Everest 3D

Blu-ray Review

Everest Blu-ray Review Cover
Universal Pictures, seit 28.01.2016

OT: Everest

 


Dünne Luft

Wie konnte es 1996 zu einer Bergsteiger-Katastrophe am Mount Everest kommen?

Inhalt

Insgesamt acht zahlende Kunden soll Rob Hall, Pionier der kommerziellen Bergbesteigungen am Mount Everest im Mai 1996 zum Gipfel des höchsten Berges der Welt führen. Unter anderem den Journalisten Jon Krakauer sowie die erfahrenen Amateurkletterer Doug Hansen und Beck Weathers. Gleichzeitig sind aber noch 20 weitere Teams vor Ort, von denen auch die Gruppe um Scott Fischer ganz oben ankommen möchte. Wie es der unglückliche Zufall will, starten viele Gruppen Anfang Mai zur Gipfelbesteigung, was tatsächlich zu einer Stausituation an verschiedenen Engpässen führen könnte. Aus diesen Gründen schließen sich Fischer und Hall zusammen. Nachdem einige aufgrund von Erschöpfungserscheinungen schon früh abbrechen müssen, will Rob seine zahlenden Kunden unter allem Umständen zum Gipfel bringen. Deshalb schlägt er auch die Wetterwarnung seines Basiscamps erst einmal in den sprichwörtlichen Wind. Seine Entscheidung scheint richtig, den um 0.30h am 10. Mai haben sich Wind und Schneesturm gelegt. Man visiert den Aufstieg bis 14h an, um rechtzeitig zurückkehren zu können. Doch der Weg zum Peak wird von Schwierigkeiten gesäumt: Beck Weathers leidet unter Augenproblemen, an einer Engstelle fehlt ein Fixseil und drei aus Robs Team kehren kurz vor dem Ziel um. Rob will nun unbedingt den Rest hochführen, damit Jon Krakauer wenigstens etwas Positives über die Bergführungen am Everest schreiben kann. Doch das, was dann passiert, wird nicht für gute Schlagzeilen sorgen, denn man braucht einfach viel zu lange, um alle hochzubringen und dann schlägt auch noch das Wetter um …

1953 wurde der Mount Everest, nach wie vor der höchste Gipfel der Welt, zum ersten Mal bestiegen. Immer wieder forderte der Berg im Himalaya seine Opfer. Wenn nicht durch Abstürze, dann durch schlechte Witterung oder den extremen Sauerstoffmangel in der Höhe. Seit 1992 konnten auch Amateur-Bergsteiger unter Führung der Organisation des Neuseeländers Rob Hall den Everest erklimmen und diese blieben bis 1996 tatsächlich frei von tödlichen Unfällen. Dann jedoch begannen Konkurrenz-Unternehmen mit ähnlich geführten Touren und mit ihnen kamen mehr und mehr Bergtouristen. Everest beschreibt die gleichzeitige Besteigung des Gipfels am 10. Mai 1996, bei dem mehrere geführte Touren (unter anderem jene von Rob Hall und von Scott Fischer, der für ein anderes Unternehmen den Bergführer gab) in einer Art Wettstreit den Gipfel erklommen und teilweise nicht mehr zurückkommen sollten. Obschon immer wieder Bergsteiger am Everest umkamen (weit über 200 bisher), ist es bis heute außergewöhnlich, dass durch die Verkettung mehrerer Umstände gleich drei erfahrene Bergführer verunglückten. Was Everest abseits der Kritik eines Jon Krakauer (siehe weiter unten) höchst authentisch macht, sind seine Bilder. Zwar wurden viele Bergszenen in Italien aufgenommen (genauer im Schnalstal), doch davon ab, drehte das Team rund um Kormákur eben auch in Nepal und am echten Basislager des 8000ers. Die Aufnahmen vor Ort liefern höchst realistische Eindrücke und die Tatsache, dass die Arbeit der Sherpas hier mal anständig gewürdigt wird (bzw. das arrogante Verhalten der US-Amerikaner sarkastisch kommentiert wird), trägt ebenfalls zur Authentizität bei – genauso wie die Konzentration auf die absolut akribische Vorbereitung. Wenn die Campärztin von Sauerstoffmangel, Höhenkrankheit und Selbstüber- bzw. Fehleinschätzung erzählt, bekommt man einen Hauch von der Ahnung, wie extrem gefährlich die Besteigung des Everest (oder anderer ähnlich hoher Berge) sein kann.

