Blu-ray Review
OT: First House on the Hill
Ein Quartett spielt Tarot
Visuell beeindruckende Referenz an den Giallo.
Inhalt
Valerie ist nicht nur ziemlich schüchtern, sondern vor allem ziemlich christlich erzogen worden. Vom örtlichen Pfarrer nimmt sie gerne die typischen “Obacht-vor-dem-Bösen”-Ratschläge an und ist deshalb eigentlich nicht ganz die Richtige, um mit drei von ihren Freunden Tera, Henrick und Samuel ein ausgelassenes Party-Wochenende in einem r einsamen Haus auf den Hügel vor der Stadt zu feiern. Dennoch tut sie es und ignoriert auch erst Mal, dass es ihr auf der Fahrt ziemlich übel wird. Die ältere Dame, die dem Quartett die Schlüssel zum etwas heruntergekommenen Anwesen gibt, ist zwar höflich, aber ziemlich exzentrisch. Doch auch diesen Hinweise auf Merkwürdigkeit übergehen die vier Freunde. Erst als sie im oberen Stockwerk eine Leiche entdecken, regt sich Unbehagen. Aus irgendeinem Grund beschließt man, bis zum nächsten Morgen zu warten und nutzt die Zeit, mit herumliegenden Tarot-Karten zu spielen. Das stellt sich als die schlechteste Idee der Vier heraus, denn sie beschwören damit dunkle Mächte herauf …
Der “Giallo” (eigentlich schlicht mit “Gelb” zu übersetzen) ist eben jene Filmgattung, die ab den 1960ern von italienischen Regisseuren wie Mario Bava oder Dario Argento begründet wurde und in der Gewalt und Sex auf eine bewusst stilisierte, sehr artifizielle Art und Weise inszeniert wurden. Zwar hielt der Kult um das Subgenre nur ein knappes Jahrzehnt an, bevor die maßgeblichen Filmemacher sich in Einfallslosigkeit überboten, doch es gab immer wieder junge oder bekümmerte Regisseure, die auch 50 Jahre später noch ihren Beitrag abliefern wollten und gleichzeitig ihre Huldigung an die Vorbilder zu demonstrieren. So ähnlich ist es nun bei Matteo Saradini, einem 38-jährigen in Italien geborenen, aber aus Amerika operierenden Filmemacher. Der ist zwar hauptsächlich Cutter, hat aber diverse Kurzfilme selbst inszeniert und legt mit First House on the Hill seinen dritten Langfilm vor. Und der, ihr ahnt es, zelebriert den Giallo.
Schon von den ersten Sekunden an, wenn eine Frau sich in Zeitlupe auf einem Bett räkelt und man sie dabei in zartes Licht mit wenig Kontrasten taucht, atmet sein Film die Atmosphäre der Vorbilder. Im Hintergrund läuft die typisch-seichte, leicht elektronisch angehauchte Filmmusik, die auch Softerotik-Werke der 60er/70er begleitete und glaubt man Saradinis Aussagen, dann waren es vor allem Bavas Blutige Seide sowie Argentos Profondo Rosso, die ihn beim Entwickeln der Geschichte beeinflussten. Allerdings mixt der Italiener ein klassisch amerikanisches Horror-Element unter. Da er als Editor schon einige Zeit mit Blumhouse Productions arbeitete (Paranormal Activity, Insidious, Get Out) kam er auf die Idee, den Giallo mit dem Teenie-Horror-Slasher zu kombinieren.
Zunächst einmal lässt sich First House on the Hill gut eine halbe Stunde Zeit, bis die Damen und Herren am Haus angekommen sind und man das erste Mal davon sprechen kann, dass etwas passiert. Naja, also im Sinne von: man sieht ein bisschen bleiche Haut. Die Gespräche zwischen den vier Protagonisten sind allerdings nur wenig erquicklich und Spannung will sich hier nicht so recht aufbauen. Zudem sind zumindest die beiden männlichen Darsteller ziemlich unsympathisch und kommen schauspielerisch auch nicht über ein gewisses Mittelmaß hinaus. Valerie-Mimin Christine Scherer, die hier ihr Langfilmdebüt gibt, macht’s besser und wirkt wie eine verletzliche Unschuld mit Alanis-Morissette-Touch. Auch Chloe Farnworth überzeugt in der Rolle der lasziven Tera.
Wie es sich für einen vom Giallo beeinflussten Film gehört, so sind die Gewaltmomente überspitzt dargestellt. Das Blut ist roter als Rot und fließt dicker als Sirup. Und weil das trotz der Tatsache, dass es nicht allzu viele Gewaltmomente gibt, durchaus funktioniert, sei dem geneigten Giallo-Freund auch gesagt, dass die Kombination aus Optik und Musik ganz hervorragend funktioniert. Saradinis Bilder zeugen vom gewissenhaften Studium seiner Vorbilder. Er nutzt die typische Farbpalette und streut fiebrige, leicht halluzinatorische Sequenzen ein. Selbst eine “Intermission” integriert er nach etwa fünfzig Minuten und läutet damit die etwas spannendere letzte halbe Stunde ein. In der passieren dann endlich gruselige Dinge und man darf sich auch mal etwas fürchten. Dazu spielt die nach allen Regeln der Kunst auf Giallo getrimmte Musik von Carlo Poddighe geschickt auf der Klaviatur des Schreckens. Von dissonanten Streicher-Momenten über hektische Klaviertöne bis hin zum seichten Pop – hier passt alles perfekt zum Geschehen.
Bild- und Tonqualität
Da First House on the Hill hierzulande zunächst nur auf dem Filmfest laufen wird, gibt es keine Bewertung zur Bild- oder Tonqualität. Sollte zu späterer Zeit eine Blu-ray erscheinen, wird die entsprechende Bewertung nachgeholt.
Fazit
Wer das frische Futter für Freunde des italienschen Giallo-Subgenres anschauen möchte, der sollte sich Karten für das Obscura-Filmfestival in Hannover sichern, wo First House on the Hill (passenderweise) am Freitag, dem 13. April um 23.45h läuft. Er wird dann Zeuge eines visuell gerade ob des geringen Budgets beeindruckenden Films, der inhaltlich aber hätte spannender sein dürfen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: keine Bewertung möglich
Tonqualität (dt. Fassung): keine Bewertung möglich
Tonqualität (Originalversion): keine Bewertung möglich
Film: 60%
Anbieter: –
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Matteo Saradini
Darsteller: Christine Scherer, Helene Udy, Sonja Kinski, Chloe Farnworth, Lou Volpe, Paola Saulino, Kristian Messere, Umberto Celisano
Tonformate: –
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 83
Codec: AVC
FSK: –