Free Solo – Ein Leben ohne Angst 4K UHD

Blu-ray Review

free solo - ein leben ohne angst 4k uhd blu-ray review cover
Capelight Pictures, 19.07.2019
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Capelight Pictures, 19.07.2019

OT: Free Solo

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Der Kapitän

Free Solo ist Dokumentarfilm-Qualität mit allerhöchster und nervenzerrender Güte.

Inhalt

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Alex am Gipfel

Alex Honnold gehört zu den besten und weltweit anerkanntesten sowie beliebtesten Bergsteigern. Seine Leidenschaft ist das Freiklettern. Hier hat er immer wieder Maßstäbe gesetzt und für Bewunderung gesorgt. Dabei ist er stets bescheiden und kein großer Selbstdarsteller. Da er als Rationalist gilt und Risiken deshalb kontrolliert abwägen kann, gehört er unter anderem auch zu den erfahrensten Free-Solo-Kletterin. Und als solcher hatte er schon 2009 die große Idee, eine der berühmtesten Felswände der Welt zu erklettern, die praktisch senkrechte Wand des El Capitan im Yosemite Park. 975 Meter gilt es hier zu überwinden. Und Honnold will das Ganze ohne jede Absicherung tun. Etwas, das sich noch nie jemand zuvor getraut hat und wofür selbst abgesicherte Kletterer oft 15 Stunden und mehr benötigen. Von 2015 an bereitet er sich zwei Jahre lang intensiv darauf vor – und lässt sich während der ganzen Zeit dabei filmen …

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Leben im Van

„Free Solo“: Die Kletterer unter den Lesern werden wissen, um was es geht. Für diejenigen, die sich mit dem Sport nur bedingt auseinandergesetzt haben, eine kleine Begriffskunde:
Das Freiklettern ist ein überaus beliebter Sport, der nicht nur in der Halle an höheren Wänden und beim Bouldern praktiziert wird, sondern auch in der Natur. Grundsätzlich sind beim Freiklettern keine Hilfsmittel außer Händen, Schuhen, Seil und Haken erlaubt, um die Distanz zum Gipfel/Ziel zu bewältigen. Schwere Ausrüstung, Pickel, Leitern etc. müssen daheim bleiben. Innerhalb des Freikletterns gibt es allerdings noch eine Steigerung, das Free-Solo-Klettern.
Bei diesem wird ausschließlich mit Händen und Füßen als „Hilfsmittel“ gesetzt. Eine Absicherung durch Haken und Seile gibt es hier nicht.
Wahnsinn sagen sie? Richtig, sagen Viele.
Aber es gibt eine sehr aktive Szene und einige Legenden unter den Free-Solo-Kletterern. Die Deutschen Alexander Huber und Wolfgang Güllich (Stallones Double in Cliffhanger) gehören dazu und eben auch der Amerikaner Alex Honnold. Letzteren hat nun die Dokufilmerin Elizabeth Chai Vasarhelyi (MeruI) mit ihrem Kamera- und Ehemann (Profibergsteiger und Fotograf Jimmy Chin) begleitet und einen Film über ihn gemacht.
Der lief nicht nur in den USA erfolgreich im Kino (Einspiel: 17,5 Mio. Dollar), sondern auch hierzulande. Der Aufwand der Produktion wurde außerdem mit dem Oscar für den besten Dokumentarfilm 2018 ausgezeichnet.

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Einmal noch Haare schneiden vor dem großen Tag

Rein strukturell betritt Free Solo nicht mal großartig neue Pfade: Der Film beginnt mit einer schwindelerregenden Aufnahme von Alex während des finalen Kletter-Akts und schwenkt dann zurück, um die akribische Vorarbeit zu zeigen. Wir sehen, wie der Kletterer in seinem kleinen Van lebt, trainiert und sich (ziemlich seltsame) Mahlzeiten zubereitet. Wir beobachten ihn bei seinen systematischen Vorbereitungen, bekommen dazu aber nach und nach tiefgründige Einblicke in seine Kindheit. Wir erfahren, dass er immer eher ein Außenseiter war und seine Ängste in der Schule durch das Klettern besiegte. Außerdem begleitet ihn Chai Vasarhelyi an Lehranstalten, wo er über seine Stiftung berichtet.
Da Alex zur damaligen Zeit noch relativ frisch mit seiner Freundin Sanni zusammen war, wird auch dieses Kapitel beleuchtet. Obwohl er nicht verschweigt, dass ihm das Klettern (vermutlich) immer wichtiger sein wird als eine Partnerin. Das verdeutlicht auch noch mal das Gespräch zwischen den beiden, wenn sie nach etwas über 50 Minuten über das Free-Solo-Vorhaben sprechen.
Es sind diese privaten Momente, die uns den liebenswürdigen und extrem natürlichen, aber auch fokussierten und maximal ehrlichen Charakter von Alex näherbringen. Wenn er, der Eremit, davon erzählt, dass Sanni Leben in den Van bringt; wenn er dann aber kurz davor ist, die Beziehung zu beenden, weil ihr beim gemeinsamen Klettern ein Fehler unterläuft, der Alex zwei Quetschfrankturen an den Wirbeln beschert – spätestens jetzt wird Alex und auch dem Zuschauer klar: Ein Fehltritt, ein Fehlgriff und sein Vorhaben wird mit dem Tod enden.

