Blu-ray Review
OT: First Purge
Gladiatoren oder Sklaven
Die Säuberung: Wie alles begann.
Inhalt
Amerika hat eine politische Umwälzung hinter sich. Die regierende Partei wurde von den New Founding Fathers of America (NFFA) abgelöst, nachdem die Wirtschaft auf Talkurs war und Unruhen immer mehr zunahmen. Finanziert von der NRA herrscht die NFFA mit quasi-diktatorischer Hand und sieht besorgt auf die wachsende Kriminalitätsrate. Um diese zu senken und für einen Reinigungseffekt zu sorgen, kündigt das Parteimitglied Arlo Sabian zu Versuchszwecken die erste Purge-Nacht an – ein Sozialexperiment, das Dr. May Updale entwickelt hat. In dieser werden für 12 Stunden alle Regeln außer Kraft gesetzt und Verbrechen ist erlaubt. Im Anschluss, so der Plan, fühlen sich die Menschen katharisch gesäubert und können den Drang nach Verbrechen ein Jahr lang unterdrücken. Für den Anfang soll das Experiment auf den weitgehend von Afroamerikanern bevölkerten Stadtteil Staten Island beschränkt bleiben. Um das Purgen attraktiv zu gestalten, bietet die NFFA denjenigen, die mitmachen eine attraktive Entschädigung und denjenigen, die zuhause bleiben und die Nacht aussitzen immerhin 5000$. Überwacht wird das Ganze durch Kontaktlinsen mit Kameras, die an alle ausgegeben werden, die sich als Purger melden. Mittendrin ist der junge Isaiah, der sich (ohne Kenntnis seiner älteren Schwester) als Teilnehmer angemeldet hat. Isaiah möchte Rache üben an einem irren Psychopathen, der ihn zuvor mit dem Messer attackierte. Doch weil die Bevölkerung zunächst außer Plünderungen kaum was drauf hat und sogar Purge-Partys auf offener Straße abgehalten werden, hilft die NFFA nach – immerhin gilt es, nicht das Gesicht zu verlieren …
Wenn nach drei Teilen die Geschichte eigentlich zu Ende erzählt ist, man aber dennoch weitermachen möchte, bietet sich an, das Thema mit einem Prequel zu bereichern. Die Erfindung des VORfilms ist nicht mehr ganz so jung und auch nicht mehr ganz so originell. Doch weil James DeMonaco, der Schöpfer des Purge-Franchise, tatsächlich noch eine Idee im Sack hatte, durfte man gespannt sein, auf seinen The First Purge. Allerdings schrieb er dieses Mal nur das Drehbuch und überließ die Regie erstmalig jemand anderem. Mit Gerard McMurray, der ein Jahr zuvor sein Langfilmdebüt mit dem Drama Burning Sands gab, schien als Afroamerikaner der Richtige für den Job zu sein. Denn das Prequel nutzt wesentlich stärker als die Vorgänger den gesellschaftskritischen Aspekt des neu aufkeimenden Rassismus in den USA.
Ohnehin ist The First Purge (noch) politischer als die Teile der bisherigen Trilogie. Während Purge: Election Year bereits ganz unverhohlen den Wahlkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton reflektierte, der zu der Zeit ausgefochten wurde, sind es nun die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse der USA unter Trump.
Wie kaum ein anderer Präsident vor ihm hat das aktuelle US-Staatsoberhaupt einen Keil in die Gesellschaft getrieben. Die Spaltung in Arm und Reich sowie in Schwarz und Weiß nimmt Formen an, die jenen nicht unähnlich sind, als eine Bürgerrechts-Bewegung unter Martin Luther King erst entstand.
