Frank

Blu-ray Review

Frank Blu-ray Review Cover
Weltkino/Universum Film, seit 30.10.2015

OT: Frank

 


Kopf der Band

Mit Frank hat der Ire Lenny Abrahamson einen ganz außergewöhnlichen Film gedreht.

Inhalt

„Wie putzt er denn seine Zähne?“ – Jons durchaus nachvollziehbare Fragen zu Frank, dem Kopf (im wahrsten Sinne des Wortes) der Band Soronprfbs (nein, hier ist nicht jemand über die Tasten seiner Tastatur gestolpert) müssen erst einmal unbeantwortet bleiben. Wichtiger ist, dass der ambitionierte Keyboarder gerade bei der Band anheuern durfte, um deren selbstmordgefährdeten Tastenkünstler zu ersetzen. Eigentlich ist Jon ja in einem Büro angestellt, findet sich jetzt aber in einer multikulturellen und ebenso vielsprachigen Band wieder, die sich in einem Holzhütte einschließt, um dort ihr neues Album aufzunehmen. Wie lange das dauert? Nun, solange wie es eben dauert. Das skurrile ist aber weder die schräge Musik der Band, noch die Tatsache, dass Jon nicht weiß, wann er wieder zur Arbeit kommt, sondern eben Sänger Frank. Der trägt zu jeder Zeit und in jeder Sekunde seines Lebens einen überdimensionierten Pappmaché-Kopf auf dem eigenen. Während der langwierigen Aufnahmen beginnt Jon ein freundschaftliches Verhältnis zu Frank aufzubauen und stellt für sich fest, dass der Bandleader unter der Fuchtel der herrischen Clara steht. Jon selbst würde die Band gerne etwas dem Mainstream öffnen und nutzt dafür auch die sozialen Kanäle ausgiebig. Als er ein Konzert in den USA organisiert, gibt es vor Ort eine Bandmeuterei und die Katastrohe scheint unabwendbar …

Man bemüht ja bisweilen das Wort „Kult“ im Zusammenhang mit Filmen ein wenig zu häufig. Im Laufe der 90er Jahre und im Zuge der Tarantino-Mania war plötzlich alles Kult, was mit Waffen und lockeren Sprüchen zu tun hatte. Für Frank allerdings muss man sich gar nicht bemühen, eine Kultassoziation herzustellen, denn Lenny Abrahamsons Werk ist so außergewöhnlich und sensationell kreativ, dass man lange, verdammt lange zurückblicken muss, um einen solch großartigen Film mit und über Musik, über Freiheit und Anarchie zu finden. Die Tatsache, dass Michael Fassbender als Frank die ganze Zeit mit einem Pappkopf durch die Gegend läuft, ist sogar noch die gewöhnlichste Ungewöhnlichkeit dieser 95-minütigen Extravaganz. Frank ist ein flammendes Plädoyer für kreatives Schaffen ohne Grenzen und Konventionen, für Musik und Kunst ohne den Blick auf vermeintliche Erwartungshaltungen des Publikums. Innerhalb dieses vor verrückten Ideen überbordenden Films muss man nicht mal befürchten, dass die Musik verkrampft auf Innnovativ getrimmt wurde, denn sie ist es einfach. Und das ganz ohne eine bemüht-avantgardistische Affektiertheit. Komponist Stephen Rennicks verfolgte dabei das Ziel, die Songs außerhalb des Mainstream anzusiedeln, sie aber gleichzeitig nicht eine Grenze zur intellektuellen Verbrämtheit überschreiten zu lassen. Hilfreich war ihm dabei sicher, dass er in den späten 80ern Mitglied der Art-Punk-Band The Prunes war und europäische Clubs unsicher gemacht hat. Dort sah er dann auch Bands, die noch viel seltsamere Musik produziert haben – kleine Independent-Musiker, die er beim Schreiben der Songs immer im Hinterkopf hatte. Rennicks konnte die Musik dabei im Fluss mit dem Film und den Darstellern selbst entwickeln. So ist Carla Azar, die die Nana spielt, selbst Schlagzeugerin und hat als solche schon mit John Frusciante und P.J. Harvey gespielt. Michael Fassbender übernahm seine Gesangsparts selbst und überzeugt durchweg (Stimmlich liegt er mitunter sehr nahe an Jim Morrison). Das war jedoch auch nötig, denn die Musik wurde nicht (wie sonst üblich) im Studio eingespielt und in der Postproduktion eingefügt, sondern während des Filmens live am Set eingespielt. Dass die Band am Ende aus Musikern, die keine Schauspieler sind und aus Schauspielern, die keine Musiker sind bestand, ist ein großer Glücksfall für Frank. Auf diese Art und Weise wirkt der Film genauso frei in seiner Performance wie auch in seiner Botschaft – denn die liegt klar auf der Hand: Musik und Kunst ist nur dann frei, wenn sie ohne Gedanken an das Publikum oder den Kommerz realisiert wird. Der Film basiert im Übrigen auf den Memoiren von Filmemacher, Autor, Musiker und Journalist Jon Ronson. Der wiederum hatte dort seine Erlebnisse als Keyboarder von Chris Sievey verarbeitet, der in den späten 80ern mit eben jenem überdimensionalisierten Kopf aus Pappmaché unter dem Pseudonym Frank Sidebottom aufgetreten war.