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Im Angesicht des Free-Solo-Endgegners (gegenüber)

Und um mal eine kleine Warnung in das Review zu integrieren: Leute mit Höhenangst werden sich wünschen, einen fiktiven Thriller eingeschaltet zu haben. Denn spannender, schweißtreibender und furchterregender kann keine Fiktion sein. Der Autor dieser Zeilen gehört zu jener Klientel, die schon nasse Hände bekommt, wenn sie an einer Felswand nur hoch schaut – geschweigen denn von oben hinunter. Und so können diese 100 Minuten auch zu einer Grenzerfahrung für den Zuschauer werden.
Zwar erhält man zwischendurch Entspannungs-Hilfe von der demonstrierten Planung der Filmaufnahmen, dem Skizzieren, wo Kameras positioniert werden und welche Ängste auch die Kameramänner und Begleit-Kletterer vor dem Dreh hatten. Doch man stelle sich nur mal vor, Alex stürzt vor deren Kameralinse ab …
Und um das noch zu untermauern, werden auch gleich mal Archivbilder von Freikletterern eingespielt, die in den Tod stürzten.
Dass auch Alex Honnold nicht davor gefeit ist, zeigt Free Solo ebenfalls. Denn auch er stürzt bisweilen ab – was ihn aber nicht davon abhält, mit Stützschuh in einer Kletterhalle weiter zu trainieren, obwohl sein Knöchel bis zur Unkenntlichkeit geschwollen ist.
Und wenn dann der entscheidende Tag kommt, heißt es für alle Beteiligten und den Zuschauer ohnehin nur noch: Luft anhalten!

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Wahrlich keine Bilder für hochgradig Höhenängstliche

Bild- und Tonqualität BD

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Bei Alex sitzt jeder Griff

Das Bild von Free Solo basiert auf nativen 4K-Aufnahmen. Je nach verwendeter Kamera ist die Qualität etwas unterschiedlich. Am Boden und in dunklen Szenen ist die Schärfe etwas schwächer. Manche Gesichts-Szenen wirken weicher und wachsiger. Ab und an kommt etwas Rauschen hinzu, wenn das Licht zu schwach wird und der Schwarzwert lässt dann auch nach. Immerhin wurde hier zwar mit 4K-Kameras, aber nicht mit den teuersten Vertretern ihrer Gattung gearbeitet (geschuldet auch der möglichst kompakten Bauform für die speziellen Herausforderungen beim Dreh). Herausragend sind aber die Bilder während der eigentlichen Besteigungen, die auf einer ausgewachsenen Canon C300 basieren. Hier sind Kontrast, Schärfe, Detailtiefe und Farbkraft wirklich sehr gut.
Beim Ton setzt die BD (ebenso wie die UHD) auf dts-HD-Master-Spuren für beide Sprachen. Und beide erledigen einen guten Job. Die Surroundspeaker werden ohnehin praktisch nur durch die sparsam und sphärisch eingesetzte Filmmusik sowie durch zeitweilige Naturgeräusche bedient. Ansonsten konzentriert sich das Geschehen auf die Front und den Center. Stimmen werden hier absolut sauber wiedergegeben – und zwar sowohl die originalen Gespräche im Hintergrund wie auch die (hervorragend eingesprochenen) deutschen Voice-Over-Stimmen. Echte Effekte gibt’s hier nicht und braucht’s auch nicht.

Bild- und Tonqualität UHD

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Das ist dann wohl Freiheit

Free Solo wurde mit unterschiedlichen Digitalkameras aufgenommen. Von der Blackmagic URSA über die Canon 1DX Mark II bis hin zur Hauptkamera Canon C300 Mark II, die in mehrfacher Ausführung als Hauptkamera während der Aufnahmen im Fels diente. Der komplette Workflow lief in 4K ab und wurde über ein 4K DI auf die UHD gebracht. Die Ultra-HD ist also eine native 4K-Scheibe. Obendrauf spendierte man noch einen im Rahmen von Rec.2020 erweiterten Farbraum sowie die höhere Kontrastdynamik nach statischem HDR10.
Die Abstimmung ist zwar sichtbar dunkler, verfällt aber nicht in unerkennbare Details.
Während des laufenden Bildes fallen Banding-Probleme, die die Blu-ray offenbart (Wand 20’17, 57’36), weit weniger auf. Sie sind nicht getilgt (offenbar auch hier ein Problem der Kameras selbst, nicht der UHD), aber weniger deutlich.
In dunkleren Bereichen hat HDR10 eher für eine etwas flachere Dynamik gesorgt, die Blu-ray hat hier etwas mehr (aber weniger natürlichen) Kontrast. Außerdem gibt es vereinzelt schon mal horizontale (sehr feine) Störstreifen, die der BD wiederum fremd sind (oder in deren geringerer Auflösung verschwinden). Zu erkennen zu Beginn von Kapitel 2 im Himmel.
Ansonsten macht die UHD alles besser. Sie differenziert Farben besser, hat die kräftigeren Rot- und Grüntöne und wirkt bei Gesichtern natürlicher. Neutrale Flächen sind noch etwas neutraler Grau und das dezente Helligkeitspumpen bei einigen dunklen Sequenzen ist der UHD ebenfalls fremd.
Übrigens haben die Luftaufnahmen von Las Vegas oder den Felsen des Yosemite Parks ein leicht anderes Zoom und zeigen über die UHD oben sowie an den Rändern links und rechts mehr Bildinhalt.

