Fractured – Netflix

Blu-ray Review

Netflix, 11.10.2019

OT: Fractured

 


Teufel in Weiß

Im neuen Netflix-Thriller erlebt Sam Worthington die Hölle in einem mysteriösen Krankenhaus.

Inhalt

Der Moment, der alles auslöst

Ray Monroe hat so seine Probleme. Als Alkoholiker hat er mit sich selbst schon genug Probleme, muss sich aber vor allem vorwerfen lassen, dass er seine Ehe und vor allem die Beziehung zu seiner Tochter Peri vernachlässigt und oft dem Alkohol geopfert hat. Nach einem schwierigen Wochenende bei den Schwiegereltern hält man auf dem Heimweg an einer Raststätte an. Auf dieser gerät Peri in eine gefährliche Situation mit einem aggressiven Hund, der sie an den Abgrund einer Baustelle treibt. Als Ray es mitbekommt, wirft er einen Stein nach dem Streuner und verursacht damit, dass seine Tochter hinten über fällt. Zwar überleben beide den Schlag auf die Betonoberfläche, müssen aber schleunigst ins Krankenhaus. Dort trifft die Familie allerdings auf eine bürokratische Mauer aus Ignoranz und Formularen sowie auf zudringliche Krankenhausmitarbeiter, die gerne erst einmal einen Organspenderausweis für Peri anlegen würde, bevor man Hilfe leistet. Doch die Tücken des Systems sind nichts dagegen, was Ray nach einem kurzen Nickerchen erlebt, nachdem man Frau und Tochter für einige Tests abgeholt hatte. Denn plötzlich sind beide verschwunden und das Krankenhaus will nichts von ihren gewusst haben …

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Warten, warten, warten

Im ausgehenden Jahr 2019 gibt Streaming-Anbieter Netflix noch mal Gas. Während der November die große Premiere von Scorseses The Irishman bereithält (mit 159 Mio. Dollar Budget eine der bisher teuersten Netflix-Produktionen), hat gerade schon die King-Verfilmung Im hohen Gras für Schauer gesorgt, bevor nun, eine Woche später, schon wieder Thrill angesagt ist. Der von Brad Anderson (The Call – Leg nicht auf) inszenierte Fractured debütierte wie Im hohen Gras ebenfalls auf dem Fantastic Fest in Austin/Texas und geht ab dem 11. Oktober nun exklusiv auf die Netflix Streaming-Plattform. Anderson mixt in seinem Thriller sozialkritische Aspekte mit hitchcock’scher Spannungskurve. Zwar fokussiert sich das Skript zunächst auf die Aspekte der Kritik am US-Gesundheitssystem, verlässt dann aber den Boden der Realität und integriert mehr und mehr die mysteriösen Aspekte seiner Geschichte.
Fractured lässt sich dabei gut an. Die Atmosphäre ist (typisch Anderson) ziemlich düster und erinnert nicht selten an seinen Machinist. Die kaltschnäuzige Ablehnung, mit der man der Familie im Krankenhaus begegnet, provoziert immer wieder entsetzte bis aggressive Gefühle. Und es liefert tatsächlich eine unverholene Kritik am US-Gesundheitssystem, das unter dem derzeitigen Präsidenten erst gar nicht die Reform erhielt, die man eigentlich erhofft hatte.

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Endlich kümmert sich ein Arzt

Während frühzeitig Brotkrumen gestreut werden, die darauf hindeuten, dass in diesem Krankenhaus längst nicht alles mit rechten Dingen zu zu gehen scheint, unterliegt Fractured noch ein weiteres Thema – jenes des persönlichen Kreuzzugs von Ray. Ein Kreuzzug, den er vornehmlich mit sich selbst zu führen hat. Immerhin hat er vor dem Unfall mit dem letzten Bargeld noch zwei kleine Schnäpse gekauft anstelle der Batterien für Peris Musikplayer. Immerhin ist er in den sechs Jahren seiner Ehe zum veritablen Schlappschwanz mutiert und immerhin hält er so ziemlich jedes Versprechen, das er gibt … NICHT.
Der Horror, den er an der Oberfläche in diesem Krankenhaus erlebt ist demnach nur ein Spiegel des Horrors in seiner Seele. Und weil er endlich an einem Punkt zu sein scheint, an dem er sein Verhalten ändern will, sucht er in der panischen Aufklärung der Geschehnisse auch seine innere Vergebung – eine Absolution und Erlösung darin, nach all seinem Versagen endlich etwas Gutes zu tun und das Leben seiner Tochter zu retten.
Avatar-Star Sam Worthington gibt den Ray glaubwürdig und immer ein bisschen am Rande des Wahnsinns – verständlich, wenn man erlebt, dass einem Keiner mehr Glauben schenkt und die Familie wie vom Erdboden verschluckt ist.
Natürlich provoziert Ray damit sämtliches Wachpersonal, weil er sich aggressiv und unangemessen verhält. Und auch als Zuschauer findet man sich spätestens nach knapp einer Stunde in der Situation, dass man Rays Aussagen misstraut. Relativ geschickt zweifelt Fractured alles an, was man bis zu dem Moment, da sich die Familie getrennt hat, gesehen hat. War es so, wie Ray sagt? Steckt eine Verschwörung dahinter? Oder spielen Ray sämtliche Erlebnisse der Vergangenheit einen Streich und er ist auf dem Weg, in den Wahnsinn zu verfallen?
Auf dem Weg zur Antwort auf diese Fragen, liefert das Drehbuch diese eine Story-Wendung zu viel, um damit etwas zu vertuschen, dass das echte Potenzial nach der ersten halben Stunde zu den Akten gelegt wurde. Dennoch liefert Andersons zielstrebige und packende Inszenierung genug Spannung für einen unterhaltsamen Abend.

