Blu-ray Review
OT: Youth
A Simple Song
Zwei alte Freunde zelebrieren ihren Urlaub in einem Luxushotel, werden aber auch mit schmerzhaften Momenten aus der Vergangenheit und Gegenwart konfrontiert.
Inhalt
Komponist und Dirigent Fred Ballinger, gerne auch Maestro genannt, hat sich in ein Schweizer Nobelhotel zurückgezogen. Einerseits, um ein bisschen Abstand von seinem Schaffen zu bekommen, andererseits, um dort mit Regisseur Mick (seit fünf Jahrzehnten die besten Freunde) ein paar Tage gemeinsamen Urlaubs zu verbringen. Zur gleichen Zeit versucht sich ein Entsandter der Queen daran, Fred für eine letzte Aufführung seines berühmten Stücks in London zu überreden – erfolglos. Als Freds Tochter Lena von ihrem Mann (dem Sohn Micks) für eine Popsängerin verlassen wird, gesellen sich innerfamiliäre Dynamiken zwischen Vater und Tocher hinzu. Und dann sind da auch noch der junge Schauspieler Jimmy Tree, den alle nur aufgrund einer einzigen Rolle kennen sowie die Hotelmasseurin, die von einem Leben als Tänzerin träumt …
Wenn das Sprichwort „Mehr oder weniger“ mehr Bedeutung hat als sonst – Paolo Sorrentino (Die große Schönheit) hat das große Glück, zwei Hauptdarsteller engagiert zu haben, bei denen es nicht mal im Ansatz albern ist, wenn diese exakt dieses Sprichwort nutzen, um ihren Ertrag beim täglichen Pinkeln zu beschreiben. Ewige Jugend ist so ein Film, der für die Best-Ager geschrieben und umgesetzt wurde, sein Publikum aber auch (vielleicht sogar vor allem) bei der jüngeren und augeschlossenen Generation finden kann. Denn das mit surrealen Bildern (die nicht selten an italienische Regielegenden erinnern) angereicherte Filmkunstwerk ist ebenso visuell eigenwillig, wie es inhaltlich locker inszeniert ist. Von (alters)weisen und vor Sarkasmus strotzenden Dialogen getragen, wird Ewige Jugend von großartigen Szenen flankiert, in denen ein in sich ruhender Sir Michael Caine ein Naturkonzert mit Kuhglocken, Vogelgezwitscher und Baumkronenrascheln anstimmt oder Sorrentino zwei E-Rollstuhl-Fahrer auf dem Hotelflur ineinander fahren und auf Schwizerdütsch fluchen lässt. Dabei erzählt der italienische Regisseur auch von schmerzhaften Momenten des Alterns, davon, dass Fred für seine Karriere die Familie vernachlässigt hat und seine Tochter deshalb noch heute Schmerzen hat. Und davon, dass Mick nicht mitbekommen hat, dass sich die Filmwelt verändert hat, dass die großen Dinge mittlerweile vom TV produziert werden. Und dennoch, bei durchaus vorhandener Dramatik und der damit verbundenen erzählerischen Tiefe, gibt es diese vom ironischen Humor Freds durchzogenen Momente. Vor allem in den Szenen, in denen er seinen Freund Mick immer wieder mit Späßen aufzieht oder hereinlegt. Oft sind die Dialoge in meditative Bilder und Szenen eingebettet und noch öfter fragt man sich, was einige Sequenzen überhaupt sollen. Wenn beispielswese ein furchtbar dicker und kurzatmiger Südamerikaner (der offensichtlich einen berühmten argentinischen Fußballer darstellten soll) mit einem Tennisball „Hochhalten“ spielt, dann erschließt sich so etwas nicht sofort, sondern nur im Zusammenhang des Gesamtkunstwerks Ewige Jugend. Als Bindeglied zwischen älterer und junger Generation, zwischen surrealen Momenten und verankerter Realität dient Paul Dano (Little Miss Sunshine), der als auf eine Rolle als berühmter Roboter Mr. Q reduzierter (und darüber frustrierter) Schauspieler Jimmy Tree erneut eine großartige Vorstellung abliefert. Der 32-jährige scheint einfach alles spielen zu können, ohne je Schiffbruch zu erleiden – ein ganz Großer seiner Generation. Zu all den großartigen Aspekten gesellt sich ein geradezu grandioser Soundtrack, getragen von Songs von Godspeed You! Black Emperor, Mark Kozelek oder Bill Callahan, die exakt den melancholischen Tenor des Films widerspiegeln.Bleibt nach der Sichtung dieses großartigen Films nur eine Frage: Wo ist dieses Hotelressort, denn da möchte man sofort hin und Wellness-Urlaub machen.
Bild- und Tonqualität
Knackscharf in den Nahaufnahmen präsentiert sich das Bild von Ewige Jugend, das ebenso von seiner grandiosen Naturkulisse lebt. Mit absolut natürlichen Farben, die zu keiner Zeit übertreiben, gelingen wirklich beeindruckend Postkarten-Aufnahmen. Die Bildruhe ist selbst vor unruhigen Hintergründen sehr gut (Blumenwiese 22’00). Hin und wieder sind Kontrastverläufe auf Gesichtern nicht ganz homogen und bewirken eine etwas unnatürliche Gesichtsdarstellung.
Der dts-HD-Master-Ton beginnt wunderbar räumlich und präsentiert den Eröffnungssong der Live-Band mit einem exakten Nachhall, der für eine solch offene Location realistisch ist. Auch die Naturkulisse im Park kommt authentisch und wenn über Fred das Wasser zusammenschappt, wird’s richtig dynamisch (8’00). Ähnlich kräftig wird’s auch, wenn die Masseurin Gymnastik vor virtueller Animation betreibt (38’50), Freds Kuh-Konzert über den Zuschauer hereinbricht oder Faith‘ Musikvideo auf der Mattscheibe flimmert. Hin und wieder sind diese Sequenzen im Verhältnis zu den Dialogen etwas zu laut geraten.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Ewige Jugend gibt’s zum einen ein viertelstündiges Making-of, das teils die Interviewkommentare von Regisseur Sorrentino enthält, die er auch im ebenfalls enthaltenen isolierten Interview preisgibt. Allerdings hält das Making-of auch Material von den Dreharbeiten oder den Spezialeffekten bereit.
Fazit
Ewige Jugend ist ein von meditativen Bildern und surrealer Note begleitetes Filmkunstwerk, das mit grandiosen Darstellern und brillanten Dialogen jeden verzückt, der ein Herz für Arthouse-Kino hat – viel besser kann Kino kaum sein.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 30%
Film: 90%
Anbieter: Senator Film
Land/Jahr: It/F/CH/GB 2015
Regie: Paolo Sorrentino
Darsteller: Sir Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Paul Dano, Jane Fonda, Mark Kozelek, Robert Seethaler
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 124
Codec: AVC
FSK: 12