Green Book – Eine besondere Freundschaft

Blu-ray Review

20th Century Fox, 19.06.2019

OT: Green Book

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Roadtrip in den Süden

Ein oscarprämiertes Meisterwerk, das auf ganzer Linie überzeugt.

Inhalt

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Tony nimmt schwer an, dass der Job nichts für ihn ist

New York 1962: Der italienischstämmige Tony ist ein Schläger. Ein guter Schläger. Und deshalb nimmt er immer wieder Jobs als Türsteher an. Hier macht er kaum einen Unterschied, wen er Abends mit den Fäusten aus den Lokalen schickt. Allerdings würde er gerne einen Unterschied machen, wer bei ihm zuhause Klempner-Arbeiten verrichtet. Denn so ein paar „Schokos“ hat er nur ungerne im Haus und entsorgt daraufhin auch lieber die Gläser, die seine Frau Dolores ihnen zum Trinken gegeben hat. Wäre ja noch schöner, wenn so eine afroamerikanische DNA an den Trinkgefäßen klebt.
Doch dann macht der Nachtclub, in dem Tony den Rausschmeißer gibt, für einige Wochen dicht. Tony braucht einen Job. Zur gleichen Zeit hört der Jazz-Pianist Dr. Don Shirley von den Referenzen des Türstehers und beschließt, ihn zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Shirley braucht einen Fahrer/Bodyguard für seine bevorstehende achtwöchige Tournee durch die Südstaaten. Für Tony gut verdientes Geld, für das er auch darüber hinweg sieht, dass Shirley Afroamerikaner ist. Sie planen ihre Reise mit der Hilfe des Negro Motorist Green Book, das jene Lokalitäten und Hotels aufführt, in denen auch Schwarze einkehren dürfen. Und während sie durchs Land touren, lernen die beiden unterschiedlichen Typen allmählich, ihre Differenzen zu beseitigen und füreinander einzustehen. Mehr noch: Sie lernen voneinander …

Abschied für acht Wochen

Ein bisschen Miss Daisy und ihr Chauffeur lugt um die Ecke und Ziemlich beste Freude ist auch nicht weit, wenn Viggo Mortensen als italienischer Prolet und Mahershala Ali als feingeistiger Afroamerikaner aufeinandertreffen – freilich mit eher vertauschten Rollen. Basierend auf Interviews mit den realen Vorbildern Frank Anthony Vallelonga Sr. und Don Shirley sowie auf den Briefen, die Vallelonga während der Tournee an seine Frau verfasste, schrieben die beiden Autoren Peter Farrelly und Brian Curry gemeinsam mit Tonys Sohn Nick Vallelonga die Filmvorlage. Außerdem konsultierte man die Shirley-Nachkommen, um der Story treu zu bleiben.
Viel näher konnte man den Tatsachen für Green Book also kaum kommen. Und das merkt man dem Film durchweg an.
Zu Beginn scheut er sich aber zunächst einmal nicht, üble rassistische Äußerungen zu äußern (wenngleich manchmal in italienisch, damit es die Handwerker nicht verstehen). Man wird als Zuschauer also durchaus darauf aufmerksam gemacht, dass die 60er Jahre in den USA keine gute Zeit für Afroamerikaner waren und man sie am liebsten noch wie Tiere behandelt hätte.

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Das Trio begeistert, wo es auftritt

Dass dem an sich nicht ganz einfachen Thema dennoch so ein angenehm-lockerer Unterton zuteil wurde, liegt natürlich zum einen am Drehbuch, zum anderen aber auch am Regisseur (der – wie erwähnt – für die Vorlage mit verantwortlich war). Denn auf dem Stuhl des Filmemachers sitzt kein Geringerer als Peter Farrelly. Ja, genau DER Farrelly, der mit seinem Bruder Bob zotige Komödienhits wie Verrückt nach Mary inszenierte oder unsägliche alberne Filme wie Dumm und Dümmer verbrochen hat. Man mag kaum glauben, dass er sich in Sachen Stupidität einfach mal zurück nimmt und der Geschichte dient. Aber genau das gelingt ihm hervorragend. Und gleichzeitig zeigt er eben jenes Talent, das er für Situationskomik hat.
Warum, mag man fragen, verschwendete er sein (offensichtliches) Talent bisher an Dämlichkeiten wie Die Stooges und gab sich sogar die Blöße, Dumm und Dümmer auch noch mit einer Fortsetzung zu beglücken?
Man wird die Antwort nicht herausfinden, darf aber die vage Hoffnung haben, dass er nach dem Erfolg von Green Book verstärkt auf solche Filme setzt und damit Publikum und Kritik überzeugt – der Oscar für den besten Film des letzten Jahres sollte Anschub genug dafür sein.

