Gravity

Blu-ray Review

Gravity Blu-ray Review Cover
Warner Home, seit 21.02.2014

OT: Gravity

 


Lernen loszulassen

Alfonso Cuaròns Science-Fiction-Drama erobert nun auch das Heimkino.

Inhalt

Matt Kowalski, ein erfahrener Astronaut nimmt mit seiner unerfahrenen Kollegin Dr. Ryan Stone gerade die letzten Reparaturarbeiten am Weltraumteleskop Hubble vor, als Houston den Außeneinsatz abbricht. Ein Asteroid hat einige Satelliten getroffen und die Trümmerteile befinden sich auf Kollisionskurs mit dem Space Shuttle. Noch bevor die Mannschaft sich ins Innere retten kann, treffen die Teile der zerstörten Satelliten ein und durchschlagen den Arm, an dem sich Dr. Stone befindet. Es gelingt ihr zwar, sich von diesem abzukoppeln, doch sie treibt einige hundert Meter weit ab. Während die komplette Kommunikation mit Houston zusammengebrochen ist, kann der Kontakt zu Kowalski wieder hergestellt werden. Der kämpft sich mit seinem Jetpack zur treibenden Kollegin vor und schleppt sie zurück zum Shuttle. Dort angekommen stellen sie fest, dass das Shuttle und die lebenserhaltenden System zerstört wurden, die Kollegen sind tot. Der letzte Ausweg scheint die internationale Raumstation ISS zu sein, doch der Sauerstoff in den Atemtanks wird knapp …

Da ist er nun, der siebenfach oscarprämierte Science-Fiction-Film von Children of MenRegisseur Alfonso Cuarón. Schaut man ein wenig in Foren oder liest Kritik, so wird schnell klar, dass Gravity äußerst kontrovers diskutiert wird: Die einen halten ihn für die Rettung oder Neuerfindung des Genres, die anderen setzen ihn mit der Einnahme einer Valium gleich und ärgern sich zusätzlich über physikalische Ungereimtheiten. Möglicherweise sind die Negativ-Kritiker mit einer falschen Voraussetzung in den Film gegangen, denn Cuaròn wollte sicher keinen Actionfilm drehen, sondern vor allem ein Drama, das sich mit den elementaren Ängsten eines Menschen auseinandersetzt und vom Überlebenswillen und einer Art Wiedergeburt handelt. Gravity stellt den höchst dramatischen Ereignissen Momente meditativer Wucht mit einer soghaften Wirkung entgegen. Es sind gerade die ruhigen Sequenzen, jene, in denen die beiden Protagonisten für kurze Momente die Panik vergessen und begleitet von sphärisch-großartiger Filmmusik in sich gehen, die emotional packen und begeistern. Natürlich kann man dem Film vorwerfen, dass die Figur der Dr. Ryan sich (zunächst) arg hilflos verhält, musste sie doch (auch wenn es ihr erster Ausflug ins All ist) zuvor ein hartes und forderndes Spezialtrainig absolvieren. Man kann sich aber auch einfach von den Bildern und der hervorragenden Darstellung Bullocks gefangenen nehmen lassen, die eben nicht nur dauerhechelnd Panik schiebt, wie es einige kritisieren, sondern durchaus glaubhaft Panik UND beginnende Souveränität vermittelt.

