Blu-ray Review
OT: Fortitude
Tod im ewigen Eis
Erneut eine hervorragende TV-Serie, die im Heimkino vorzüglich funktioniert.
Inhalt
Drei Monate nachdem der Naturfotograf einem Einheimischen der kleinen Stadt Fortitude am Polarkreis den Gnadenschuss verpasst hat, weil dieser von einem Eisbären angegriffen wurde, finden zwei Kids das Skelett eines Mammuts im Gletschereis. Eben auf jenem Gletscher, auf dem die Gouverneurin Hildur ein Eishotel errichten möchte. Dieses Projekt jedoch droht nun zu scheitern, da der Wissenschaftler Charlie Stoddart brutal ermordert wird – ein Schock für die bisher vollständig von Verbrechen freie Stadt, in der jeder einen Job und ein Dach über dem Kopf hat. Stoddart wurde zuvor vom Vater eines der Kinder sowie dessen Kumpel kontaktiert, die das Mammut für ihre Zwecke finanziell auszuschlachten versuchen. Allerdings hätten auch die Planer des Hotels einen Grund, ihn zu töten – immerhin verhindert das Urzeitviech möglicherweise den Bau. Und warum taucht der lokale Polizist Dan Anderssen stets an den Tatorten auf, ohne dass ihn jemand gerufen hätte. Fragen, die der aus London geschickte DCI Eugene Morton beantworten soll – immerhin war der Tote britischer Staatsbürger. Doch Morton wird von den Einheimischen nicht gerade willkommen geheißen und stößt auf eine Wand aus Ablehnung, Widersprüchen und scheinbar undurchdringbaren Verstrickungen. Selbst als man den „Täter“ überführt glaubt, kehrt keine Ruhe ein, denn ein weiterer Mord passiert …
Nach Marco Polo ist Fortitude bereits die zweite Serie, die ursprünglich vom US-Kabelsender Starz (mit)produziert werden sollte, dann jedoch ohne deren Geld auskommen musste und (in diesem Fall) komplett von Sky Großbritannien übernommen wurde. Simon Donald, der die Idee zu Fortitude hatte, blieb jedoch an Bord und kennt sich mit dem kühlen Szenario durchaus aus. Immerhin hat er auch schon mal eine Episode von Kommissar Wallander geschrieben. Die Vorlage zum fiktiven Städtchen Fortitude lieferte übrigens Longyearbyen, eine große Siedlung auf Spitzbergen im arktischen Norwegen. Die Grenze zum Polarkreis bietet dann auch den spektakulären Hintergrund für einen außergewöhnlichen und sehr stimmungsvollen Mix aus Crime und Mystery. Zunächst hält sich jedoch das Crime-Element im Vordergrund, wenn sich im Laufe der Episoden immer wieder die Verdächtigen die Türklinke gegenseitig in die Hand geben. Was schnell klar wird: In diesem ach so beschaulichen 1000-Seelen-Städtchen hat jeder irgendwie Dreck am Stecken – und wenn’s „nur“ moralische Verwerflichkeiten wie das grassierende Fremdgehen sind. Es dauert nicht lange und man verliert als Zuschauer den Überblick, wer hier noch mit wem und wann und warum geschlafen hat. So gehen einem nach und nach auch die anfänglichen Sympathieträger aus, bis ein gewisser Stanley Tucci (Die Tribute von Panem) als DCI Morton auf der Bildfläche erscheint und Fortitude mit schlafwandlerischer Souveränität an sich reißt. Prinzipiell jeder Film profitiert von einem Mitwirken des charismatischen italienischstämmigen New Yorkers und seine Rolle als Ermittler aus London ist ein Paradebeispiel dafür. Immer wenn er vor der Kamera erscheint, stellt er den ausgeglichenen Ruhepol dar und dient als Anker in einen Ensemble, das aus durchweg ambivalenten Charakteren zu bestehen scheint. Manchmal reicht es dabei schon aus, wenn er seinen Kaffee umrührend im Hintergrund stehend auf seinen Einsatz wartet, um beim Zuschauer für ein wohliges Grinsen zu sorgen. An seiner Seite agiert ein Cast aus skandinavischen und britischen Darstellern, die ihre Rollen allesamt glaubwürdig ausfüllen. Gerade Richard Dormer als undurchsichtiger Polizeichef Dan Anderssen überzeugt bei seiner emotionalen Tour de Force, die von kühler Ermittlungsarbeit bis hin zu emotionalen Gewaltausbrüchen reicht.
