Galveston – Die Hölle ist ein Paradies

Blu-ray Review

galveston blu-ray review cover
Koch Films, 28.02.2019

OT: Galveston

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Ein Tag wie der andere

Ein Film, der sprachlos zurücklässt …

Inhalt

galveston blu-ray review szene 1
Die Lunge macht’s nicht mehr lang

New Orleans, 1988: Roy Cady ist Profikiller und als solcher macht er die Drecksarbeit für den schmierigen Geschäftsmann Stan. Roys Leben bestimmen Gewalt, Alkohol und andere Drogen. Weil er ein harter Hund ist, kümmert es ihn nach außen hin auch nicht, dass sein Arzt im soeben eine Krebsdiagnose gestellt hat. Im Verleugnen war Roy schon immer gut und so hört er sich die Worte des Mediziners nicht mal zu Ende an. Da kommt ihm eigentlich ganz Recht, dass sein aktueller Auftrag etwas gemäßigter vonstatten gehen soll – immerhin soll Roy niemanden töten. Doch die Herren, auf die er Druck ausüben soll, erwarten ihn und seinen Kollegen bereits. Mit Mühe und Not kann er die Gegner beseitigen, hat aber fortan die junge Prostituierte Rocky am Bein. Und nicht nur das. Kurz darauf holt Rocky noch ihre kleine Schwester mit an Bord – sehr zum Leidwesen von Roy, der sich nicht gleich um zwei Gören kümmern will. Auf der Flucht vor den möglichen Rächern der Toten landet das Trio in Galveston, dem Geburtsort von Cady. Doch auch dort sind sie nicht allzu lange sicher …

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Zum Trio angewachsen kümmert sich Roy um die beiden Mädchen

Mélanie Laurent kennt man aus By the Sea oder Die Unfassbaren – Now You See Me – vor der Kamera. Nun macht die Französin einen Schritt „zurück“ und liefert mit Galveston – Die Hölle ist ein Paradies ihr englischsprachiges Regiedebüt ab. Auf Basis einer Vorlage von True-Detective-Autor Nic Pizzolatto entwickelt sie ein düsteres und dreckiges Roadmovie, das sich auf seine zwei Hauptdarsteller konzentriert. Seinen Reiz bezieht der Stoff dabei aus den runtergekommenen Gegenden, den abgerockten Hinterwald-Behausungen und dem spröden Verhältnis der beiden Hauptdarsteller. Während Ben Foster als todgeweihter Killer so wortkarg und ruppig ist, wie man es von einem Typen wie Roy erwarten würde, sorgt Elle Fanning für die emotionaleren Momente. Laurent gelingt es dabei vor allem durch ihre fokussierte Inszenierung und die langen Einstellungen vor der schwülheißen Atmosphäre des Südens von New Orleans, Atmosphäre zu erzeugen. Allerdings sollte man keinen Action erwarten. Nach der überraschend eruptiv-brutalen Szene, nach der sich Roy und Rocky begegnen, dauert es bis zum Finale, bevor es mal ein bisschen temporeicher wird.
Galveston interessiert sich vielmehr für die Abgründe in den Charakteren. Das hier ist nicht das saubere Upper-Class-America. Hier geht’s um die Menschen, die den Amerikanischen Traum schon lange abgeschrieben haben und nur noch irgendwie über die Runden kommen wollen.

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Noch so jung und dennoch schon durch die tiefsten Tiefen gewatet: Rocky

Gleichzeitig handelt es von zwei Menschen, deren Schicksal eigentlich besiegelt zu sein schien, die sich aber dennoch mit Kraft dagegen wehren. Roy, der spätestens beim Besuch einer Verflossenen merkt, dass ihn so richtig niemals jemand gemocht hat, sieht im Schutz von Rocky eine letzte Möglichkeit, für sein verkorkstes Leben so etwas wie Absolution zu erhalten. Wenn er zumindest ihr eine Perspektive verschaffen kann, wo er selbst keine mehr hat. Ben Foster, der durch diese schauspielerische Tour de Force muss, röchelt, hustet und schlägt sich durch Galveston als wäre es die letzte Rolle seiner Karriere – großartig. Elle Fanning lässt sich gleichzeitig nicht unterkriegen und agiert auf Augenhöhe. Wenn sie davon berichtet, wie sie ihr kleines Mädchen zurück gelassen hat, wird das niemanden kalt lassen. Erst Recht fährt’s dem Zuschauer in die Glieder, wenn nach 72 Minuten der bitterste Momente des Films ansteht. Fast in Schockstarre sieht man im Anschluss zu, wie Roy mit gebrochener Nase, zugequollenen Augen und einer Beule von der Größe einer Apfelsine auf der linken Gesichtshälfte in einer minutenlangen Plansequenz durch Stans Stoffbetrieb wandelt. Spätestens hier wird klar, welches Filmtalent in Mélanie Laurent steckt. In diesen knapp zehn Minuten von Galveston bricht aus, was sich zuvor über eine Stunde lang aufgebaut hat. Und dann schlägt der Film zu wie ein ein tollwütiger Hund.

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Kurzer Moment der Stille und Zweisamkeit

Bild- und Tonqualität

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Zwei mit Vergangenheit

Das Bild von Galveston ist zunächst mal ziemlich düster. Da die ersten 22 Minuten praktisch nur in Dunkelheit spielen, muss man bisweilen schon sehr genau hinschauen, um alle Details erkennen zu können. Um dem schmuddeligen Tenor des Films entgegen zu kommen, sind einige Einstellungen bewusst körnig gehalten, während Farben relativ entsättigt daherkommen – sieht man vom raus stechenden roten Kleid Rockys ab. Wenn mehr Licht dazu kommt, sind die Einstellungen sehr ruhig und Close-ups scharf.
Galveston beginnt mit räumlicher Darstellung des anfänglichen Sturms, der von außen auf die Wohnung eindringt. Auch die Motorengeräusche der alten Vans kommen recht authentisch rüber. Stimmen sind laut und deutlich vernehmbar, klingen vielleicht ein bisschen überbetont hohl, wenn die Darsteller im Auto sitzen. Das abendliche Zikadenzirpen klingt allerdings realistisch und auch der auf die Windschutzscheibe prasselnde Regen liefert Rumdum-Sound. Abgefeuerte Schüsse durchbrechen die Stille mitunter schlagartig.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Galveston findet sich ein Making-of, das rund eine Viertelstunde läuft und vornehmlich beschreibt, wie die Regisseurin und die Darsteller zum Projekt kamen und wie sie ihre Figuren einordnen.

Fazit

Galveston ist ein Schwergewicht von einem bitter-düsteren Film. Getragen von zwei unglaublich guten Darstellern und mit kraftvollen Bildern ausgestattet ist das zwar nicht einfach zu konsumieren, wirkt aber umso länger nach.
Ach so: Wann endlich fällt der Academy eigentlich mal dieser Ben Foster auf, der in praktisch jedem Film einfach nur abliefert und die versammelten Kollegen locker an die Wand spielt? Die Liste seiner herausragende Rollen ist lang. Jene der Oscar-Nominierungen umso kürzer – eine schreiende Ungerechtigkeit!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 30%
Film: 80%

Anbieter: Koch Films
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Mélanie Laurent
Darsteller: Ben Foster, Elle Fanning, Jeffrey Grover, Beau Bridges, Mark Hicks
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 94
Codec: AVC
FSK: 16

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Koch Films)

Trailer zu Galveston

GALVESTON Official Trailer TEASE (2018) Elle Fanning, Ben Foster Movie HD

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