Blu-ray Review
OT: Abominable
Fellmonster mit Heimweh
Die zweite Kooperation zwischen Dreamworks USA und den Pearl Studios ist ein kunterbunter Familienstreifen mit leisen fernöstlichen Akzenten.
Inhalt
Die junge Yi ist eine Einzelgängerin. Sie spielt lieber Geige und erinnert sich dabei an ihren verstorbenen Vater als mit ihrem Freund Peng oder dessen eingebildetem Cousin Jin zu spielen. Eines Abends entdeckt sie auf dem Dach des Appartement-Hauses, in dem sie mit ihrer Mutter und Oma Nai Nai lebt, einen verängstigten Yeti. Der war kurz zuvor aus einer Laboreinrichtung in Shanghai ausgebrochen und dem bösen Mr. Burnish entwischt. Burnish wollte durch ihn die Existenz der Schneemenschen beweisen und Profit machen. Yi hingegen erlangt durch ihr Geigenspiel (und ein paar leckeren Baozis) das Vertrauen des Yeti. Als er eine Werbung für den Mount Everest anstrahlt, ist ihr klar: Der Yeti will wieder zu seiner Familie auf dem „großen Berg“ zurück. Als die Häscher von Burnish ihnen auf die Spur kommen, fliehen sie gemeinsam. Bald ergänzt durch Peng und Jin führt ihre Reise und Flucht vor Burnish und der Zoologin Dr. Zara sie durch Wälder, Dschungel und Wüsten. Doch ob sie das Ziel, den Everest wirklich erreichen werden, steht in den Sternen …
„Abscheulich“ lautet die Übersetzung des Originaltitels von Everest – Ein Yeti will hoch hinaus. Der Film ist allerdings alles, nur nicht abscheulich. Das eher verächtliche Wort bezieht sich ganz offensichtlich auf den Umgangston von Burnish (und im Subtext natürlich auf den Umgang der Menschen mit den Tieren), während der Film selbst zunächst auch im Original unter dem Titel Everest in Produktion ging.
Das war bereits 2010 der Fall, als Jill Coulton im Auftrag von Universals Animations-Abteilung Dreamworks mit einem Skript für den Film begann. Die Grundidee stand damals schon, doch das Projekt zog sich. Coulton, die 2006 mit Jagdfieber als erste Regisseurin eines abendfüllenden Animationsfilms in die Geschichte einging, hatte bei Pixar gelernt und war 2010 zu Dreamworks gestoßen. Sechs Jahre lang begleitete sie Everest, bis sie 2016 ausstieg. Doch mit der Kooperation der chinesischen Pearl Studios kam erneut Leben in die Sache. Als zweite Zusammenarbeit (nach Kung Fu Panda 3) zwischen der US- und der China-Abteilung von Dreamworks änderte man den Titel dann auf Abominable und feierte im September 2019 Weltpremiere.
Herausgekommen ist ein charmanter Film, der vor allem im Bezug auf seine weibliche Hauptfigur überzeugt.
Ohne den westlichen Zuschauer vor allzu große Herausforderungen zu stellen, gelingt es Everest – Ein Yeti will hoch hinaus zudem, zumindest über visuelle Vielfalt und spezielle Verhaltensweisen zwischen Yi und ihrer Großmutter („Ich sage nur, was ich denke“) Nai Nai, die Sensibilität für die fernöstliche Kultur zu entwickeln.
Allerdings wirken die Figuren (bis auf die Augenpartie) dann doch ziemlich westlich. Lediglich Nai Nai hat man mit (leider ziemlich stereotypen) chinesischen Eigenschaften porträtiert. Gleichermaßen muss man als erwachsener Zuschauer darüber hinwegsehen, dass ein Politikum wie der China-Tibet-Konflikt praktisch totgeschwiegen wird. Denn immerhin liegt ein großer Teil des Everest auf tibetischem Gebiet.
Natürlich handelt es sich bei Ein Yeti will hoch hinaus vornehmlich um einen Kinderfilm, aber deren Eltern sind nun mal Erwachsene und hätten hier vielleicht etwas mehr Mut zur Positionierung erhofft.
Naja, immerhin gibt’s ein bisschen Zivilisationskritik, wenn die Jung-Erwachsenen nur ins Handy glotzen und ihr „Social Life“ vermissen, wenn sie mal offline sind.
