Finch – Apple TV+

Apple TV+ Review

Apple TV+, 05.11.2021

OT: Finch

 


Teamwork ist der Schlüssel

Tom Hanks ist wieder einmal ganz alleine auf der Welt.

Inhalt

Finch Weinberg hat die Apokalypse überlebt, nur um jetzt einem schmerzhaften Krebstod ins Auge zu blicken. Ein gutes Jahrzehnt ist es her, dass eine Sonneneruption die Ozonschicht zerstört hat und die Erde nun zu einem unbewohnbaren Planeten mit Temperaturen kurz vor dem menschlichen Garpunkt gemacht hat. Der größte Teil der Bevölkerung ist tot. Finch jedoch war zum Zeitpunkt des Ereignisses unter der Erde. Der Robotikingenieur schlägt sich seitdem mit seinem Hund Goodyear durch und trägt einen Schutzanzug, wenn er sich an die Oberfläche begibt. Die massive Strahlung ist es, die seinem Gesundheitszustand mehr und mehr zu schaffen macht. Finch weiß, dass er es nicht mehr lange machen wird. Aus diesem Grund baut er sich aus allem, was er finden kann, einen Roboter mit künstlicher Intelligenz zusammen. Wenn er selbst nicht mehr sein sollte, muss sich ja jemand um Goodyear kümmern. Dumm allerdings, dass schwere Stürme und Unwetter aufziehen und Finch mitsamt seinen beiden Gefährten zum Aufbruch zwingen. Dumm deshalb, weil Jeffs Datenupload erst zu Dreiviertel vollendet ist und sein Intellekt noch auf dem eines Kindes ist. Um ihm dennoch alles Notwendige beizubringen, bricht Finch mit ihm auf einen Roadtrip auf. Eine gemeinsame Reise, an deren Ende aus Jeff ein verantwortungsvoller Beschützer für Goodyear werden soll …

Knapp anderthalb Jahre ist es her, dass Apple TV+ für gute 70 Mio. Dollar die Auswertungsrechte am Kriegsfilm Greyhound mit Tom Hanks von Sony Pictures erworben und den Film weltweit auf der Streaming-Plattform veröffentlicht hatte. Damals brach es Hanks noch das Herz, dass der Film (coronabedingt) nicht im Kino zu sehen war. Ob das auch für Finch gilt, der bereits 2019 abgedreht worden war und ursprünglich von Universal Pictures unter dem Titel BIOS in die Kinos kommen sollte, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass Apple auch hier ziemlich tief in die Tasche gegriffen hat, um sich die Erstverwertungsrechte zu sichern. Universal, so sagt man, habe immer noch die Rechte für eine mögliche Heimvideo-Auswertung – was abzuwarten bleibt.
Regisseur von Finch ist Miguel Sapochnik, der zwar spielfilmunerfahren ist, aber für gleich zwei Game-of-Thrones-Folgen einen Emmy einheimsen konnte.
Für seine zweite Langfilmregie (nach Repo Men) hat er sich ein Endzeit-Szenario vorgeknöpft, das visuell und inhaltlich wie eine Mischung aus Nr. 5 lebt, I am Legend und Cast Away wirkt. Zwar spricht Tom Hanks hier nicht mit einem Volleyball namens Wilson, sondern mit einem selbstgebauten Androiden namens Jeff, doch die Idee aus Einsamkeit und Gesellschaft ist so anders nicht.

Visuell hat Sapochnik das mit seinem belgischen Kameramann Jo Willems fast ausnahmslos in verschiedenen Gegenden New Mexicos umgesetzt und durchaus beeindruckend bebildert – sieht man von ein paar wenig gelungenen CGIs ab. Aber gerade die sich aufbauenden Unwetter überzeugen und wirken ernsthaft bedrohlich.
Inszenatorisch teilt sich Finch in zwei Hälften. Beginnend mit dem Szenario im Bunker und der Fertigstellung von Roboter Jeff wechselt es nach einer halben Stunde und verwandelt sich in ein Roadmovie. Dabei wird stets die menschliche Komponente betont, auch wenn Sapochnik die asimov’sche Triade noch um eine vierte Regel (in Finchs Abwesenheit muss Roboter Wohlergehen von Hund schützen) ergänzt und damit ein kleines Augenzwinkern in Richtung Robotik entsendet. Dennoch: Hier geht’s nicht um die psychologischen Ergründung der Menschwerdung eines Roboters, sondern um Gesellschaft in einer Zeit der Einsamkeit; um die Vorsorge, einen Beschützer für einen guten Gefährten zu bekommen und um die Freundschaft zwischen Mann, Roboter und Hund.