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Ermittlungen auf eigene Faust

Bild- und Tonqualität

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Joanne sagte: „Tue es!“

Fractured wurde zwar mit einer 4K-Kamera (Sony Venice) aufgenommen und liegt über Netflix in Dolby Vision vor, was aber nicht zwingend heißen muss, dass hier ein durchgängiger 4K-Prozess stattfand. Der Stream zeigt allerdings 2160p mit 15.25 Mbps an, was bei Netflix-Produktionen in aller Regel darauf hindeutet, dass es sich nicht um einen hochskalierten, sondern einen nativen 4K-Stream handelt.
Das Bild selbst glänzt durch seine sehr hohe Laufruhe, die keinerlei Körnung zeigt – egal, ob es gerade eher hell ist oder etwas dunkler. Letzteres ist häufiger der Fall, weil Fractured hauptsächlich in gräulichen Tönen daherkommt. Wirkliches Tageslicht sieht man eigentlich nicht. Das allerdings wirkt der Atmosphäre zuträglich – ebenso wie die Dominanz von Grün, Blau und Brauntönen. Andere Farben existieren praktisch nicht. Der Kontrastumfang ist aufgrund der fehlenden Bildhelligkeit zwar reduziert, herausragend sind aber die durch Dolby Vision hervorgerufenen hellen Spitzlichter. Das Weiß in den Augen oder Straßenlaternen werden lichtstark reproduziert und bieten nette HDR-Highlights. Herausragend ist übrigens die Schärfe, die Gesichter in Close-ups sehr plastisch darstellt. Artefakte wie Banding oder Treppchenbildung sieht man zu keiner Zeit.

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Ist Ray wahnsinnig oder sagt er die Wahrheit?

Wie bei den etwas höherwertigen Filmen üblich, so liegt auch Fractured mit einer deutschen Dolby-Digital-Plus-Spur vor, während der englische Ton in Atmos (mit DD+-Kern) aufgespielt wurde.
Hören wir zunächst in die Synchro, liefert diese eine recht homogene Darstellung ab. Aufgrund des Filmthemas gibt’s zunächst nicht wirklich viele Gelegenheiten für die Surrounds, ins Geschehen einzugreifen. Dennoch nutzt der Film sie für Umgebungsgeräusche, krächzende Krähen oder auch die dezent klimpernde Filmmusik. Der aufkommende Wind während des Schneegestöbers legt sie ebenfalls auf die Rears und während dieser authentisch wirkenden Atmosphäre kommen die Stimmen jederzeit extrem klar aus dem Center. Nach dem Sturz in die Grube kommen Geräusche nur noch dumpf zum Ohr, was dann auch vom Subwoofer entsprechend unterstützt wird und durch den intensiver werdenden Score zum räumlichen Erlebnis wird. Erstes echtes Sound-Highlight ist dann die Sequenz nach etwas über 40 Minuten, in der Ray auf einer Überdosis Adrenalin durchs Krankenhaus irrt. Visuell und akustisch passt sich das Geschehen aneinander an und beschäftigt sämtliche Speaker angemessen. Im Finale gibt’s dann sogar noch eine zünftige Explosion und einige trockene Schüsse aus der Pistole.
Die englische Atmos-Fassung addiert dazu auf den Heights vornehmlich den unbehaglichen Score in einer ähnlichen Lautstärke wie über die Frontspeaker. Hin und wieder gibt es kleinere Akzente mit den krächzenden Raben oder aber leisen Stimmen, die Ray in seinem Kopf oder im Delirium wahrnimmt. Im Finale setzt es dann ein kurzes Krachen bei der Explosion. Ansonsten bleibt lediglich die Filmmusik, die ab und an in Actionszenen von ein paar elektronischen Sounds zur Steigerung der Dramatik begleitet wird – effektiv ist hier aber fast nichts dediziertes zu hören.

Fazit

Fractured beginnt fesselnd, weil er eine spannende Prämisse eines versagenden Gesundheitssystems kritisiert. Allerdings lässt er diese Idee nach dem ersten Drittel komplett fallen und fokussiert sich auf den Thriller-Aspekt. Dem folgt man zwar aufgrund der sich aufbauenden Spannung, aber inhaltlich hat man so etwas nicht zum ersten Mal gesehen. Herausragend sind Worthingtons Performance sowie die stilsichere und zupackende Regie von Brad Anderson.
Optisch punktet der Stream mit hochwertiger 4K-Wiedergabe und hellen Spitzlichtern und akustisch überzeugt die deutsche Tonspur mit verhältnismäßig ausgewogenem Sound.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 85%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%

Tonqualität UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 30%
Tonqualität UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 60%

Film: 70%

Anbieter: Netflix
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Brad Anderson
Darsteller: Lily Rabe, Sam Worthington, Stephen Tobolowsky, Lucy Capri, Adjoa Andoh
Tonformate: Dolby Atmos (DD+-Kern): en // Dolby Digital Plus: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 100
Real 4K: Ja
Datenrate: 15.25 Mbps
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Netflix)

Trailer zu Fractured

FRACTURED | Official Trailer | CAN YOU SOLVE THE MYSTERY? | Netflix

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