Sieht man über diese Unzulänglichkeiten der Tibet-China-Thematik hinweg, bekommt man mit Yi allerdings ein überraschend emanzipiertes Wesen, das auch nicht die gängigen Mädchen-Klischees erfüllt und erst über einen männlichen Kollegen ihr Ziel erreicht. Natürlich geht es auch für Yi darum, dass sie am Ende der Reise mit dem Yeti eine viel reifere, erwachsenere Person geworden ist. Einem Mädchen, dem es zunächst an einem Vorbild und einer Weisung fehlt, da ihr Vater früh verstarb. Eine kleine Außenseiterin ist Yi, die aufgrund ihres Traums, all die Orte zu besuchen, an denen ihr Vater war, nur wenige Freunde hat.
Und da liegt es natürlich nahe, dass diese Einzelgängerin erst Recht ein Herz für einen anderen Außenseiter (den Yeti) hat.
Das alleine ist schon bewegend und wird über die fantastische Musik als Kommunikation kongenial ergänzt. Yi und der Yeti unterhalten sich nicht auf herkömmlichem Wege, sondern kommunizieren mehr über das Geigenspiel des Mädchens. Wenngleich auch hier teils westliche Songs (bspw. Coldplays Fix You) zum Einsatz kommen, drückt das eine Art der Harmonie aus, die bspw. dem slapstickhaften Smallfoot fremd war.
Mit dem titelgebenden Schneemenschen fühlt man ohnehin von Beginn an mit. Denn er steht stellvertretend für den Schutz der Natur und jenem von seltenen Tieren. Gejagt von einem geldgierigen Typen, der den Yeti gefangen nehmen möchte, sowie dessen Zoologin schlägt man sich als Zuschauer sofort auf die Seite des Fellungeheuers und wünscht ihm die Rückkehr in sein eisiges Reich. Die Antagonisten kommen dabei zwar zunächst auch nicht über gängige Klischees hinweg, überraschen am Ende dann aber doch.
Zumal die Figur von Burnish derart überkarikiert ist, dass sie mit ihren politisch vollkommen inkorrekten Witzen für die größten Lacher bei den erwachsenen Zuschauern sorgt. So zum Beispiel, wenn er auf süffisante Weise über die Whoooop-Schlangen sinniert – und über das, was man aus ihnen machen könnte. Diese Whooop-Schlangen sorgen übrigens für den coolsten Running-Gag des Films.
Das Abenteuer der drei Freunde und ihrem plüschigen Freund nimmt während des Trips zum großen Berg unterdessen nicht nur rasante Formen an, die für einige wirklich spektakuläre Actionszenen sorgen. Nein, es wird auch noch mit wunderbaren Bildern unterstützt. Verliebt bis ins letzte Detail werden chinesische Eigenheiten (man beachte nur die Vielzahl an Details in der Wohnung oder der großen Stadt) porträtiert und um fantastische Aufnahmen der Landschaft oder Bauwerke ergänzt. Sattsehen kann man sich an Everest deshalb gar nicht genug.
Bild- und Tonqualität
Ein animierter Film ist ein animierter Film. Man muss im Mastering schon ziemlich daneben langen, um in solchen Fällen das Bild zu verhauen. Hin und wieder gibt es mal am Rechner entstandene Animationsfilme, die gewisse Unruhen zeigen. Ab und an sind sogar Artefakte auszumachen. Doch für Everest gilt das alles nicht. Gab es zuletzt hier und da noch leichte Unruhen auf animierten felligen Gesellen (siehe BD und UHD zu Jungle Book), so ist und bleibt hier alles an seinem Platz. Man muss schon sehr genau hinschauen, um im Gesicht des Yeti auf den feinen hellgrauen Härchen noch dezentes Wuseln wahrnehmen zu können. Beispielsweise passiert das in einer kurzen Szene, während seine Haare im Wind wehen (66’10). Vogelperspektiven von dichten Wäldern und Baumkronen, die sich sanft im Wind wiegen, bleiben indes absolut ruhig. Doch die Laufruhe ist nur eine Sache. Viel auffälliger sind die prächtigen Farben und die satten Kontraste. Mit einem wirklich tollen Schwarzwert werden Yis Haare wiedergegeben und die nächtlichen Aufnahmen der Großstadt leuchten in ihrer Farbkraft um die Wette. Gleichzeitig ist der Schnee prächtig weiß und viele glitzernde Elemente leuchten aus ihm heraus. Absolutes Highlight aber sind die blauen Augen von Everest, in denen man sich fast verlieren kann – wunderprächtig!
