Blu-ray Review
OT: –
Der größte Stecher von Wuppertal
Ohne finanzielle Förderung entstandener kontroverser Aufregerfilm von Jan Henrik Stahlberg.
Inhalt
Weil Thorben gerade eine Frau im Supermarkt vergewaltigt hat (oder es zumindest versucht hat), findet er sich in der geschlossenen Abteilung wieder. Das findet er irgendwie kacke und die Therapeutinnen sind ohnehin alle Fotzen. Also türmt er bei nächstbester Gelegenheit und schafft sich etappenweise nach Berlin. Etappenweise deshalb, weil er seinen weiblichen Fahrern oder Mitfahrern während des Trampens permanent anzüglich und verachtend gegenüber auftritt. Sein Ziel ist Rocky. Den hält er für seinen Vater. Der 50-jährige mit Hinterkopf-Glatze war mal ein großer Stecher und hat die Frauen reihenweise flachgelegt – kein Wunder also, dass er sich an einen etwaigen Sohn namens Thorsten … ähm Thorben nicht erinnern kann. Der jedenfalls bleibt hartnäckig und campiert vor Rockys Wohnung. Als er dann doch endlich reinkommt, ist der frisch gebackene Vater erst einmal geschockt über die Story mit der Vergewaltigung. Aber weil Thorsten … ähm Thorben irgendwie bemitleidenswert ist und die direkte Art irgendwie entwaffnend, verzeiht er ihm sogar eine Handgreiflichkeit. Er nimmt die Herausforderung an, seinem Möglicherweise-Sohn beizubringen, wie man junge Frauen wirklich anmacht. Doch die ungleiche Paarung aus asozialem Sohn und abgehalftertem Ex-Frauenheld benimmt sich dermaßen daneben, dass es für beide keine Hoffnung gibt …
Freunde politischer Korrektheit sollten jetzt schnell ein anderes Review lesen. Denn Jan Henrik Stahlbergs jüngster Film nach „Muxmäuschenstill“ oder „Bye Bye Berlusconi“ feiert das Machotum und den von sich selbst überzeugten Stecher. Wer sich Fikkefuchs anschaut und nach geschlechtlicher Gleichberechtigung oder gar Feminismus sucht, wird sich und seine aufkeimende Wut mal so richtig abarbeiten können. Wenn man so will, ist der Film über die verunsicherten Männer der Gegenwart so etwas wie der Gegen-Entwurf zur #MeToo-Debatte.
Dabei sollte man allerdings nicht den Fehler machen, Stahlbergs Satire mit prolligen Comedys wie New Kids Turbo zu verwechseln.
Denn Fikkefuchs baut das Bild männlichen (Balz)Verhaltens möglichst kontrovers auf, um es auseinander zu nehmen und in Scherben zurück zu lassen. Allerdings – und hier ist das große Problem: Wer die beiden Hauptfiguren (und ein paar ebenso wirrköpfige Nebencharaktere) nicht als das erkennt, was sie sind – nämlich sexistische Arschlöcher – der könnte Gefahr laufen, sich an ihnen ein Beispiel zu nehmen oder zumindest ihr Verhalten irgendwie nachvollziehen zu können. Die Männer sind in der Krise – das ist im Übrigen auch das Themen-Spezial der Podiumsdiskussion im Bonusmaterial, bei der Drehbuchautor Wolfram Fleischhauer zugegen ist. Der gibt allerdings zu Protokoll, dass die Geschichte schon deutlich vor Harvey Weinstein auf den Weg gebracht wurde und nicht als zeitpolitische Antwort auf #MeToo gelten kann. Für ihn geht es darum, für Männer einen Raum zu schaffen, in denen sie über ihre Männlichkeitsprobleme reden können.