Die größte Überraschung in Frank ist interessanterweise nicht die extravagante Musik und das bizarre Verhalten der Bandmitglieder, sondern die Tatsache, dass ein Schauspieler, der von 95 Minuten 85 Minuten lang mit einem riesigen Pappkopf umherlaufen muss, es dennoch schafft, seine Rolle mit einem erstaunlichen Leben zu füllen. Michael Fassbender zeigt in der Rolle des Frank, dass man nicht zwingend ein Gesicht braucht, um eine Figur emotional an den Zuschauer zu binden. Mit Bewegungen und Gestiken zieht Fassbender alle Register seines Könnens und erleidet nicht mal Schiffbruch, wenn er mit ein kleinwenig Slapstick für einen kurzen Brüller sorgt, wie es kurz vor dem Finale der Fall ist. Wenn er dann seinen Kopf verliert und am Ende mit seinem üblichen Konterfei zu sehen ist, fühlt sich das tatsächlich irgendwie leer an. Ohne dem Gesicht Fassbenders zu Nahe treten zu wollen, wünscht man sich den großen Frank-Kopf zurück. Aber nicht nur der gebürtige Heidelberger überzeugt, sondern alle Mitglieder der Band. Domhnall Gleeson als Jon, aus dessen Sicht der Film geschildert wird, hat diesen melancholischen Blick, der dafür sorgt, dass man ihm (fast) nicht übelnehmen kann, wie er versucht, die Band (und Frank) nach seinen Vorstellungen zu verändern. Eine Wucht, wenngleich sie es einem nicht leicht macht, ihre Figur zu mögen, ist Maggie Gyllenhaal in der Rolle der Clara. Wie sie mit ihren Blicken immer wieder Jon und seine Vorstellungen im Keim abtötet und ihn notfalls (gleich mehrfach) anspricht, das ist schon schauspielerische Extraklasse.

Bild- und Tonqualität

Frank hat ein etwas schmuddeliges Bild, was sehr gut zur Atmosphäre in der Holzhütte passt. Die Bildruhe ist allerdings sehr gut und und da die Aufnahmen in der Regel ruhig und nicht hektisch geraten sind, ist der Eindruck letztlich sehr gefällig. Die Schärfe ist meist ausgewogen und in Detailaufnahmen (Drehen an den Reglern 41’40) sogar sehr gut. Der Kontrastumfang bleibt eher im mittleren Bereich.
Akustisch bleibt Frank bis auf wenige atmosphärische Geräusche eher frontbezogen. Die Filmmusik allerdings nutzt immer wieder den kompletten Raum. Hier wird dann vor allem die außergewöhnliche Instrumentierung genutzt und auf sämtliche Speaker abgelegt. Die Stimmen gelangen sehr gut verständlich aus dem Center und selbst ohne dynamische Subwooferattacken kann man am Sound von Frank seinen Gefallen finden.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Frank warten zehn Interviews sowie ein Behind the Scenes. Letzteres konzentriert sich auf eine Musikszene des Films. Die Interviews sind nicht nur lang, sondern ausnahmsweise auch mal sehr gehaltvoll und interessant ausgefallen. So ist jenes mit dem Komponisten der Songs angefüllt mit interessanten Fakten und Anekdoten.

Fazit

Frank ist Kult! Das erlaube ich mir an dieser Stelle einfach mal zu postulieren, ohne das lange inflationär benutzt Wort überstrapazieren zu wollen. Ich kann mir gut vorstellen, dass irgendwann Zuschauer in ein Programmkino ihrer Wahl gehen, um einer Vorstellung des Films beizuwohnen und dafür den Saal mit einem riesigen Pappkopf entern.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 50%
Film: 90%

Anbieter: Weltkino/Universum
Land/Jahr: IRL/GB 2015
Regie: Lenny Abrahamson
Darsteller: Michael Fassbender (Frank), Maggie Gyllenhaal (Clara), Domhnall Gleeson (Jon), Scoot McNairy (Don), Carla Azar (Nana), François Civil (Baraque), Tess Harper (Franks Mutter), Hayley Derryberry (Simone)
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 95
Codec: AVC
FSK: 12