Blu-ray (21’02): (Slider ganz nach rechts): Die Blu-ray ist schon recht kontrastreich in den gut ausgeleuchteten Tagesszenen.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD zeigt Farben etwas dramatischer und hat mehr Kontrast. Der leichte Schleier der Blu-ray ist hier eliminiert. Gut zu sehen: Das Mehr an Bildinhalt.

Blu-ray (85’03): (Slider ganz nach rechts): Auch beim Beklettern der Wand fallen die Unterschiede auf.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD lässt die Textur des Felsens mit seinen Flechten und anderem Bewuchs lebendiger und reichhaltiger erscheinen.

Blu-ray (55’59): (Slider ganz nach rechts): Im Falle von Hauttönen ist die Blu-ray vielleicht etwas zu hell und gelblich.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Die UHD bleibt natürlicher und zeigt auch hier mehr Differenzierung.

Blu-ray (13’03): (Slider ganz nach rechts): Für den Auflösungsvergleich nehmen wir uns eine Stelle und zoomen hinein. Die BD hat hier das etwas verschwommenere Schriftbild.

UHD HDR10 (Slider ganz nach links): Auch wenn die 4K-Kameras nicht durchweg perfekte Detailtiefe liefern, kann sich die UHD hier absetzen und die Schrift deutlicher abbilden. Auch das Gras auf der anderen Straßenseite ist noch etwas besser erkennbar.

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Zum Größenvergleich des Zooms oben das entsprechende Bild mit vollem Inhalt
Keine Änderung beim Ton: Die UHD kommt mit den identischen dts-HD-Master-Spuren.

Bonusmaterial

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Das filmende Doku-Ehepaar aus Regisseurin und Kameramann

Das qualitativ hochwertig gestaltete und limitierte Collector’s Edition Mediabook liefert neben der UHD auch die BD und DVD des Films. Dazu gibt’s ein 24-seitiges Booklet auf dickem, mattiertem Papier, das Interviews mit Honnold, Regisseurin Chai Vasarhelyi und Co-Regisseur/Kameramann Jimmy Chin. Weitere Interviews gibt es dann im Bonusbereich der Disk selbst. Das enthaltene Featurette „Was, wenn er abstürzt“ ist mit zehn Minuten zwar sehr kurz, schildert aber eindrücklich, wie groß der Stress auch für die filmende Crew war und wie man mit dem Gedanken umging, dass Alex vor laufenden Kameras bei einem Fehler in den Tod stürzen könnte. Damit diese Bürde nicht an jeder Stelle des Massivs auf den Kameraleuten und der Crew lastete, filmte man eine der schwierigsten Passagen bspw. mit automatisierten Kameras.

Fazit

Free Solo ist ein unglaublich faszinierender, mörderisch spannender und dabei angenehm auf dem Boden gebliebener Trip in eine Welt, die nur wenigen Menschen aktiv vorbehalten ist. Regisseurin Elizabeth Chai Vasarhelyi hat nicht nur zu Recht den Oscar für den besten Dokumentarfilm erhalten, sondern in 100 Minuten einen Bogen von Privatem, Sportlichem und Waghalsigem geschaffen, den die meisten geskripteten und fiktionalen Filme nicht erreichen – fantastisch!
Die UHD ist bis auf Kleinigkeiten durchweg besser als die Blu-ray.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität BD: 70%
Bildqualität UHD: 75%

Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (dt. Fassung): 80%
Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 80%

Bonusmaterial: 60%
Film: 100%

Anbieter: Capelight Pictures
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Jimmy Chin, Elizabeth Chai Vasarhelyi
Sportler: Alex Honnold, Tommy Caldwell, Cheyne Lempe, Mickey Schaefer
Tonformate BD/UHD: dts-HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 100
Codec BD: AVC
Codec UHD: HEVC
Disk-Kapazität: BD-66
Real 4K: Ja (4K DI)
High Dynamic Range: HDR10
Maximale Lichtstärke: 1000 Nit
FSK: 6

(Copyright der Cover und Screenshots liegt bei: Capelight Pictures)
(Copyright der Szenenbilder: National Geographic, Jimmy Chin, Chris Figenshau)

Trailer zu Free Solo

FREE SOLO Trailer(Deutsch)

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Pascal

Konnte den Film die Tage auch schauen. Einfach eine beeindruckende Leistung und ein sehr sympathischer Typ.