Es ist allerdings ein schmaler Grad, auf dem Fikkefuchs damit wandelt. Während man sicherlich erkennen kann, dass die Figuren überzeichnet sind und ihnen zugestehen mag, dass sie ihre Probleme (bspw. auch den Prostatakrebs Rockys) nicht kommunizieren können, gibt der Inhalt leider oft auch der anderen (nämlich der weiblichen) Seite die Schuld. Was schwingt die Dame in der Sauna ihre Beine auch geöffnet von der Holzbank, sodass man alles sehen kann? Selbst schuld, dass man ihresgleichen dann so begegnet, oder?
Wie gesagt: Es ist ein schmaler Grad. Wo Stahlberg als Darsteller des Rocky vom ersten Moment klar macht, dass er ein bemitleidenswerter Sexist ist, dessen Sprüche zum Fremdschämen sind, da nutzt der Film leider zu deutlich entsprechend pornografische Inhalte und trägt mit seiner semidokumentarischen Filmweise noch dazu bei, seine Geschichte möglichst realistisch wirken zu lassen. Das wirkt bisweilen wie eine bewusste Provokation ohne sich über die Konsequenzen bewusst gewesen zu sein. Manchmal funktioniert das sogar ganz gut, wie bei der Ansage Rockys an seinen Arbeitskollegen eine Einladung zum Siedler-von-Catan-Abend betreffend oder bei seinem Kommentar zum Sitzpinkeln. Dann wiederum vergreift sich der Film des Öfteren im Ton. Beispielsweise, wenn er sich auch noch Unflätigkeit gegenüber dem Holocaust-Mahnmal erlaubt oder eine Saufnacht der beiden Protagonisten dermaßen eskalieren lässt, dass sich Rocky in seiner eigenen Scheiße wiederfindet. Da diese Szene am Ende redundant bleibt und nicht weiter kommentiert wird, erweckt es den Eindruck bewusster Kalkulation. Und das nicht mal konsequent, da das Bild plötzlich schwarz wird – als möchte man dem Zuschauer dann doch nicht alles zumuten.
Einst ist sicher klar: Die beiden Hauptfiguren sind widerwärtig. Männer, die man niemandem wünscht – nicht mal seinem schlimmsten Feind als Kumpel. Und schon gar nicht einer Frau in einer Diskothek, wenn sie mit fünf Bier zu viel intus den schäbigsten Anmachspruch über die Lippen bringen.
Um als entlarvende Satire gelten zu können, reichen die ersten 20 Minuten von Fikkefuchs vollkommen aus. Danach verschwimmen leider die Grenzen und die beiden Herren suhlen sich in Selbstmitleid. Selbstmitleid, das solchen gesellschaftlichen Subjekten wie Thorben und Rocky weder zugestanden werden sollte, noch beim Zuschauer für Mitgefühl sorgt. In der Schule würde man deshalb sagen: Am Thema vorbei.
Fleischhauer resümiert im Inteview den Inhalt seines Drehbuchs auf das Thema Angst: Die Frauen haben (zurecht) Angst vor den Männern und die Männer haben (ebenfalls zurecht) Angst vor sich selbst. Was der Drehbuchautor dabei übersieht, ist die Fähigkeit und der Wille zur Selbstreflexion. Und was am Ende vor allem verloren geht, ist die Tatsache, dass es durchaus noch möglich ist, ein ganz normales Verhältnis zwischen Mann und Frau zu erreichen, ohne dass der Schwanzträger seine Männlichkeit in Gefahr sehen muss und ohne dass die Dame gleich nach #MeeToo schreit. Zurück bleibt man deshalb als Zuschauer trotz einiger gelungener satirischer Ansätze eher angewidert als im Inneren berührt. Ganz besonders schade ist es, dass man als Mann nach dem „Genuss“ des Films keine Lust verspürt, auf die Rolle zu gehen und vielleicht eine nette Frau kennen zu lernen. Aufgrund der fehlenden Grauschichten und des Mangels an Antworten in Fikkefuchs will MANN sich natürlich nicht am Ende auch so bescheuert verhalten wie Thorben und Rocky, fürchtet aber, genauso wahrgenommen zu werden. Und dieser Effekt hilft nun wirklich nicht dabei, die scheinbare Kluft zwischen Mann und Frau zu schließen.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Fikkefuchs ist während der mit hochwertigen Kameras gefilmten Szenen zwar zu hell und relativ kontrastarm, was aber vermutlich daran liegt, dass hier aufgrund des Budgets nur minimal nachbearbeitet wurde. Es ist dafür schön ruhig und recht rauscharm. Wenn Thorben sich selbst filmt, kommen zum Teil Handy-Kameras zum Einsatz, die qualitativ schwächer sind, um den semidokumentarischen Anstrich zu verdeutlichen. Bewegungen verwischen, die Schärfe ist unterdurchschnittlich und Farben schwach ausgeprägt. Zum Film passt das, technisch schön ist’s nicht.