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Don nimmt sich ein wenig der Briefe von Tony an

Während er sich anfangs gebührend Zeit nimmt, um gerade Tony vorzustellen, nimmt der Green Book an Fahrt auf, sobald die beiden unterwegs sind und feststellen, wie unglaublich verschieden sie sind. Auf der einen Seite der kultivierte Künstler, dessen Ausdrucksweise auch am Hofe gut passen würde. Auf der anderen Seite der ungehobelte Klotz, der entweder (fr)isst oder raucht oder beides gleichzeitig und dabei Dinge von sich gibt, die Don die Sprache verschlagen. Bemerkenswert ist dabei vor allem, wie respektvoll Green Book beiden Figuren begegnet. Ohne aggressiv zu werden, reagiert Tony auf die ständigen Korrekturen Dons – und das, obwohl der Pianist durchaus blasiert ist. Don wiederum lässt sich irgendwann doch von Tonys Redseligkeit anstecken und lässt sich sogar dazu herab, Kentucky Fried Chicken mit den Fingern zu essen. Klasse auch situationskomische Momente wie der Blick-Disput zwischen Toni und Dons Angestelltem Amit zu Beginn der Reise, wenn es um das Verstauen des Gepäcks geht.
Das Ganze würde aber nicht funktionieren, wenn der Film nicht von zwei Darstellern getragen würde, die grandios aufspielen. Während Mahershala Ali als Nebendarsteller mit dem Oscar ausgezeichnet wurde (und man vortrefflich diskutieren könnte, ob das wirklich noch eine Nebenrolle ist), ging Viggo Mortensen zwar „nur“ mit einer Hautprollen-Nominierung nach Hause, agiert aber absolut herausragend. Mit 20 kg angefutterter Körperfülle und einem antrainierten italienischen Dialekt (unbedingt mal in den O-Ton hören) ist er der souveräne Fels in der Brandung von offener Gewalt und hinterwäldlerischen Ressentiments. Es gelingt ihm, trotz der Vorbehalte seiner Figur, sie offen und treu darzustellen, nach einem Ehrenkodex zu handeln. Das wirkt authentisch und fühlt sich echt an. Man hat nie das Gefühl, dass es sich so bestimmt niemals zugetragen hat.

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Erfahrung mit dem frittierten Hühnchen

Und das Zusammenspiel der beiden ist sensationell. Gäbe es einen Oscar für das Leinwandpaar mit der besten Chemie – die beiden hätten ihn souverän mit nach Hause genommen. Ohne jede Peinlichkeit gelingen ihnen sogar anrührende Szenen, bei denen man sich für den Kloß im Hals nicht schämen muss. Mit einem feinen Gespür für Ausgewogenheit spürt Green Book auch den persönlichen Untertönen nach; schildert, wie einsam ein begnadeter Pianist ist, der sich weder unter Schwarzen noch unter Weißen wohl fühlt.
Aber auch der Alltagsrassismus, der fast beiläufig geschieht, wird thematisiert: Wenn Tony beim Hören von afroamerikanischen Künstlern gegenüber seinem Auftraggeber von „Ihre Leute“ spricht. Oder wenn Don von einer feinen weißen Gesellschaft gebucht und gefeiert wird, aber zur Notdurft aufs Plumpsklo im Garten muss. Gleichzeitig verschweigt Green Book nicht den umgekehrten Rassismus, der bisweilen von Don ausgeht. Diese unterschwellige Art, das Thema zu verhandeln ist dabei nicht geringschätzig, sondern wirkt gerade deshalb effektiv. Wo man zuvor noch über die Dialoge der beiden schmunzelte, bleibt einem für einen kurzen Moment das Lachen im Hals stecken und es wird einem bewusst, wie durchzogen die damalige Zeit vom permanenten Rassismus gewesen ist – und zwar in jedwede Richtung. Dass die Südstaaten dabei ziemlich ihr Fett weg bekommen, wirkt durchaus gewollt.

