Free State of Jones

Blu-ray Review

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EuroVideo, 10.11.2016

OT: The Free State of Jones

 


„Jeder Mensch ist ein Mensch!“

Historisch verbrieftes Drama um einen Südstaatler, der während des Unabhängigkeitskriegs desertiert und gemeinsam mit entflohenen Sklaven und armen Farmern der Gegend ein ganzes County zur befreiten Zone erklärte.

Inhalt

1862: Der Krieg zwischen den Konföderierten und den Unionsstaaten ist im vollen Gange. Armeesanitäter Newton Knight hat es langsam satt, dass die Captains, die er verwundet ins Zelt trägt bevorzugt behandelt werden. Die Tatsache, dass die „20-Neger-Regel“ seit Kurzem auch noch all jene ältesten Söhne vom Dienst in der Armee befreit, die 20 oder mehr Sklaven beschäftigen lässt ihn zunächst mit Zynismus reagieren. Doch nachdem sein kleiner Neffe zwangseingezogen, schwer verletzt und von keinem Doktor behandelt wird, reicht es ihm. Er kämpft nicht länger als Kanonenfutter den Krieg des armen Bauern für die Reichen und desertiert. Nachdem er sich hernach für lokale Familien eingesetzt hat und mit den offiziellen Armeejägern in Kontakt kam, muss er in die Sümpfe fliehen. Während er wegen Volksverrates gesucht wird, formt er dort aus geflohenen Sklaven und gleichdenkenden Weißen eine schlagkräftige Miliz, die kurzerhand die Führung von Jones County/Mississippi überwältigt und ihn daraufhin zur „Free State of Jones“ macht. Doch irgendwann ist der Krieg vorbei und die Entwicklungen sind nicht so, wie man sie sich erhoffte …

Der Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten der USA ist eine einfache Angelegenheit gewesen: Gut gegen Böse, Sklavenhalter gegen jene, die die Versklavung abschaffen wollten – so jedenfalls glaubt man. Dass es nicht immer so schwarz-weiß ist, wie man es gemeinhin denkt oder glaubt, schildert Free State of Jones. Natürlich ging es im Sezessionskrieg um den Konflikt zwischen den Unionsstaaten des Nordens und den Konföderierten Staaten des Südens und natürlich stand am Ende der Sieg der Union sowie die formale Abschaffung der Sklaverei. Doch inmitten dieser vier Jahre der kriegerischen Auseinandersetzung, der fast eine Million Menschen zum Opfer fielen, gab es auch auf Seiten der Südstaaten individuelle Ausnahmen. Matthew McConaughey spielt Newton Knight, einen Kämpfer der Konföderierten, der die Toten eines Tages satt hat und desertiert. Seine daraufhin mit Hilfe geflohener Sklaven erwirkte Überwältigung des Jones County/Mississippi, das man hernach zur befreiten Zone erklärte, gehört zu diesen Ausnahmen und wurde von Gary Ross mit dem Herz am rechten Fleck für die Geschichte adaptiert. Dabei wirft er den Zuschauer sofort mitten ins Geschehen, lässt ihn im Schützengraben Deckung suchen, während um ihn herum die Kugeln flitzen, die Kanonenkugeln Leiber zerfetzen und Soldaten mit weggeschossenen Köpfen auf der Wiese zurückbleiben. In Sachen grafischer Darstellung braucht sich Free State of Jones kaum vor Kriegsfilm-Kollegen zu verstecken und man weiß vom ersten Moment an, dass man es hier nicht mit einem glorifizierenden Film zu tun hat.