Akustisch bleibt Fikkefuchs eher unauffällig. Die Stimmen bleiben auf dem Center, viel Umgebungsgeräusche gibt’s nicht und thematisch bedingt ist auf den Rears nicht viel los. Dann wird es plötzlich druckvoll, wenn beide in das Berliner Nachtleben eintauchen (48’30). Die Beats wummern und der Sub dringt tief in die Magengrube ein.
Bonusmaterial
Ein kurzes Making-of sowie 16 Minuten an deleted Scenes warten neben einer 40-minütigen Podiumsdiskussion des Vice-Film-Clubs vom November 2017 im Bonusmaterial von Fikkefuchs. Letztere liefert einige Interpretationspunkte für den Film. Bewundernswert ist hier durchaus, dass man dieses Zehn-Augen-Gespräch auf der Disk integrierte – immerhin geht’s hier dem Film gegenüber nicht nur wohlwollend zu.
Fazit
Zwei sexistische Unsympathen walzen sich durch Berlin und lassen den Zuschauer angewidert und ziemlich verwirrt zurück. Was hat man da gerade gesehen, in Fikkefuchs? Ist das ein sinnvoller Beitrag zur Sexismus-Debatte oder nur eine selbstmitleidige Ausrede für die Verunsicherung des Mannes in der heutigen Gesellschaft? Wer die Antwort gerne herausfinden möchte, dem sei Fikkefuchs empfohlen. Allerdings mit der eindringlichen Warnung vor einer Kumulation teils überflüssiger Provokationen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Bonusmaterial: 60%
Film: 40%
Anbieter: Alamode Film
Land/Jahr: Deutschland 2017
Regie:Jan Henrik Stahlberg
Darsteller: Jan Henrik Stahlberg, Franz Rogowski, Thomas Bading, Susanne Bredehöft, Jan Pohl, Hans-Ulrich Laux, Roald Schramm, Saralisa Volm
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 104
Codec: AVC
FSK: 16
Trailer zu Fikkefuchs
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
Die technische Expertise ist aber lediglich eine Seite der Medaille. Um stets auf der Basis von aktuellem technischen Wiedergabegerät zu bleiben, wird das Testequipment regelmäßig auf dem aktuellen Stand gehalten – sowohl in puncto Hardware (also der Neuanschaffung von TV-Displays, Playern oder ähnlichem, wenn es der technische Fortschritt verlangt) als auch in puncto Firmware-Updates. Dazu werden die Tests stets im komplett verdunkelbaren, dedizierten Heimkino angefertigt. Den Aufbau des Heimkinos könnt ihr hier nachlesen —> Klick.
Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:
- Mainspeaker: 2 x Canton Reference 5.2 DC
- Center: Canton Vento 858.2
- Surroundspeaker: 2 x Canton Vento 890.2 DC
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- AV-Receiver: Denon AVR-X4500H
- AV-Receiver: Pioneer SC-LX59
- Mini-DSP 2x4HD Boxed
Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.