Blu-ray Review
OT: Get Out
Bingo!
In Get Out verschmelzen moderner Rassismus und Horror zu einem unwiderstehlichen Geflecht.
Inhalt
Rose ist hübsch, jung und weiß. Ihr Freund Chris ist schon einige Zeit an ihrer Seite und afroamerikanischer Herkunft. Zwar schreiben wir das Jahr 2016, doch Rassismus ist latent so vorhanden wie eh und je. Das ist auch der Grund, warum sich Chris noch nicht dazu durchringen konnte, dass Rose ihm ihre Eltern vorstellt. Immerhin wissen diese noch nichts vom ersten schwarzen Partner ihrer Tochter. Doch deren Argument, dass ihr Vater auch noch ein drittes Mal Obama gewählt hätte, wenn er denn könnte, überzeugt Chris. Er hat es also mit sehr liberalen Menschen zu tun. Dass man während der Fahrt aufs Land zum Haus ein Reh erwischt und der verständigte Officer sich ziemlich diskriminierend verhält, hätte den beiden vielleicht ein Omen sein sollen. Doch zunächst mal ist alles toll. Rose‘ Vater ist extrem nett und nimmt Chris mit offenen Armen auf. Dass sie schwarze Hausangestellte haben, kommt dem jungen Mann zwar etwas komisch vor, doch auch dafür hat der Hausherr gute und idealistische Argumente parat. Komisch nur, dass die Bediensteten sich ziemlich merkwürdig verhalten. Nachdem Chris von Rose‘ Mutter (unfreiwillig) hypnotisiert wurde, bekommen seine Zweifel langsam Nahrung – und er soll Recht behalten …
175 Mio. Dollar Einspiel bei 4 Mio. Dollar Produktionskosten – viel effektiver kann ein Genrefilm kaum werden. Und überraschender auch nicht. Get Out kam im Februar 2017 gerade zur richtigen Zeit und überzeugte die amerikanischen Zuschauer nicht nur in Sachen Grusel, sondern vor allem auch in Bezug auf die satirischen Aspekte. Denn Jordan Peeles Film traf den Nerv. Der TV-Darsteller und Komödiant gibt selbst an, dass ihm die Idee zum Skript kam, als Barack Obama Präsident wurde und eine Zeit begann, die er Post-Rassimus-Lüge-Ära nennt. Also eine Periode, in der Rassismus nach außen hin überwunden schien (immerhin hat man einen afroamerikanischen Präsidenten), aber unter der Oberfläche immer noch vorhanden war. Genau das thematisiert Get Out von Beginn an, wenn ein Police-Officer praktisch grundlos Chris nach dessen Ausweispapieren fragt. Von Gesetzes wegen darf er das, selbst wenn Chris nicht am Steuer saß, doch genau diesen latenten Rassismus will der Film offenlegen. Das tut er übrigens auch während der „positiven“ Äußerungen. So sagt Rose‘ Bruder Jeremy irgendwann, dass Chris bei „seiner“ körperlichen Genetik in Kampfsportarten die allerbesten Voraussetzungen habe. Damit spielt der Film natürlich auch auf das Dilemma an, dass man sich praktisch schon wieder diskriminierend äußert, sobald man auf die Unterschiede anspricht – selbst wenn es positiv besetzte Differenzen sind. Jordan Peele macht es dem Zuschauer deshalb gar nicht so leicht, ertappt man sich doch selbst immer mal wieder bei dem Gedanken, dass man zwischen beiden Herkunftsarten unterscheidet.
Doch Get Out ist ja nicht (nur) ein Film, der sich kritisch mit dem Thema Rassismus beschäftigt, sondern einer, der den Zuschauer lange im Unklaren darüber lässt, was er will. Grusel-Momente sind zunächst selten, sitzen aber selbst dann schon ziemlich tief in den Gliedern, wenn die zwei farbigen Angestellten in der Nacht im Haus herumschreiten oder scheinbar motivationslos auf Chris hinzu rennen. Gerade letztere Szene hat eine seltsame Schockwirkung, die man nicht mal so richtig erklären kann. Mit Eintreffen der Fest-Gesellschaft beginnt es dann wirklich merkwürdig zu werden. Die Stimmung, die Get Out verbreitet, ist immer von unterschwelliger Natur. Der Grusel und Horror findet stets unter der Oberfläche statt und wird mit subtiler Musik perfekt unterstützt. Wer erwartet, hier einen vordergründigen Schocker geliefert zu bekommen, sollte um den Film deshalb einen großen Bogen machen oder vorher noch einmal den großen Reset-Button drücken. Denn man muss sich auf die Stimmung einlassen. Wer das nicht schafft, wird sich zunächst wundern, warum hier „nur geredet“ wird.