Dass The First Purge dabei natürlich auch Unterhaltungsfilm bleibt und bleiben will, ist klar. Dass einem aber immer wieder nicht nur aufgrund der gezeigten Gewalt, sondern auch aufgrund der bedrückenden Bilder von Killern in Ku-Klux-Klan-Uniformen der Magen drückt, zeigt, wie gereizt der Nerv ist, den DeMonaco und McMurray mit ihrem Film treffen. Natürlich sind die Figuren, die die führenden Politiker repräsentieren (unter anderem Marisa Tomei als Dr. May Updale) klischeehaft gezeichnet. Natürlich bewegen wir uns hier nicht auf dem philosophischen Niveau eines Friedrich Nietzsche. Doch gerade das Plakative an der Geschichte bewirkt eben, dass man sehr eindringlich vermittelt bekommt, dass in den USA etwas faul ist. Besonders perfide ist dabei die Story-Idee, denjenigen, die in der Purge-Nacht „freiwillig“ innerhalb der abgesperrten Zone bleiben, Geld zu bieten. Natürlich sind es die Armen und besonders Benachteiligten, die sich dieses Geld nicht entgehen lassen können. Und natürlich will die NFFA genau diesem Teil der Bevölkerung an den Kragen – immerhin bedroht Armut ja stets den Reichtum und ist ein Unsicherheitsfaktor, dem man sich gerne entledigen würde. Noch gemeiner wird es, wenn klar wird, dass die Bevölkerung so richtig freiwillig gar nicht zum Morden bereit ist. Wenn die NFFA ihre Schergen schickt, um in diesem Punkt nachzuhelfen, wird deutlich, dass das Experiment eigentlich als gescheitert angesehen werden kann.
Bild- und Tonqualität BD
The First Purge hat gerade während der ersten halben Stunde ein sehr gut aufgelöstes und scharfes Bild, das in Nahaufnahmen bisweilen so knackig ist, dass man alle Einzelheiten erkennen kann. Schon die extremen Close-ups auf die Gesichter direkt zu Beginn offenbaren dies. Und auch spätere Szenen in heller Umgebung sind knackig. Solange es gut ausgeleuchtet bleibt, ist auch das Korn nur bedingt sichtbar. Da die Purge-Nacht aber nun mal (der Name sagt es) des Nächtens spielt, ist es über weite Strecken ziemlich finster im Film. Und je dunkler es wird, desto schwächer werden Schärfe, Durchzeichnung und Bildruhe. Vor allem die Körnung nimmt beträchtlich zu. Auch die Farbgebung ist bisweilen krass. Von überstrahlend roten Filterungen/Beleuchtungen über einen oft genutzten, ziemlich grünlichen Look (meist in dunkleren Szenen) bis hin zu deutlich gelblicher Filterung (66’50). Beim Sound setzt Anbieter Universal wieder auf dts:X und lässt diesen schon über die Blu-ray bei beiden Sprachen erklingen – bei beiden mit einem dts-HD-Master-Kern. Und bezogen auf die reguläre Ebene klingt The First Purge ziemlich prächtig. Gerade die Hip-Hop-Beats kommen von Beginn an mit ziemlicher Wucht und Druck. Der LFE-Kanal packt ordentlich zu und wird gleichzeitig von einer breiten Bühne der Frontlautsprecher unterstützt. Zahlreiche Jumpscares werden über dynamische Soundeffekte unterstützt. Beispielsweise, wenn Skeletor den jungen Isaiah erschreckt (12’46). Auch der erste Querschläger setzt Akzente, wenn er über die Rearspeaker flitzt. Geht das Experiment dann los, bekommen alle Lautsprecher ordentlich zu tun und die Sirene ist brutal durchdringend. Aber auch atmosphärische Gespräche und die Proteste zu Beginn sorgen für eine hohe Räumlichkeit. Klasse sind auch die Knallkörper, die nach etwas über einer halben Stunde den Teddy zerfetzen und im Nachgang auch in den Blechfässern explodieren. Richtig fetzig wird es aber, wenn die Enduros im Quartett durchs Heimkino knattern (53’15) und auch der später einsetzende, an Hubschrauber-Rotoren erinnernde Score nimmt mächtig in die akustische Zange. So richtig Schluss mit Lustig ist dann nach 70 Minuten, wenn die halbautomatischen Gewehre das Zepter übernehmen. Was hier an Direktionalität und Lautstärke entwickelt wird, lässt auch potente Soundsysteme an Grenzen kommen.