Ebenfalls zeigt Everest auf, was die dramatische Kommerzialisierung der Expeditionen mit sich bringt – auch wenn’s „nur“ ein Robert Hall ist, der sich über achtlos weggeworfenen Zivilisationsmüll ärgert. Aber auch das Kompetenzgerangel unter den Gruppenleitern wird hautnah aufbereitet und schildert schon nach gut 30 Minuten, dass ein paar gravierende Fehlentscheidungen dazu führen, dass die Besteigung kein gutes Ende nehmen wird. Die Inszenierung des Abstiegs ist dann auch gleichzeitig der emotionale und spannungsgeladene Höhepunkt des Films. Mehrere Fehler der Beteiligten und das umschlagende Wetter führen zu höchst dramatischen Ereignissen, die vor allem bei Zuschauern mit entsprechend empfindsamen Nerven (und/oder Akrophobie) für Schnappatmung sorgen werden. Das Gefühl wird noch dadurch intensiviert, dass man es hier mit der Aufzeichnung von realen Geschehnissen zu tun hat und es einem schon mehr als kalt den Rücken runterläuft, wenn man sieht, wie die Bergleute nach und nach vor der Natur kapitulieren müssen. Und dann sind da natürlich noch die phänomenalen Landschaftsaufnahmen. Viele Hintergründe stammen zwar nicht vom Live-Dreh (immerhin war niemand vom Team auf 8000 Meter), dennoch sind die vom ewigen Schnee und Eis bedeckten Berge des Himalaya einfach ein Fest für die Augen (52’30). Panoramaschwenks über die Szenerie sorgen für heruntergeklappte Kinnladen und wenn Bukrejew auf einem schmalen Grad entlangwandert, darf einem auch schon mal die Luft wegbleiben (55’45). Was bei aller atemberaubender Bildgewalt allerdings auf der Strecke bleibt, sind die einzelnen Charaktere. Mit Ausnahme von Rob Hall (souverän gespielt von Jason Clarke) werden die anderen Figuren trotz teils hochkarätiger Besetzung nicht ausreichend beleuchtet. Doug Hanson und Beck Weathers, die von den Charakterdarstellern Josh Brolin und John Hawkes gespielt werden, bekommen noch am meisten Raum, bleiben aber dennoch blass. Jon Krakauer, dessen Tatsachenbericht im Nachhinein für Aufsehen gesorgt hat und der von Michael Kelly porträtiert wird, wird während der Besteigung fast vollständig außer Acht gelassen. Diest ist allerdings nur ein Punkt, warum sich der Journalist im Anschluss an den Film negativ geäußert hat, denn keiner der Filmschaffenden von Everest kam während der Vorproduktionsphase auf ihn zu. Gleichzeitig gab er zu Protokoll, dass der Filmdialog zwischen ihm und Bukrejew am oberen Camp, der Krakauer „Verrat aufgrund angeblicher Schneeblindheit“ unterstellt, nie stattgefunden habe.

 

Bild- und Tonqualität

Bevor es mit einem Lob für die Tonqualität weitergeht, zunächst ein paar Worte über das (gute) Bild von Everest. Schon die Totale von Kathmandu oder die Fahrt durch die Häuserschluchten sorgen für einen Wow-Effekt, denn die räumliche Tiefe und Detailauflösung ist sehr hoch. Wetterbedingt wird das Bild später etwas schlechter, weil bisweilen dichtes Schneetreiben die Regie übernimmt. Das ist aber nicht negativ zu sehen, sondern atmosphärisch sehr authentisch – zumal das Finale praktisch ausschließlich im dichten Schneetreiben stattfindet. Nahaufnahmen der bärtigen Darsteller sind plastisch scharf und die Bildruhe ist während der gut ausgeleuchteten Szenen hervorragend. Der Schwarzwert lässt allerdings immer mal etwas zu wünschen übrig und verfärbt sich auch unschön. Außerdem gibt’s auf hellen Himmelshintergründen schon mal ein flimmerndes, stehendes Rauschen (21’00).
Jetzt aber zum Lob für den Sound:
Ein „Hoch“ auf Universal Pictures! Zum wiederholten Male schafft es der Anbieter, einen Film länderübergreifend mit einer Dolby-Atmos-Spur auszustatten und bietet diese nicht nur für den englischen O-Ton an. Zwar liegt diese bei der deutschen Synchro „nur“ in Dolby-Digital-Plus-Kodierung vor, doch das ist immerhin um Welten besser als es bei anderen Anbietern der Fall ist, die einer englischen Atmos-Spur eine deutsche Dolby-Digital-5-1-Fassung entgegensetzen. Dass die Tonspur von Everest aber so gut ist wie sie ist, liegt nicht mal zwingend an der modernen Tonkodierung, sondern an der einfallsreichen und hervorragenden Arbeit der Sounddesigner. Schon während der kurzen Einleitung auf dem Berg wird deutlich, wie großartig die Winde durchs Heimkino rauschen und wie dynamisch das Wetter zuschlägt. Auch die Fahrt im Bus bei der Ankunft in Kathmandu überzeugt und liefert vor allem eine geschäftige Atmosphäre, die einzigartig erscheint. Von überall scheinen die Fahrradklingeln zu kommen. Dazu gesellen sich stets gut verständliche Dialoge und immer wieder diese großartige Windatmosphäre. Wenn Halls Gruppe erstmals in Bedrängnis kommt, wehen die Böen Eiskristalle derart direktional durchs Heimkino, dass man zu frösteln beginnt (28’00). Auch der Wegbruch der Eisspitze sorgt für Gänsehaut, weil der Subwoofer bedrohlich grummelt und der Höhenkanal über den Köpfen für bröckelndes Material sorgt. Im Finale ist man dann endgültig mittendrin statt nur dabei. Was dem Zuschauer hier an Wetterkapriolen um die Ohren gepfeffert wird, ist akustisch allererste Sahne und sowohl in Atmos als auch in regulärem 7.1 (bei nicht-Atmos-Verstärkern) referenzverdächtig.