Wie es mittlerweile bei fast allen Universal-Neuveröffentlichungen ist, so bietet auch Everest – Ein Yeti will hoch hinaus Dolby-Atmos-Spuren für beide Sprachen – und das sogar für die 3D-Blu-ray.
Auf der regulären Ebene lässt sich hier bereits kaum etwas kritteln. Die Surround-Aktivität während der reichlich vorhandenen Actionszenen ist ebenso ausgeprägt wie gelungen. Von coolen Rotor-Geräuschen der Hubschrauber über perfekt ortbare schwere Fahrzeuge bis hin zur ausgewogen eingebetteten Filmmusik und den sauber verständlichen Stimmen ist hier alles an seinem Platz.
Ziemlich dynamisch gerät zum Beispiel der Song nach 54’30, zu dem Jin die wilden Gefahren des Dschungels erleben darf. Aber auch die Schlittenfahrt im Boot über die Felder ist ein echtes Highlight.
Lediglich der Bass dürfte hin und wieder etwas intensiver sein. So zum Beispiel bei der Lighshow nach gut 27 Minuten, die etwas schwachbrüstig erscheint. Am heftigsten geht’s hier noch nach einer Stunde zu, wenn das Quartett im Schiff auf der Blätterwelle surft. Auch die Lawine geht im späteren Verlauf satt zu Boden.
Hören wir in die 3D-Soundebene hinein, so beginnt diese mit dezent splitterndem Glas beim Ausbruch von Everest. Kurz darauf gibt’s vorbeisausende Autos oder den Müll, der aus der Tonne fällt (5’58). Natürlich werden die Hubschrauber passend vertont – und zwar mit dedizierten 7.1.4-Signalen, die kreuz und quer über alle vier Heights wandern (11’20 und 24’22). Die fliegenden Blaubeeren dürften allerdings noch mehr und deutlichere Flitzgeräusche haben – immerhin sausen sie wie Kanonenkugeln durch die Luft. Hören tut man das zwar, aber eben nur ein bisschen (36’27). Das Gleiche gilt für die Drohnen nach gut 44 Minuten, die man gleich gar nicht von den Höhen-Speakern hört. Dafür rauscht kurz zuvor der LKW so voluminös über die Kamera, dass man fast erschrickt – der mit Abstand dynamischste 3D-Soundeffekt bis zu diesem Zeitpunkt (42’19). Auch die Staubwolke bei der Bremsung in der Wüste macht Spaß (47’54) und die Stiere, die über die Kamera rennen und trampeln ebenso (58’57). Das sich ankündigende Donnerwetter kurz vor dem Finale setzt dann noch mal eine echte Duftmarke in Sachen 3D-Sound (ab 73’10).
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial Everest – Ein Yeti will hoch hinaus finden sich neben unveröffentlichten Szenen noch einige Featurettes. So schauen wir den Originalsprechern bei der Arbeit im Studio zu, bekommen eine Yeti-Pflegeanleitung (die sich eher auf „normale“ Haustiere bezieht) und eine von Sprecherin Chloe Bennet geführte Tour durch die wichtigsten Sets des Films. Neben ein paar weiteren Featurettes gibt’s noch den Kurzfilm „Marooned“ von Dreamworks sowie den Audiokommentar von sieben an der Produktion beteiligten Damen und Herren – inklusive Regisseurin Jill Culton.
Fazit
Everest – Ein Yeti will hoch hinaus ist durchweg unterhaltsames Familien-Entertainment mit toll animierten Bildern und fantastischen Schauplätzen. Die Hauptfigur Yi überzeugt, der chinesische Hintergrund gerät allerdings ein bisschen zu kurz.
Visuell ist das Bild der Blu-ray ein Augenschmaus, der Ton hält gut mit und liefert einige nette 3D-Signale.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 100%
Tonqualität UHD 2D-Soundebene (deutsche Fassung): 80%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Quantität (deutsche Fassung): 60%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Qualität (deutsche Fassung): 80%
Tonqualität UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 60%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 60%
Film: 70%
Anbieter: Universal Pictures Germany
Land/Jahr: USA/China 2019
Regie: Jill Culton, Todd Wilderman
Sprecher: Bodo Wolf, Narianne Groß, Moritz Hübscher, Nilam Farooq, Julien Bam, Nikita Steinert
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 97
Codec: AVC
FSK: 6
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Universal Pictures Germany)