußerst effektvoll. Man fühlt sich fast mittendrin, in dieser Naturszenerie. So langweilig der Film über weite Strecken ist, so stilistisch verändert das Bild sein mag, über den Ton kann man wirklich nicht klagen.
- Verfilmung des internationalen Bestsellers von Jussi Adler-Olsen ERWARTUNG, ehemals Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste
- Der renommierte Schauspieler Ulrich Thomsen brilliert als kauziger Ermittler Carl Mørck, an seiner Seite Zaki Youssef
- Inszeniert vom Oscar-nominierten dänischen Regisseur Martin Zandvliet (UNTER DEM SAND) im Stil eines Nordic-Noir
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Erwartung – Der Marco-Effekt gibt’s außer dem Trailer und einigen Programmtipps leider nichts weiter zu entdecken. Auch hier wäre es wirklich toll gewesen, wenn man etwas über die Hintergründe der Produktion und vor allem den Wechsel des Teams erfahren hätte. Schade.
Fazit
Erwartung – Der Marco-Effekt zeigt zwei neue Ermittler, die möglicherweise erst noch zueinander finden müssen. Dafür haben sie (Stand jetzt) noch vier Filme Zeit – wenn man denn alle Bücher verfilmt. Für den Moment sind Thomsen und Youssef aber noch lange nicht auf einer Ebene mit Fares Fares und Lie Kaas. Außerdem ist die Inszenierung etwas zu altbacken geraten und schüttelt sich die finalen Auflösungen zu abrupt aus dem Ärmel. Das wirkt weder glaubwürdig, noch wurde es zuvor mit Spannung angefüllt. Atmosphärisch passt immerhin das schmuddelig-verrauschte Bild, das dem Film einen raueren Touch gibt.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 10%
Film: 60%
Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: DK/Deutschland 2021
Regie: Martin Zandvliet
Darsteller: Ulrich Thomsen, Zaki Youssef, Sofie Torp, Anders Matthesen, Lobas Olàh
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, dä
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 125
Codec: AVC
FSK: 16
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)
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Trailer zu Erwartung – Der Marco-Effekt
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
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- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
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Mmhh ich habe mir den Trailer angesehen und fand ihn nichtssagend. Die Darsteller der ersten vier Teile hatten etwas Dunkles an sich man konnte das nachfühlen was beide durchmachten. Schade dann lese ich lieber das Buch und habe beide alten Darsteller beim lesen im Kopf.