Betrachten, bzw. belauschen wir die 3D-Ebene genauer, erscheint etwas ungewöhnlich, dass die Heights von Beginn an praktisch dauerhaft aktiv sind. Filmscore, Umgebungsgeräusche, TV-Kommentatoren, Straßen-Sounds – ja selbst die (leicht hallenden) Stimmen direkt zu Beginn beim Gesprächen zwischen Psychiater und Patient werden (auch) von oben dargestellt. Man hat also eine nahezu permanente Geräuschkulisse, die den Zuschauer einhüllt. Besonders auffällig bei den Protesten auf der Straße, die deutlich auch aus den Heights kommen (7’30). Das sorgt zwar für Alles für eine dauerhafte Kulisse aus allen Richtungen, ist aber technisch nicht zwingend korrekt und sorgt zudem für ein Problem: ECHTE, direktionale und definierte Objekte aus der Höhe sind zum einen selten und werden zum anderen durch die dauerhafte leichte Hinzumischung der Heights etwas entwertet. Erstmals richtig Sinn macht es während der Ansprache in der Tiefgarage. Dort dürfen Dialoge durchaus auch von oben mitmischen – immerhin hallt es dort direkt von den Decken wider (14’00). Was allerdings überhaupt keinen Sinn macht, ist die Tatsache, dass Stimmen praktisch 1:1 hörbar aus den Height kommen, wenn jemand aus dem Nachbarzimmer etwas sagt oder vor der verschlossenen Türe stehend spricht – das ist nun mal die gleiche Ebene und hat auf den Deckenspeakern nichts verloren. Ebenfalls keinen Sinn macht es, nasse Straßen dezent von oben zu hören, während die Kamera sie von schräg oben filmt (22’14). Den ersten echten 3D-Soundeffekt gibt’s dann nach knapp einer halben Stunde, wenn die Purge-Sirene aufheult. Die kommt dann doch merklich von oben – was atmosphärisch super passt (26’32). Das Gleiche gilt für die Drohne kurze Zeit später, die definiert nach oben wegschwirrt. Letztere kommen dann später noch mal wieder und dürfen aus all ihren (kleinen) Rohren feuern. Dabei kommen die Projektile hörbar von oben (74’10).
Bild- und Tonqualität UHD
The First Purge wurde komplett mit Arri-Alexa-Mini-Kameras aufgezeichnet. Diese lieferten durchgängig 2,8K am Ausgang. Ausgehend davon wurde ein 2K Digital Intermediate erstellt, das dann für die UHD wieder auf 4K hochskaliert wurde. Wir haben es also nicht mit echtem 4K zu tun.
Allerdings wäre das ohnehin nur in den hellen Szenen zu Beginn relevant gewesen, denn die permanente Dunkelheit, die nach 30 Minuten einsetzt, ist nicht dazu angetan, Referenzwerte für die Auflösung zu liefern. Hier lässt die teils schöne und krispe Detaildarstellung der ersten halben Stunde dann auch merklich nach.
Von der Farbgestaltung her hat man dem Film natürlich einen im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum sowie die höhere Bilddynamik spendiert – Letzteres „nur“ im statischen HDR10-Format.
Interessanterweise unterscheidet sich das Color Grading nur marginal von jenem der Blu-ray. In hellen Szenen sind die Gesichter der weißen Darsteller etwas weniger gelbrot, dafür mit einer leichten Grüntendenz. Da es aber nicht viele weiße Darsteller in hellen Szenen gibt, fällt das schon kaum ins Gewicht. Die bunte(re)n Farben sind nur wenig anders als über die Blu-ray. Selten waren Farbgebung von BD und UHD so nahe beieinander.
