Glassland

Blu-ray Review

Glassland Blu-ray Review Cover
Lighthouse Entertainment, seit 24.06.2016

OT: Glassland

 


Eine lange Nacht

Hier kommt ein ziemlich herausragendes Drama aus

Inhalt

John verdingt sich als Taxifarher und hat bisher nicht gerade die Sonnenseite des Lebens kennengelernt. In einem ärmlichen Teil Dublins aufgewachsen und mit seiner extrem alkoholsüchtigen Mutter Jean geschlagen, nutzt er seine geringe Freizeit, um mal mit Buddy Shane durch die Gegend zu ziehen. Als Jean sich erneut bewusstlos gesoffen hat, eröffnet man John, dass sie dringend eine Lebertransplantation brauchen wird, wenn sie so weitermacht. Der letzte Ausweg scheint eine private Entzugsklinik zu sein, für die natürlich nicht die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stehen.

Wow … wenn man Toni Collette (Little Miss Sunshine) dabei zusieht, wie sie sich durch Glassland rotzt, kotzt, schimpft und wütet, dann muss man zwar hin und wieder den Ton leiser stellen, um das Gekreische zu ertragen aber eben auch attestieren, dass die Darstellern des Öfteren über die Grenze dessen geht, was man von einem Schauspieler erwarten kann. Vielleicht ist das nicht zwingend oscarverdächtig, weil’s hin und wieder auch die Grenze zum Overacting überschreitet, aber eine Tour de Force ist es für Collette allemal gewesen – und dafür darf man ruhig Respekt zollen. An ihrer Seite zeigt Jack Reynor (Macbeth,Transformers IV: Ära des Untergangs), dass junge Nachwuchsdarsteller mehr können als cool auszusehen und lockere Sprüche zu reißen. Sein John bleibt authentisch am unteren Ende der sozialen Hoffnungsskala, während er sich um die furiose Mutter sowie den Bruder mit Down-Syndrom kümmert. Will Poulter (The Revenant) als dessen Freund Shane gibt den Rüpel, wie er es schon in Maze Runner mit Genuss getan hat. Doch hinter dessen rüpeligem Benehmen steht ebenfalls eine schmerzhafte Geschichte.
Jetzt ist Glassland kein Film der großen Worte oder des vielschichtigen Inhalts. Vielmehr hat Regisseur Barrett sich einen Ausschnitt aus einem Leben genommen, das so oder so ähnlich in genau dieser Gegend stattfinden könnte und darstellt, dass es am Rande der Globalisierung und der Schere zwischen Arm und Reich eben auch diejenigen gibt, die beständig auf der Verliererseite bleiben. Es gibt diesen Moment zwischen Mutter und Sohn, in dem sie ihm erzählt, warum sie so ist, wie sie ist und weshalb sie zu ihm eine Bindung hat, nicht aber zu Johns Bruder – ein bewegender Moment, der allerdings auch zeigt, dass es sich die Mutter zu leicht macht. Und das tut sie offenbar öfter, denn die Flucht in den Alkohol ist nichts anderes als ein „es sich zu leicht machen“ – unabhängig davon, wie beschissen eine Situation sein mag. Da Barrett seinen Film aber nicht in der Ich-Perspektive durch Jean, sondern in einer urteilenden Perspektive Johns erzählt, ist diese Sichtweise auch durch diesen Filter bedingt. John sieht seine Mutter als eine, die sich nicht mit ihrer Sucht konfrontiert. Er sieht sie als eine, die vor der Realität flieht und (so fürchtet er) bald mit dem Kopf in einer Pfütze liegend vor der Haustür liegt. In einem hochgradig emotionalen Moment schreit es aus dem Sohn heraus, dass seine Mutter ihm jeden Tag aufs Neue das Herz bricht und er es nicht mehr ertragen kann. Glassland ist in dieser Szenen so stark, dass ihm nicht mal dieser Vorschlaghammer-Pathos schaden kann. Leider verliert sich die Story daraufhin etwas in der Schilderung des Geldbeschaffungsproblems, das John dazu nötigt, ein krummes Ding zu tun. Hier ist der Film nicht ganz so stark wie während der dramatischen Momente.

Bild- und Tonqualität

Britische Dramen sehen meist nicht wirklich schön aus – und das gilt auch für Glassland. Was thematisch noch passend ist, kann optisch nicht wirklich gefallen. Die Schärfe ist meist unterdurchschnittlich, Farben wirken ausgewaschen und entsättigt und der Kontrast ist mehr als mittelmäßig. Dazu kommt ein beständiges Korn, das dem Film auch noch einen etwas dreckigen Look verpasst. Erstaunlich ist, dass nicht einmal die Close-ups sonderlich gut aufgelöst sind.
Akustisch nutzt man in Glassland ebenfalls kleinere Stilelemten, um das Geschehen eindrücklich zu gestalten. So fehlt (nicht nur im Abspann) manchmal komplett die Geräuschkulisse, was eindrücklich vermittelt, wie alleine sich die Hauptfigur gerade fühlen muss. Die Stimmen der guten Synchro kommen hingegen sehr gut verständlich aus dem Center und die Filmmusik darf sich schon mal streicherklängesanft auf die Rearspeaker verteilen. Natürlich gibt’s hier themtisch bedingt keinerlei Effekte und der Subwoofer bleibt meist so still, dass er gar nicht aus dem Standby herauskommt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Glassland wurden insgesamt fünf Interviews mit dem Regisseur und den Hauptdarstellern (ausgenommen Toni Collette) abgelegt. Die Interviews fallen recht ausführlich und vor allem sehr ungeschminkt-ehrlich aus.

Fazit

Glassland ist herausragendes Darstellerkino mit höchst authentischen Figuren und teils an die Nieren gehenden Szenen zwischen Mutter und Sohn. Jack Reynor empfiehlt sich für ganz Großes und Toni Collette ist eh eine Bank – Pflicht für Freunde guter Dramen!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 55%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 30%
Film: 75%

Anbieter: Lighthouse Entertainment
Land/Jahr: IRL 2014
Regie: Gerard Barrett
Darsteller: Will Poulter, Toni Collette, Jack Reynor, Michael Smiley, D.J. McGrath, Shashi Rami, Joe Mullins
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 92
Codec: AVC
FSK: 12

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