Das ist grundsätzlich weder sonderlich tiefgründig, noch kompliziert, aber das muss es ja auch nicht zwingend, wenn das Herz am rechten Fleck sitzt. Und das ist bei Finch durchaus der Fall.
Klar, man muss über stereotype Plattitüden wie Roboter-Slapstick und Jeffs tollpatschige Versuche, in der Welt der Menschen zurecht zu kommen, hinwegsehen können. Man sollte auch nicht die Logik hinter (bspw.) der Energieversorgung suchen oder ein Problem damit haben, dass der Roboter allzu schnell ziemlich menschliche Eigenschaften entwickelt. Außerdem muss man Freund und Fan von Tom Hanks‘ immer gleicher Art des gutmütigen Allerweltstypen sein. Ist das aber der Fall, unterhält Finch wirklich gut. Gerade der Roadmovie-Aspekt erzeugt eine warmherzige Freundschaftsatmosphäre, die von Hanks souverän geschultert wird und der Witz ist an vielen Stellen schon wirklich charmant. Egal, ob man das aus zahlreichen Mensch-Android-Filmen/Serien (bspw. Star Trek: Next Generation) schon kennt. Es muss ja nicht immer der Gipfel der Originalität sein, wenn es grundsätzlich kurzweilig, unterhaltsam und bisweilen sogar durchaus spannend ist. Und wessen Herz nicht aus Stein ist, der ist bei den zaghaften Annäherungsversuchen Jeffs an Goodyear nicht nur einmal berührt. Nicht hoch genug zu bewerten ist übrigens die Leistung von Caleb Landry Jones (Outpost, Three Billboards Outside Ebbing, Missourie), der Jeff nicht nur die Stimme, sondern im Motion-Capturing-Verfahren auch sämtliche Bewegungen lieh. Und das erst macht den Roboter zu einem nach und nach so menschlich wirkenden Wesen.

Bild- und Tonqualität

Leider war nicht herauszubekommen, mit welchen Kameras Finch gedreht wurde. Dass es sich um eine 4K-Produktion handelt, sollte aber unzweifelhaft sein. Denn was der Film in Close-ups an Schärfe und Auflösung zeigt, ist sensationell gut. Jeden noch so kleinen Schweißtropfen auf Hanks‘ Stirn kann man ausmachen und jedes bisschen an Unebenheiten, Kratzern oder Dellen auf Jeffs orangefarbenem Kopf. Dazu ist die Bildruhe derart gut, dass man fast fürchtet, hier könnte gefiltert sein. Denn selbst die allerbesten Digitalkameras rauschen wenigstens ein bisschen. Hier aber sieht man nicht ein bisschen davon. Dazu gesellen sich Kontraste, die von dem Dolby-Vision-Stream noch unterstützt werden und prächtige Farben zeigen (wo Farben sind), während die größtenteils sandbraune Umgebung authentisch erfasst wird. Der Schwarzwert ist hervorragend und Highlights wie Reflexionen auf Jeffs Metall-Körper kommen schön dynamisch zum Auge. Man muss schon ganz penibel suchen, um kleinere Fehler zu finden und stößt dann auf kleinere Problemchen und Unruhen, die in der Bewegung unschön auffallen (Gitterstruktur des Pflugs? bei 30’57). Für einen Stream ist das aber wirklich ein ganz hervorragendes Bild, über das es praktisch nichts zu meckern gibt. Denn selbst die schwierigen diesigen Momente vor Sandstürmen werden ohne jede Neigung zu Banding wiedergegeben.

