Frau Müller muss weg!

Blu-ray Review

Frau Müller muss weg Blu-ray Review Cover
Highlight Communications, seit 02.07.2015

OT: –

 


Elternabend

Lehrer und Eltern werden niemals an einem Strang ziehen, oder?

Inhalt

Fünf Eltern von vier Kindern der vierten Klasse der Juri Gagarin Grundschule in Dresden treffen sich eines Nachmittags zu einem außerordentlichen Elternabend mit der Klassenlehrerin Frau Müller – Ute Müller, um genau zu sein. Die Mütter und Väter der Kids sehen in der Lehrerin den Stolperstein für ihre Kinder auf deren Weg ins Gymnasium. Man nimmt an, dass die Frau überlastet ist. Immerhin heult sie angeblich vor ihren Schülern rum und lässt ihren Stress an den Kids aus. Kein Wunder, dass die Noten der Nachkömmlinge abgesackt sind und die Eltern sich Sorgen machen. Wobei Sorgen noch geschönt ist, denn: „Die Müller muss weg!“ – so sieht es jedenfalls Jessica Höfel, die das Zepter der Elternsprecherin an sich gerissen hat. Zu scharf will man’s natürlich auch nicht treiben, denn Arbeitslosigkeit, gerade im Osten, ist ja eine schlimme Sache. Man will also nur dafür sorgen, dass die Pädagogin die Klasse abgibt. Doch die setzt sich zur Wehr und erzählt den fassunsglosen Eltern, dass ihre Zöglinge in Wahrheit echte Tyrannen sind. Als sie nach ihrer Standpauke dann Hals über Kopf die Biege macht, sind die Eltern auf sich allein gestellt – was noch viel mehr Konflikte heraufbeschwört …

Frau Müller muss weg! basiert sichtbar auf dem Theaterstück von Lutz Hübner, das Sönke Wortmann selbst schon in Berlin in Szene setzen konnte. Deshalb ist der Kinofilm nun auch sichtbar vom Theater inspiriert und funktioniert auf dem begrenzten Raum eines Klassenzimmers wie ein Kammerspiel. Nicht nur einmal fühlt man sich an Polanskis Gott des Gemetzels erinnert, der auf ählich engem Raum eine ähnliche angelegte Geschichte zur Eskalation bringt. Vielleicht gesellt sich noch etwas Breakfast Club mit umgekehrten Vorzeichen hinzu, wenn die Eltern nach der Flucht der Lehrerin mit ihren Problemen alleine zurückbleiben. Größter Coup des Films ist die konsequent gegen den Strich besetzte Anke Engelke in der Rolle der Rädelsführerin Jessica. Wie sie voller Inbrunst die kratzbürstige Karrierefrau mit Durchsetzungswillen gibt und bspw. den Hausmeister anraunzt, als der sie im Schwimmbad erwischt, das ist großes Schauspielkino und herrlich gespielt. Alleine die Anwesenheit Engelkes auf dem Cover der Blu-ray und in der Besetzungsliste legt zwar nahe, dass es sich um eine komödiantische Figur, um einen komödiantischen Film handelt. Doch von einer typischen deutschen Komödie ist Frau Müller muss weg! weit entfernt. Natürlich wird das Thema humoristisch unterfüttert, doch der Witz ist tiefschwarz und teils bitterböse. Als die Eltern denken, dass sie Frau Müller als ausgebrannt entlarvt haben, weil sie angeblich zur Psychotherapie geht, stellt sich heraus, dass es eine Physiotherapie ist – „Man wird ja wohl noch Rückenprobleme haben dürfen!“ ist die ebenso entrüstete wie sarkastische Antwort der Pädagogin, und einer der besten Momente während der vorzüglichen ersten halben Stunde.

Und wenn man denkt, Lehrerin, Schule und Eltern hätten ihr Fett wegbekommen, gesellen sich auch noch Ossi-Wessi-Vorurteile dazu – Frau Müller muss weg! ist praktisch ein Rundumschlag in Sachen festgefahrener Meinungen scheinbar unvereinbarer Positionen. Leider gesellen sich nach der ersten halben Stunde auch einige Belanglosigkeiten und ein bisschen zu viel Beziehungsquark hinzu, der mit dem brisanten Thema Schule-Kinder-Lehrer-Verantwortung praktisch nichts mehr zu tun hat und den Film auf seine nötige Kinolaufzeit streckt. Zu früh hat man dann den Eindruck, dass Wortmann ein bisschen Angst vor der eigenen Courage bekommt und beispielsweise das Thema „Erfolgsdruck in der Schule“ nicht zu sehr strapazieren will, weil er ja letztlich auch unterhalten möchte. Dabei unterhält er gerade während der ersten 30 Minuten, in denen der Film seine mitnichten desinfizierten Finger tief in die Wunden legt, blendend. Der Schlagabtausch zwischen Lehrerin und Elternschaft gehört zum bissigsten, was das deutsche Kino seit langer Zeit zu Wege gebracht hat. Schön, dass nach dem schwachen Mittelteil in den letzten zwanzig Minuten wieder der Kern getroffen wird und ein paar sehr wahre Worte zum veränderten Verhalten der Schüler und dem gesellschaftlichen System, in dem diese aufwachsen (müssen), gesagt werden. Am Ende von Frau Müller muss weg! ist klar, dass es zwischen den Lehrern und der Elternschaft eine Kluft gibt, die vor allem auf Unwissenheit und mangelnder Kommunikation begründet ist und an deren Überwindung man schleunigst und gründlich arbeiten sollte. Dass Wortmann während des Abspanns in die Zukunft der Kinder schaut, wirkt leider wie ein etwas ungelenker und klischeehafter Versuch, die Schule im Nachhinein als obsolet oder unwichtig für Lebenserfolg darzustellen.

Bild- und Tonqualität

Typisches Problem vieler Blu-rays/Filme der letzten Monate sind Randunschärfen, die auch bei Frau Müller muss weg! deutlich zutage treten. Vor allem im unteren Bereich sind die Details oft arg soft. Auf der Haben-Seite stehen dafür sehr kräftige und natürliche Farben sowie ein hoher Kontrastumfang. Die Schärfe ist ausgewogen und die Bildruhe ist sehr gut. Akustisch bleibt’s unspektakulär. Effekte und Räumlichkeit bleiben weitgehend aus. Lediglich die Filmmusik öffnet bisweilen mal den Raum. Die Dialoge kommen prägnant aus dem Center, wobei die natürliche Vertonung schon mal ein paar Probleme in Sachen Verständlichkeit hat.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Frau Müller muss weg! ist typisch für den Anbieter Highlight und dessen Outputs deutscher Produktionen. Ein (sehr) kurzes Featurette gibt einen Überblick über den Film. Dazu kommen sieben Interviews mit den Darstellern und Wortmann selbst sowie ein ebenfalls sehr kurzes Behind the Scenes.

Fazit

Frau Müller muss weg! beginnt stark, hinterlässt im mittleren Teil gemischte Gefühle und endet versöhnlich. Vor allem hat er aber eine Anke Engelke, die in ihren besten Momenten den nicht gerade schwachen Rest-Cast glattweg an die Wand spielt und die scharfzüngige Dialoge am laufenden Band loslässt.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 20%
Film: 70%

Anbieter: Highlight Communications
Land/Jahr: D 2014
Regie: Sönke Wortmann
Darsteller: Gabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnányi, Anke Engelke, Ken Duken, Mina Tander, Alwara Höfels, Rainer Galke
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 87
Codec: AVC
FSK: 6

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