Unterbrochen wird das epische Werk ab und an durch Wechsel in die 1950er Jahre. Dort steht ein späterer Nachfahre von Newton vor Gericht, der aufgrund von Knights Verbindung mit einer Farbigen „1/8 Niggerblut“ in sich trägt und damit die „Mindestanforderung“ erfüllt, als Farbiger zu gelten. Als solcher machte er sich strafbar, als er eine Weiße heiratete. Zwar sind diese Wechsel immer wieder leichte Brüche in der Dramaturgie, doch die Absicht von Ross ist klar: Auch 80 Jahre nach Ende des Kriegs ist der rassistische Gedanke aus den Köpfen vieler Amerikaner noch nicht raus und unmenschliche Gesetze sind noch nicht abgeschafft. Ross hätte sogar noch weiter in die Gegenwart gehen können, denn erst im Zuge der diesjährigen Wahl wurden Vorschriften abgeschafft, nach denen sich Wähler in einigen Bundesstaaten mit einem offiziellen Dokument ausweisen mussten, um ihre Stimme abzugeben. Da sich vornehmlich Schwarze kein Auto leisten können und damit auch keinen Führerschein besitzen, wurde es ihnen drastisch erschwert, zur Wahl zu gehen. Aber zurück zum Film: Ross lässt sich viel Zeit, seine Geschichte zu erzählen und gibt den Figuren Raum zur Entfaltung. Gerade die anfänglichen Szenen im Sumpf beschreiben, wie Knight von den entflohenen Sklaven versorgt wurde und wie sie begannen, eine Gemeinschaft zu formen. Die späteren Gewaltauseinandersetzungen mit den Soldaten der Konföderierten basieren auf dieser Verbindung – und auf Gräueltaten des Truppenchefs, der Kinder aufknüpfen ließ, anstatt ihnen die versprochene Gnade zu gewähren. Free State of Jones lässt zwar keinen Zweifel daran, dass Newton Knight moralisch auf der richtigen Seite steht, verschweigt aber auch nicht, dass es durchaus blutig und nicht ohne Tote zuging. Knight selbst erwürgt den Befehlshaber des County, obwohl dieser bereits wehrlos am Boden liegt. Vielleicht verzettelt sich der Film während der letzten Dreiviertelstunde etwas zu sehr in einer Abfolge historischer Ereignisse, um zu schildern, was nach dem Ende des Kriegs passierte. Hier fehlt dann etwas der erzählerische rote Faden. Doch deshalb ist Free State of Jones am Ende nicht minder wichtig und erschütternd. Gerade wenn einem mal wieder bewusst wird, dass die mörderischen Zeiten für Schwarze in den Südstaaten nach Unabhängigkeitskrieg erst begannen.

Bild- und Tonqualität

Beim Bild von Free State of Jones muss man sich auf die von Beginn an starke Körnung einlassen. Dies wird noch deutlich stärker, wenn die Beleuchtung nachlässt und in dunklen Szenen innerhalb der Häuser nurmehr eine Feuerstelle für Licht sorgt. Ab und an erkennt man dann kaum mehr die Umrisse der Protagonisten. Die gut ausgeleuchteten Szenen in den Sümpfen warten zwar mit einem sichtbaren Grünfilter auf, gelingen aber ruhiger und schärfer. Der Kontrastumfang bleibt im mittleren Bereich, während dunkler Szenen gesellt sich allerdings eine bläuliche Einfärbung dazu, die Schwarzwerte etwas beeinträchtigt.
Famos, was der Sound von Free State of Jones von Beginn an während der Schlachtsequenzen bietet. Schwere Artillerie pfeift den Protagonisten um die Ohren, Querschläger zischen durch die Luft und Granaten schlagen äußerst wuchtig in den Boden ein. Die Schüsse aus den Gewehren dringen wahlweise dumpf oder fetzend in die Gegner und man fühlt sich mitten drin im Geschehen. Selbst wenn nicht gekämpft wird, ist die Naturkulisse räumlich. Man hört das Zirpen der Grillen, den Wind in den Bäumen oder einen Schaukelstuhl in der Wohnstube leicht knarzen. Klasse auch die Tiergeräusche in den Sümpfen 33’00). Dialoge bleiben derweil gut verständlich.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Free State of Jones hat man vier Interviews abgelegt, von denen jenes mit Regisseur Ross vor allem die historischen Hintergründe beleuchtet. Hauptdarsteller McConaughey gibt zunächst mal zu, dass er weder von Newton Knight, noch von der Geschichte selbst wusste, bevor er das Drehbuch bekam. Allerdings bewegte ihn die Geschichte des konsequenten Mannes, den er im Film verkörpern sollte.

Fazit

Free State of Jones behandelt ein Kapitel, das selbst in den USA kaum jemand kennt und das doch so wichtig ist, wenn es darum geht, gelebte Zivilcourage aufzuzeigen. Schlimm genug, dass den Frauen und Männern rund um Newton Knight nach dem Ende des Unabhängigkeitskriegs nicht die Gerechtigkeit widerfuhr, die sie verdient gehabt hätten. Und noch schlimmer, dass das formale Ende der Sklaverei keinesfalls gleichzeitig den Rassismus und die unfassbar ungerechten Gesetze abschaffen konnte.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: EuroVideo
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Gary Ross
Darsteller: Matthew McConaughey, Gugu Mbatha-Raw, Keri Russell, Mahershala Ali
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,85:1
Laufzeit: 140
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Free State of Jones

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