Blu-ray Review
OT: Deadly Virtues: Love.Honour.Obey.
I Want You to Want Me!
Gefesselt – Liebe. Ehre. Gehorsam. liefert einen vollkommen anderen Ansatz bei der Motivation seines Hauseindringlings.
Inhalt
Der Eindringling verschafft sich über einen Zweitschlüssel Zutritt zum Haus von Alison und Tom, bewegt sich leise die mit Teppich bezogene Treppe hinauf, findet einen hochhackigen Schuh der Dame, riecht genüßlich daran und arbeitet sich weiter nach oben. Das Stöhnen der beiden Hausherren kommt aus dem Ehebett, in das der Invaseur nun mit einer Art Totschläger eintritt – “Was dagegen, wenn ich mitmache?” fragt er die verstört zu ihm blickenden Hausbewohner. Kurze Zeit später liegt Tom blutüberströmt am Boden und Alison findet sich gefesselt in der Küche wieder. Kunstvoll hat er sie festgeschnürt und wendet die herausragenden Bondage-Techniken auch bei Tom an, den er im Bad zurücklässt. Von nun an quält er abwechselnd Tom, um sich dann Alison zuzuwenden, die für ihn die perfekte Ehefrau spielen muss. Der Täter nimmt praktisch Toms Platz ein, legt sich neben Alison zur Nachtruhe und startet den nächten Tag mit gemeinsamem Frühstück. Während Alison es fast lieber hätte, er würde sich an ihr vergehen und dann wieder abhauen, steht dem Fremden eher der Sinn danach, das Herz seiner Gefangenen zu erobern. Nach und nach schafft er es gar, Zwietracht zwischen den Eheleuten zu säen – wäre er der bessere Ehemann?
Ate de Jong (Der Blitzangriff: Rotterdam 1940, Mein böser Freund Fred) macht keine Gefangenen und schert sich erst gar nicht darum, eine Vorgeschichte zu erzählen. Unvermittelt versetzt er den Zuschauer ins Geschehen und lässt ihn daran teilhaben, wie der Eindringling den Hausherren foltert und die Dame fesselt. Jetzt könnte man meinen (und das deutsche Cover zielt bewusst auf die Nähe ab), es ginge um einen Rape & Revenge Thriller nach Muster von I Spit on your Grave. Doch tatsächlich ist Gefesselt – Liebe. Ehre. Gehorsam. mehr als das. Beispielsweise ist er in den Fesselkünsten mehr BDSM (wenn auch mit pervertierter Motivation des Täters) als Shades of Grey während der vollen Spielzeit. Auch ist er erniedrigender und unangenehmer als I Spit on your Grave, obwohl die vordergründigen Brutalitäten abseits der Kamera geschehen. Wenn der Täter Alison zwingt, eine Dusche zu nehmen, während ihr gepeinigter Mann unter ihr gefesselt in der Badewanne liegt, dann ist das äußerst intensiv gespielt und bedrückend inszeniert. Auch der Täter ist hier deutlich vielschichtiger und psychologisch pathologischer unterwegs als jene tumben Pendants aus den herkömmlichen Genrefilmen. Ihm geht es nicht um kurzfristige Befriedigung einer sexuellen oder aggressionstechnischen Neigung. Vielmehr ist sein psychopathisches Verhalten darauf aus, sein verqueres Verständnis von Liebe durchzusetzen, in dem er sich selbst ins vermeintlich rechte Licht rückt und seinen Kontrahenten diskreditiert. Dabei nutzt Ate de Jong das Drehbuch von Mark Rogers geschickt, um zeitweise Sympathie für den Eindringling zu entwickeln, denn das Verhalten der Eheleute und vor allem des Ehemannes ist und war alles andere als unzweifelhaft. Es gibt Szenen in Gefesselt, die eine Art der Erlösung für Alison bringen – Katharsis für eine Frau, die bereits unter ihrem Mann leiden musste und auf deren Seele eine schwere Last abgelegt wurde. Selbstverständlich rechtfertigt der Film dies nicht, indem er das Verhalten des Täters für gut heißt, doch immerhin wirft Gefesselt auf diese Art Fragen auf, die deutlich weiter unt tiefer gehen als in den üblichen Terrorfilmen. Besonders intensiv wird dies deutlich, wenn Alison beginnt, auf vereinzelte Taten des Eindringlings positiv zu reagieren. So ist Ate de Jongs Werk dann auch mehr Psychodrama denn Horror- oder Home-Invasion-Thriller. Und wenn man dann denkt, alles wäre vorbei, fängt der echte Terror erst an. Leider schleichen sich in das durchaus bedrohliche Szenario auch immer mal Längen ein. Längen, die von den glaubwürdig agierenden Darstellern jedoch gekonnt überspielt werden. Gerade Edward Akrout (Die Borgias, Dead in Tombstone) liefert bisweilen eine beeindruckende Performance ab, die zwischen Perfidität und Charme variiert. Megan Maczko, die demnächst in Ein Hologramm für den König, dem jüngsten Tom-Tykwer-Film, zu sehen sein wird, liefert ebenso authentisch den Spagat zwischen Abscheu, Angst und Stockholm-Syndrom ab.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Gefesselt liefert eine erstaunliche Laufruhe, die keinerlei Rauschen oder Korn offenbart. Allerdings ist die Schärfe dafür nicht sonderlich ausgeprägt und Gesichter haben eine etwas ungesunde rötlich-rosane Färbung. Während Schwarztöne relativ knackig rüberkommen, ist der Kontrastumfang gesamt etwas reduziert. Insgesamt hinterlässt das Bild eher einen zweidimensionalen Eindruck. Akustisch ist Gefesselt – Liebe. Ehre. Gehorsam. vollkommen unspektakulär. Nur wenige elektronisch erzeugte Töne legen sich hier und da auf dem LFE-Chanel ab, die Rears bleiben nahezu komplett still. Es gibt nur selten Filmmusik und diese bleibt dann auch noch dezent im Hintergrund. Was bleibt, sind gut verständliche Dialoge vom Center.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Gefesselt – Liebe. Ehre. Gehorsam. wartet außer den Trailern und Programmtipps noch der lebhafte, aber arg verhallt eingesprochene Audiokommentar von Regisseur Ate de Jong.
Fazit
Gefesselt – Liebe. Ehre. Gehorsam. ist ganz anders als die Verpackung es vermuten lassen würde. Statt Rape & Revenge gibt’s hier psycholgisch ausgefeiltes Psychodrama mit finalem Überraschungseffekt – für aufgeschlossene Filmfreunde mit guten Nerven ein absoluter Tipp!
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 55%
Tonqualität (Originalversion): 55%
Bonusmaterial: 20%
Film: 75%
Anbieter: Tiberius Film
Land/Jahr: Großbritannien/Niederlande 2014
Regie: Ate de Jong
Darsteller: Megan Maczko, Edward Akrout, Matt Barber, Helen Bradbury, Sadie Frost
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 87
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
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