3D-Effekt

Everest gehört, wie die meisten Realfilme der letzten Jahre, ebenfalls zu jenen, die nicht mit stereoskopischen Kameras gedreht, sondern nachträglich ins 3D-Format konvertiert wurden. Die Umsetzung ist grundsätzlich gut gelungen und leidet nicht unter systembedingten Artefakten oder Geisterbildern. Gerade die Schönwetteraufnahmen der Berge und deren Tiefenstaffelung vermittelt einen herrlichen Eindruck der Szenerie. Bisweilen gibt es drei oder sogar vier Ebenen, die man betrachten kann (101’25). Auch die Darsteller schälen sich plastisch vom Hintergrund ab und die Hubschrauberaktion kurz vor dem Ende bietet eine gar waghalsige und optisch spektakuläre 3D-Flugsequenz. Was den 3D-Eindruck für viele trüben könnte, die mit sehr vordergründigen Effekten nicht zurechtkommen, sind die Auswirkungen des Schneesturms. Ständig wuseln Flocken und Eisbröckchen im Vordergrund durchs Bild, was die Fokussierung auf das eigentliche Geschehen beeinträchtigt. Das kann gerade während der letzten Dreiviertelstunde schon mal ziemlich anstrengend sein.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Everest findet sich neben dem Audiokommentar von Kormákur ein zehnminütiges Making-of sowie drei weitere Featurettes. Das Making-of zeigt Einblicke in die Dreharbeiten in Nepal und Italien. Beeindruckend ist, mit welchem logistischen Aufwand die Drehtage am Basiscamp verbunden waren. So flog man beispielsweise knapp 200 Mal mit dem Helikopter, um stetig Ausrüstung, Schauspieler und Essen hin- und herzutransportieren. Interessant auch, dass die untrainierten Darsteller und Filmcrew-Mitglieder bereits auf 5.000 Meter Höhe am Basiscamp mit Höhenkrankheit und dünner Luft zu kämpfen hatten. In „Klettern lernen“ erfahren wir nicht nur, dass Josh Brolin massive Höhenangst hat(te), die er überwinden musste, sondern auch, dass die Darsteller durch ein intensives Training gingen, um mit den Seilen authentisch umgehen zu können und sich realistisch bewegen konnten. „Ein Berg an Arbeit“ schildert die Umsetzung der Dreharbeiten in den Pinewood Studios, die vor allem für die letzten 900 Meter des Everes genutzt wurden. Die intensiven und dramatischen Ereignisse konnten aus Risiko- und Kontrollgründen nicht am echten Berg gedreht werden. In „Das Streben nach Echtheit: Die wahre Geschichte“ kommen einige Mitglieder der Familien der damaligen Teilnehmer der fatalen Expedition zu Wort. Allerdings gibt der Film hier im Bonusmaterial ein wenig zu sehr vor, möglichst authentisch zu sein, da beispielsweise der echte Jon Krakauer zu keiner Zeit von Regisseur oder Produzenten kontaktiert wurde und auch die eine oder andere Verfälschung der Tatsachen beklagt. Die Gesamtlaufzeit der Featurettes inklusive Making-of kommt auf ca. 25 Minuten.

Fazit

Für acht Bergsteiger bedeutete die Gipfelbesteigung des höchsten Berges des Himalaya am 10. Mai 1996 den Tod – Baltasar Kormákurs Everest schildert diese Ereignisse mit einer bildgewaltigen Wucht, die seinesgleichen sucht. In höchst dramatischen Szenen zeigt der Film den desaströsen Abstieg vom Gipel und fördert für gut 45 Minuten beim Zuschauer einen krass erhöhten Puls- und Herzschlag. Dass die meisten Figuren dabei blass bleiben und man im Schneetreiben die Übersicht über die einzelnen Charaktere verliert, ist zwar schade, verhindert aber dennoch nicht, dass der Film gerade aufgrund seines realen Hintergrunds noch lange nachwirkt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 95%
Tonqualität (Originalversion): 95%
Bonusmaterial: 50%
Film: 80%
3D-Effekt: 70%

Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA/GB/IS 2015
Regie: Baltasar Kormákur
Darsteller: Jason Clarke, Josh Brolin, John Hawkes, Jake Gyllenhaal, Sam Worthington, Keira Knightley, Emily Watson, Robin Wright
Tonformate: Dolby Atmos (True HD): en // Dolby Atmos (DD Plus): de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 121
Codec: AVC
Real 3D: nein (konvertiert)
FSK: 12

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