Aber auch davon ab gibt es unglaublich viele magische Momente in Gravity. Mit Szenen wie der Ankunft Ryans in der ISS, nachdem sie ihren Raumanzug abgelegt hat und für einen Moment ruhend im Inneren der Raumstation in einer Art Embryonalstellung rotiert, verbeugt sich Cuarón nicht nur vor der gesamten Science-Fiction-Filmhistorie und den großen Vorbildern des Genres, sondern auch vor dem Leben an sich. Den größten Anteil an den fantastischen Szenen hat Kameramann Emmanuel Lubezki, der schon in Children of Men für Furore sorgte, als er teilweise minutenlange Einstellungen innerhalb höchst dynamischer Vorgänge filmte. In Gravity ist es seine Kamera, die schwerelos wie die Hauptdarstellerin um Trümmerteile oder die Astronauten herumfliegt und die subjektiv aus der Ich-Perspektive Ryans vermittelt, wie alleine man sich im All fühlen muss. Schon ohne 3D-Effekt vermittelt Lubezki eine Plastizität, die ihresgleichen sucht – den Oscar für die beste Kamera hat er sich redlich verdient. Schade ist (und damit ein durchaus berechtigter Kritikpunkt), dass der mexikanische Regisseur ein allzu unwahrscheinliches Ende aus dem Hut zaubert. Hier wäre mehr Mut vielleicht noch das Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Gravity ist nahezu tadellos. Mit sensationellen Schwarzwerten und einem immens hohen Kontrastumfang wirkt die aus dem All fotografierte Erde zum Greifen plastisch und einfach wundervoll. Der extrem hohe Detailgrad lässt jede noch so winzige oder feine Einzelheit am Space Shuttle sowie an der ISS erkennbar werden und die Schärfe in Nahaufnahmen ist hervorragend. Im späteren Verlauf, im Inneren der Rettungskapsel, gesellt sich ein etwas weicherer Eindruck hinzu, der nicht so ganz zum Rest passen mag. Dennoch ist die Bildqualität insgesamt weit über dem Durchschnitt.
Man kann es gebetsmühlenartig predigen und das immer und immer wieder: Wann lernen es die großen Majors endlich, die Blu-rays von Filmhighlights konstant mit einem deutschen HD-Ton zu versehen? Es geht doch zwischendurch, wie man bei Pacific Rim oder Der Hobbit sehen, bzw. hören konnte. Gravity, dessen Atmosphäre maßgeblich durch den Ton bestimmt wird und der weltweit sensationell erfolgreich war, wird (wie viele Filmhighlights vor ihm) mit einer deutschen Dolby-Digital-Tonspur abgespeist, die so auch auf der DVD zu finden ist.
Lassen wir es nochmal kurz auf der Zunge zergehen: Wir leben im Jahr sieben! nach Einführung der Blu-ray, respektive der HD-Tonformate und im Gegensatz zur fulminanten englischen dts-HD-Master-Fassung krepiert der deutsche Dolby-Digital-Sound des Films irgendwo in den Weiten des Weltalls. Schon die anfängliche Hinführung zur absoluten Stille, das sich stetig steigernde Instrumentarium mit dem effektvoll kratzenden Geräusch wirkt auf der deutschen Tonspur von Gravity wie ein Sturm im Wasserglas, während die Originalfassung ohrenbetäubend und extrem dynamisch daherkommt. Die ersten Minuten des Films, die von den gedämpften Dialogen zwischen Bodenstation und in den Raumanzügen steckenden Astronauten sowie einem regelmäßigem Piepen bestimmt werden, gelingen der Dolby-Digital-Version und der deutschen Synchronisation noch gut, doch als es zur Abkopplung des Arms kommt, an dem Sandra Bullock hängt, muss man in der komprimierten deutschen Tonfassung schon ganz genau hinhören, um die Bass-Loopings wahrzunehmen, die das Sounddesign analog zu Dr. Stones Rotationen eingebaut hat. Im Original bestimmen diese hingegen den spannenden Moment (ab 12’40).
Von all der Kritik mal abgesehen, dürfte Gravity einer der Filme mit dem höchsten und räumlichsten Anteil direktionaler Effekte überhaupt sein. Sobald sich die Kamera um die Protagonisten dreht, diese sich an den Rändern der Darstellung befinden, wandert der Sound im 360°-Winkel um den Zuschauer – einfach klasse! Dazu kommt die (ebenfalls) oscarprämierte, fantastisch schwebende Filmmusik von Stephen Price, die sich wie ein Klangteppich auf allen Lautsprechern niederlässt – im englischen Original ist der Sound absolut referenzwürdig.

Bonusmaterial

Mit knapp drei Stunden ist das Bonusmaterial von Gravity extrem reichhaltig ausgefallen. Neben „Aningaaq“, einem Kurzfilm von Alfonsos Sohn Jonás, der beleuchtet, wie es dem Eskimofischer ergangen ist, als er Dr. Stones Notrufe empfing, ist das Hauptfeature das 106-minütige „Gravity: Mission Control“. In neun Teile aufgeteilt erfahren wir hier fast alles über die Produktionsbedingungen. Angefangen von der Idee zur Story über die Previsualisierung bis hin zur Erarbeitung der Schwerelosigkeit. Gerade in letztgenannten Feature wird deutlich, wie unfassbar anstrengend die Dreharbeiten gewesen sein müssen, denn sie und Clooney befanden sich nahezu während der kompletten Dreharbeiten an Drähten. Wer schon mal versucht hat, seinen Körper grundsätzlich starr zu halten, ohne großen Halt zu haben, weiß, welch‘ Vielzahl an Muskeln dabei gefordert wird.
Das fünfteilige „Shot Breakdowns“ läuft insgesamt knapp 37 Minuten und behandelt Spezialeffekte wie den Visor oder das Feuer in der ISS, aber auch die grandiose Vertonung des Films. Komponist Steven Price beschreibt, dass er die Filmmusik so entwickelte, dass sie den Mangel an Geräuschen im All durch seine Kompositionen kompensiert.
Komplettiert werden die Extras von Gravity durch „Collision Point“, eine von Ed Harris gesprochene 22-minütige Dokumentation über die zunehmende Vermüllung des Alls und die daraus resultierenden Gefahren für die Menschheit. Jeder abgeschaltete Satellit, jede Trägerrakete, die etwas ins All geschossen hat, treibt da oben herum und wird von niemandem eingesammelt. Keine Weltallmüllabfuhr kümmert sich darum. Computeranimationen der momentan rund 20.000 Objekte (19.000 davon ohne jeden Nutzen), die in einer Umlaufbahn um die Erde sind, machen deutlich, wie voll der Orbit rund um unseren Planeten bereits ist.

Fazit

Gravity ist besser als seine Kritiker es wahrhaben wollen: Mit unglaublichen Bildern, extrem hoher Spannung, einer nachvollziehbar dargestellten Entwicklung seiner Hauptfigur, höchst emotionalen Momenten, sensationellen Trickeffekten und einem (in der Originalfassung) außerordentlich genialen Sound ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man den Film allen Ernstes langweilig finden kann.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 90%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 100%
Bonusmaterial: 95%
Film: 90%

Anbieter: Warner Home Video
Land/Jahr: USA 2013
Regie: Alfonso Cuarón
Darsteller: Sandra Bullock, George Clooney
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // DD 5.1: de, sp, it, jp, man
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 90
Codec: AVC
FSK: 12

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4 Kommentare
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Stavros Papadopoulos

Hallo Timo,

Hast du dir die Englische Atmos Fassung des Films angehört?

Marv

Moin,
besteht denn Interesse deinerseits an der Atmos-Spur?