Apple TV+ zieht den anderen Streamern nach wie vor oft die lange Nase. Denn wo es bei Netflix & Co. oft nur den O-Ton in Dolby Atmos gibt, kommt die Firma mit dem Apfel im Logo gerne mit 3D-Sound-Tonspur für beide Sprachen. Zwar vergibt das Sounddesign die erste Chance, diese zu nutzen, wenn Finch durch den Sandsturm läuft, dafür hört man kurz darauf im Inneren seines Helms Atemgeräusche und im Anschluss direkt Geräusche von oberhalb der Decke. Außerdem gibt’s durchaus satte Bassgewalt, wenn unser Protagonist nach etwas über fünf Minuten in seinem fetten Komatsu-Laster durch die Ruinen fährt und vor einem weiteren Sandsturm flieht. Hier hört man dann auch das fetzige Geräusch des Sturms auf den Heights, während der Score ebenfalls von oben erklingt. Ist Finch einmal in seinem sicheren Bunker angekommen, konzentriert sich das Geschehen gut eine halbe Stunde lang vornehmlich auf die Dialoge zwischen ihm und Jeff, was nur selten durch kurze Momente von soundlastigen Effekten unterbrochen wird – bspw. während der Geräusche der Schraube bei 20’28 oder ein paar Minuten später, wenn Jeffs schwere Schritte eine Etage höher zu hören sind. Beim großen Sturm nach 38 Minuten klingen die heran nahenden Windgeräusche etwas komprimiert – wer ein 128 kbps-mp3-file am Klang erkennt, wird auch das hören. Besser sind dann die Wirbelsounds bei 39’50, die Komprimierungssartefakte vermeiden. Richtig prägnant gelingen dann die mehrfachen Polter- und Glasflaschen-Geräusche nach etwas über 61 Minuten sowie die kurz darauf zu hörenden Fahrgeräusche des Campers – selbst wenn Letztere teils auf Ebene der Kamera und damit nicht oberhalb der Szenerie stattfinden. Gleichzeitig bleibt die reguläre Ebene stets ausgewogen und dynamisch. Surroundeffekte sind klasse, der Tiefbass hat immer wieder zu tun und wenn Jeff und Finch im Wohnmobil nach vierzig Minuten vor einem kurzen Sturm in Deckung gehen, zieht man als Zuschauer durchaus mal den Kopf ein.

Fazit

Finch funktioniert dank Tom Hanks‘ Charme, einem glaubwürdigen Szenario und der guten Chemie zwischen Mensch, Roboter und Hund. Dass die Hauptfigur keinerlei Tiefe hat, die Story dünn wie Papier ist und Originalität auch nicht im Skript stand, mag den einen stören, während der andere sich von der flotten Inszenierung, den Gags und der tollen Musik mitreißen lässt. Apple TV+ liefert dazu ein wirklich hervorragendes Bild und einen sehr dynamischen und effektvollen Ton.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 90%

Tonqualität 2D-Soundebene (dt. Fassung): 80%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (dt. Fassung): 30%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (dt. Fassung): 70%

Tonqualität 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 30%
Tonqualität 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 70%

Film: 70%

Anbieter: Apple TV+
Land/Jahr: USA/GB 2021
Regie: Miguel Sapochnik
Darsteller: Tom Hanks, Caleb Landry Jones, Oscar Avila, Lora Martinez-Cunningham
Tonformate: Dolby Atmos: de, en
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 118
Real 4K: Ja
Datenrate: Variabel
Altersfreigabe: 12

(Copyright der Cover und Szenenbilder: Sony Pictures Entertainment / Apple TV+)

Trailer zu Finch

Finch – Offizieller Trailer | Apple TV+


So testet Blu-ray-rezensionen.net

Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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Dort findet ihr auch das aktuelle Referenz-Gerät für die Bewertung der Tonqualität, das aus folgenden Geräten besteht:

Das Referenz-Equipment fürs Bild findet ihr wiederum hier aufgelistet. Dort steht auch, wie die Bildgeräte auf Norm kalibriert wurden. Denn selbstverständlich finden die Bildbewertungen ausschließlich mit möglichst perfekt kalibriertem Gerät statt, um den Eindruck nicht durch falsche Farbtemperaturen, -intensitäten oder irrigerweise aktivierten Bild“verbesserern“ zu verfälschen.

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3 Kommentare
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Rüdiger Petersen

Daran sieht man das auch 4k im Stream gut aussehen kann. Diese Rezension liest sich wirklich vorzüglich.

ondy

Ein toller film der wirklich gute momente hat. Er wer an mir vorbeigezogen wenn ich hier nicht davon gelesen hätte. Am ende sollte mutti sich taschentücher bereit legen. Ich hoffe es wird ein 2. Teil kommen. Ach ja, sound hat mir sehr gut gefallen und das bild war gut bis sehr gut. Mag streams nicht aber hier gibt es nichts auszusetzen.

Dennis

Fand ich klasse den Film.