Ein großes Plus von Fortitude ist natürlich seine Atmosphäre. Wie ein Mix aus Fargo und den Geschichten von Kommissar Wallander wirkt die Stimmung, die durch die eindrucksvollen Naturszenen der winterlichen isländischen Landschaft noch verstärkt wird. Alleine die gegenüber ähnlichen Krimiserien vollkommen andere Szenerie macht bereits einen großen Teil des Reizes der zehnteiligen Staffel aus. Man kann sich gerade durch die Abgeschiedenheit des Städtchens nachvollziehbar ausmalen, wie eine kleine Gemeinschaft, die über Jahre eine fragile Fassade aus Gutmütigkeit aufrecht erhalten hat, langsam in sich zusammenbricht, weil unerwartet drastische Ereignisse passieren. Je schlimmer es vor Ort wird, desto stärker wird man auch Zeuge, wie eine Gemeinschaft sich von allem abzugrenzen beginnt, was fremd erscheint. Erste Verdächtige sind dann schnell gefunden, kommen aus dem Ausland oder sind „gerade mal zehn Jahre“ in der Stadt. Angst war schon immer ein guter Grund für Ressentiments und das arbeitet Fortitude exemplarisch gut heraus. Wenn dann zum Ende der sechsten Folge die Geschehnisse mysteriöser und fantastischer werden, beginnt man als Zuschauer erneut zu hinterfragen, was es mit den Morden und dem Verhalten der Leute aus Fortitude auf sich hat. Zwar ahnt man schon länger, dass da im ewigen Eis noch etwas mehr versteckt war als „nur“ das Skelett eines Urzeit-Mammuts, doch das, was sich dann den Weg bahnt, sorgt für einige Überraschungen. Die Stimmung in Fortitude wird in der zweiten Hälfte noch intensiviert durch die kühl-intensive Musik von Ben Frost. Dessen Kompositionen passen perfekt zur eisigen Atmosphäre und der Abgeschiedenheit der Stadt. Auch die hin und wieder eingestreuten Sounds wirken lange nach – beispielsweise gut zu hören während Henry in Episode sechs seine Bilder entwickelt.
Bild- und Tonqualität
Ähnlich unterkühlt wie die Atmosphäre der Serie gibt sich auch das Bild von Fortitude. Egal, ob während der Außenaufnahmen, die in hellem Licht und mit leuchtendem Weiß erstrahlen oder während der Innenraumszenen, die ebenfalls eher blaugefiltert daherkommen. Die fantastischen Aufnahmen Islands werden gleichzeitig mit einer hervorragenden Detailtiefe und erstaunlich hoher Ruhe wiedergegeben. Während einiger Sequenzen im Inneren von Häusern (bspw. auf dem Polizeipräsidium) nutzt der Kameramann zum Teil drastische Schärfenuntiefen, um Objekte in der Mitte plastisch herauszustellen. Das Drumherum verschwimmt dabei deutlich. Da das zwar bewusst eingesetzt wurde, passt es durchaus zum Look der Serie, verhindert aber eine konsistente Optik. Hinzu gesellen sich des Öfteren auch Weichzeichner – gerade wenn die Damen der Runde gefilmt werden.
Wie so oft zuletzt, so ist auch bei Fortitude akustisch Schonkost angesagt – kein Wunder, handelt es sich doch um einen Output von Warner Home und die geizen bekanntlich mit deutschen HD-Spuren. Während also die Originalfassung in lebhaft-lautem dts-HD-Master daherkommt, muss der deutsche Zuschauer mal wieder mit einer antiquierten Dolby-Digital-Spur vorlieb nehmen und könnte sich diesbezüglich (die Bildqualität mal ausgenommen) auch die Blu-ray sparen und sich lediglich die DVD anschaffen. Schon zu Beginn beim Anbranden der Wellen wird deutlich, wie krass unterschiedlich Originalfassung und deutsche Version sind. Während die Wellen beim O-Ton praktisch ins Heimkino spritzen, muss man für die gleiche Lautstärke im Deutschen schon per se um 10dB lauter machen, um annähernd auf das gleiche Niveau zu kommen. Doch selbst dann ersetzt das nicht die feinere Auflösung und die deutlichere Räumlichkeit, die von der Originalfassung ausgeht. Im weiteren Verlauf ist es meist die Filmmusik oder der Score, der den Raum nach hinten öffnet. Auch tosender Wind ertönt schon mal von den Rearspeakern. Die Stimmen gelangen ausnahmslos gut verständlich über den Center ans Ohr.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Fortitude finden sich insgesamt zwölf Featurettes, die allerdings jeweils nur ca. zwei bis drei Minuten Laufzeit aufweisen. Immerhin erfährt man allerdings, wo genau man in Island drehte und dass man nicht am Polarkreis arbeiten wollte, weil man (aufgrund der Kälte) niemanden vom Team töten wollte. Auch über die Innenraumsets werden einige Worte verloren und in „Let it Snow“ wird gezeigt, dass es zur Drehzeit tatsächlich so mild war, dass man Schnee per LKW und Schaufelbagger von den Bergen heranschaffen musste und so ziemlich alles an Schnee-Imitationsprodukten aufkaufte, was der Markt hergab.
Schade, dass man diese zwölf Kurzfeaturettes nicht in einem zwölfkapiteligen Making-of zusammenfasste, denn alle zwei Minuten ein neues anwählen zu müssen nervt ziemlich bald.
Fazit
Fortitude ist nicht die rasanteste Serie, sondern entwickelt sich langsam und stetig. Dafür belohnt die glänzend besetzte Show mit bizarren Situationen, einzigartiger Atmosphäre sowie einer Spannung, die sich unterschwellig entwickelt und dann immer wieder gnadenlos zupackt. Ebenfalls erstaunlich ist der teils hohe Blutzoll während der entsprechenden Tötungen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 40%
Film: 80%
Anbieter: Warner Home
Land/Jahr: GB 2015
Regie: Diverse
Darsteller: Richard Dormer, Sofie Gråbøl, Verónica Echegui, Michael Gambon, Stanley Tucci, Björn Hlynur Haraldsson, Nicholas Pinnock, Elizabeth Dormer-Phillips, Darren Boyd, Christopher Eccleston
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 593
Codec: AVC
FSK: 0