Die Atmosphäre wirkt nur dann unangenehm, wenn man das Rassismus-Thema im Hinterkopf hat. Chris‘ komisches Gefühl, das selbst nach 50 Minuten noch keinen echten Anlass für Bestätigung bekommen hat, sorgt bisweilen für umgedrehte Vorurteile. Da MUSS doch Rassismus im Spiel sein, denkt er sich. Wenn beispielsweise die Bediensteten sich so verhalten, als hätte es die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung nie gegeben. Der Zuschauer weiß genau wie Chris, dass hier irgendwas nicht stimmt – und das macht die Spannung aus. Denn man will unbedingt wissen, welche Auflösung hinter der schwelenden Fassade steckt. Dass das so gut funktioniert, liegt vor allem am sensationell aufspielenden Cast. Schon Daniel Kaluuya (Sicario) ist als Chris hervorragend besetzt. Sein teils aufblitzender Sarkasmus passt perfekt zu den entsprechenden Situationen und er spielt seine Figur jenseits aller Klischees solcher Rollen. Furchteinflößend sind Katherine Keener als hypnotisierende Mutter und Bradley Whitford als Familien-Patron. Und wenn dann nach 65 Minuten der blanke Horror einsetzt, fügen sich die Puzzle-Teile zu einem bösen Ganzen zusammen, das sinnbildlich dafür steht und äußerst spannend dramatisiert, dass der Liberalismus nicht das Ende des Rassismus bedeutet. Ganz im Gegenteil: Der Horrorfilm war immer die „günstige“ Film-Möglichkeit Urängste zu thematisieren. Und unter der Fassade der Freundlichkeit versteckt Get Out Ängste vor der Mischehe, den Alltagsrassismus der Polizei oder die Rassen-Vorurteile der ländlichen Bevölkerung. Selbst die Tatsache, dass Chris sich so gerne wünscht, dass er dem liberalen Bild trauen kann, spricht Bände. Und wenn er dann merkt, dass er sich ultimativ getäuscht hat, entflammt dann doch noch der Horror in einem blutigen Finale, das einen ganz neuen Verwendungszweck für ein Hirschgeweih liefert.
Bild- und Tonqualität
Get Out dürfte vom Kontrastumfang her zu Beginn noch ein wenig intensiver sein. Gerade dunkle Bereiche und Schwarzwerte könnten etwas mehr Zeichnung vertragen. Im weiteren Verlauf fängt sich das aber und vor allem Aufnahmen in Dunkelheit kommen plastisch rüber. Farben geraten natürlich und recht warm, sind bisweilen etwas braun gefiltert Auch ein leichter Grünfilter gesellt sich schon mal dazu, was gerade auf dunkleren Hintergründen leichte Farbverfälschungen verursacht. In punkto Schärfe kann die Blu-ray durchweg gute Werte liefern und verteilt diese vor allem homogen auf dem Bildschirm. Auch die Bildruhe gefällt und lässt sich kaum von Korn oder Rauschen aus dem Tritt bringen.
Während die deutsche Tonspur von Get Out mit regulärem dts auskommen muss, bekam die Originalfassung eine dts-HD-Master-Version spendiert. Beiden gleich ist die luftige und sehr räumliche Filmmusik während des Vorspanns. Wenn Missy Armitage per Löffel-in-der-Tasse-Rühr-Hypnose Chris vom Regen erzählt, erscheint dieser akustisch sehr präsent auf den Rearspeakern und die Jump Scares sitzen ebenfalls perfekt. Großartig auch die Stimme beim Kommando „Versinke im Boden“ nach etwas über 30 Minuten. Zum Finale hin übernehmen dann chorale Gesänge sämtliche Lautsprecher, was eine irrsinnig gruselige Stimmung erzeugt. Zwar bleiben massive Dynamik und echte Subwoofer-Einsätze Mangelware, aber die Soundeffekte sitzen genau an der richtigen Stelle. Das wird vor allem dann deutlich, wenn im Finale Gewehrschüsse fallen und im Zentrum des Heimkinos einschlagen.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Get Out finden sich elf alternative und entfallene Szenen sowie ein alternatives Ende. Wahlweise sind die deleted Scenes mit einem Kommentar von Regisseur Peele abspielbar. Die Question-/Answer-Interviews wurden nach einer Kinovorstellung gegeben und laufen knapp fünf Minuten. Sehr viel Neues erfährt man dort zwar nicht, aber immerhin, wann Regisseur Peele auf die Idee zum Film kam und dass alles etwas mit Barack Obama zu tun hatte. Der „Blick hinter die Kulissen des Horrors von Get Out“ läuft knapp acht Minuten und lässt Regisseur und Produzenten noch mal erklären, was genau sie zu dieser Idee brachte und warum gerade Jordan Peele der Regisseur dieses Films sein musste. Ein Audiokommentar von Peele rundet das Angebot ab.
Fazit
Böse, subtil, sarkastisch und voller unterschwelliger Kommentare auf die heutige amerikanische Gesellschaft – Get Out ist ein ebenso moderner wie progressiver Horrorfilm, der die Finger tief in offene Wunden legt, diese dehnt und auch noch Salz reinstreut.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%
Bonusmaterial: 50%
Film: 90%
Anbieter: Universal Pictures
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Jordan Peele
Darsteller: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Catherine Keener, Bradley Whitford, Caleb Landry Jones, Marcus Henderson, Betty Gabriel, Keith Stanfield, Stephen Root
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts 5.1: de
Bildformat: 2,39:1
Laufzeit: 105
Codec: AVC
FSK: 16
Trailer zu Get Out
So testet Blu-ray-rezensionen.net
Die Grundlage für die Bild- und Tonbewertung von Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays bildet sich aus der jahrelangen Expertise im Bereich von Rezensionen zu DVDs, Blu-rays und Ultra-HD-Blu-rays sowie Tests im Bereich der Hardware von Unterhaltungselektronik-Komponenten. Gut zehn Jahre lang beschäftigte ich mich professionell mit den technischen Aspekten von Heimkino-Projektoren, Blu-ray-Playern und TVs als Redakteur für die Magazine HEIMKINO, HIFI TEST TV VIDEO, PLAYER oder BLU-RAY-WELT. Während dieser Zeit partizipierte ich an Lehrgängen zum Thema professioneller Bildkalibrierung mit Color Facts und erlangte ein Zertifikat in ISF-Kalibrierung. Wer mehr über meinen Werdegang lesen möchte, kann dies hier tun —> Klick.
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