In Sachen Kontrastumfang funktioniert die UHD besser. Zum einen lässt sie in dunkleren Szenen die Körnung stärker verschwinden, weil Oberflächen weniger hell sind, zum anderen arbeitet sie Spitzlichter wie beispielsweise die hellen Kontaktlinsen besser heraus. Aber auch Mündungsfeuer und einzelne Lichtpunkte kommen prägnanter rüber. Gleichzeitig ist Schwarz in einigen Szenen noch satter und tiefer – ab und an gehen allerdings Details im Dunklen verloren.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von The First Purge finden sich zwar ein paar Extras, allerdings sind diese eher knapp ausgefallen. So liefert eine entfernte Szene noch einen weiteren Moment mit Skeletor. Dazu gibt’s drei Featurettes. In „Ein radikales Experiment“, dem mit knapp fünf Minuten längsten Hintergrundbericht, erzählen sowohl einige der Darsteller als auch die Filmemacher etwas über das neue Thema des Prequels. In „Die Entstehung des Chaos“ beleuchtet der Stunt Koordinator die zahlreichen Kampf-Choreografien und „Die Masken in The First Purge“ beschreibt die hier genutzten Masken – vom Teeth-Face über die Smiley-Gang bis hin zum SS&M-Outfit des General Smiley.
Fazit
The First Purge ist politisch, hart und nach wie vor spannend. Selbst wenn die emotionale Bindung an Figuren hier nicht so gut funktioniert und Charaktere ziemlich klischeehaft geraten. Spätestens in den letzten 20 Minuten wird das aber ohnehin von einem kriegsartigen Szenario überspielt, das innerhalb des Franchise seinesgleichen sucht.
Die UHD liefert das etwas homogenere Bild, der dts:X-Sound überzeugt vor allem auf der regulären Ebene. Hier gibt’s immer wieder referenzartige Dynamik und sensationelle Effekte. Die hinzugefügte Höhen-Ebene wird zwar dauerhaft mit Atmosphäre beliefert, allerdings ist das mehr ein „Hochmischen“ der regulären Ebene, ohne echte 3D-Akzente.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität BD: 75%
Bildqualität UHD: 80%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (dt. Fassung): 90%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (dt. Fassung): 50%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 90%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 60%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 50%
Bonusmaterial: 30%
Film: 70%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2017
Regie: Gerard McMurray
Darsteller: Y’lan Noel, Lex Scott Davis, Joivan Wade, Patch Darragh, Marisa Tomei, Luna Lauren Velez,
Tonformate BD/UHD: dts:X (dts-HD-MA-Kern): de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 97
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Real 4K: Nein (2K DI)
High Dynamic Range: HDR10
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover, Szenenbilder und vergleichenden Screenshots liegt bei Anbieter: Universal Pictures)
Guten Tag.
Hätte eine Anmerkung: Suchen Sie eigentlich bei den Kameraeinstellungen und Szenen auch nach „Sinnvoll“ oder lassen Sie jene als Kunst bzw. Stilmittel durchgehen? Ihre Seite gefällt, Ihr zwanghaftes suchen nach (subjektiven) „Sinn“ ist aber vielleicht etwas zu viel des guten. LG
Hallo und Danke für den Kommentar.
Als zwanghaft würde ich mich nun nicht bezeichnen. Ganz im Gegenteil: Wer meinem Blog schon länger folgt, wird wissen, dass ich Filmfan bin und kein Philosoph.
Ein Film wie „First Purge“ (so ich es denn richtig verstanden habe) muss aber eben auch inhaltlich betrachtet werden. Eben weil der Produzent/Autor und Regisseur der ersten drei Teile es durchaus intendiert, dass man sich mit seinen Filmen intensiv auseinandersetzt. Dennoch betone ich im Review, dass es sich natürlich auch immer noch um einen Unterhaltungsfilm handelt – und als solcher gefiel er mir ja durchaus. Genutzte Stilmittel, die bspw. Kameraeinstellungen, optische Spielereien, visuelle Filterungen/Verfremdungen angehen, werden natürlich auch als solche dargestellt. Aber auch diese erfüllen ja oft einen Zweck, haben also einen „Sinn“. Und denn sollte man auch benennen dürfen. 😉