Bild- und Tonqualität

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Am Ende geht es mal mit umgekehrten Vorzeichen zu

Green Book liefert nicht das typische Bild, das man einem Film ansonsten an die Hand gibt, der in den 70ern spielt. Zwar ist der mit Alexa-Mini-Kameras gedrehte Film nicht völlig frei von einem ganz dezenten Korn, aber das nimmt man eigentlich kaum wahr. Farben werden sehr klar und kontrastreich wiedergegeben. Die rote Anzugjacke, die Tony zu Beginn trägt, kommt satt und kräftig rüber. Wenn’s ein wenig dunkler oder nebliger wird, ist der Schwarzwert allerdings nicht perfekt. Sobald mehr Helligkeit dazu kommt, gefällt die Kontrastierung hingegen. Hautfarben werden weitgehend natürlich reproduziert, während ein ganz dezenter Gelbfilter für etwas 70er-Jahre-Flair sorgt. Nicht ganz so schön sind die Randunschärfen im unteren Bereich, die häufiger anzutreffen sind.
Beim Sound gibt es (vermutlich aufgrund des eigentlichen Labels eOne) zunächst eine dicke Überraschung: Wo Anbieter 20th Century Fox normalerweise reguläre dts-Spuren ins Rennen schickt, gibt’s für Green Book eine unkomprimierte dts-HD-Master-Fassung. Der englische Ton kontert mit True-HD-kodiertem Dolby Atmos.
Allerdings beginnt die Synchro mit den ersten gesprochenen – bzw. vielmehr geschrienen – Sätzen ziemlich unangenehm und absolut unangemessen. Was sich die Tonmischung dabei gedacht hat, den Mann am Mikro derart in den Raum brüllen zu lassen – furchtbar. Zumal sich die Dialoge danach (fast) vollkommen normalisieren und sich dem englischen Lautstärke-Niveau anpassen.

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Don Shirley erträgt so manch einsame Stunde

Über die Originalspur ist dieser Herr am Mikro übrigens nicht im Ansatz so laut. Leider passiert der dt. Spur das nicht nur dieses eine Mal. Auch nach etwas über einer Dreiviertelstunde im Dialog mit dem Bühnentechniker geschieht das noch einmal. Kurz zuvor (im Dialog über den gestohlenen Edelstein) ist es normal laut, was dann im nächsten Moment vom Quasi-Gebrüll unterbrochen wird (47’30). Das gleiche Spiel nach etwas über 80 Minuten bei einer weiteren Ansage (83’42).
Dafür ist die  Räumlichkeit gut, wenn Natur-Atmosphäre genutzt wird (Zikaden und Vögel 44’00). Leider bietet die dts-HD-MA-Spur nicht sonderlich viel Dynamik und bleibt auf einem eher konstanten Level. Wenn Don Shirley erstmalig in die Tasten haut, wird das gegenüber der englischen Atmos-Spur besonders deutlich, die hier viel wuchtiger in den Frequenzkeller spielt und eine unmittelbarere Bühne aufbaut.
Apropos Bühne: Die liefert auch die 3D-Ebene des englischen Atmos-Sounds. Beginnend mit atmosphärischen Geräuschen im Club zu Beginn, leichtem Nachhall der Gespräche, der Musik, die sehr nahe und jazzclubartig klingt, werden die Heights immer dann hinzu genommen, wenn es ähnliche Atmosphäre zu unterstützen gilt (Diner bei 32’00). Auch die Filmmusik gelangt auf die Höhen-Speaker und sorgt durchweg für mehr Räumlichkeit.
Einen ersten dedizierten Soundeffekt gibt’s dann kurz durch den Regen auf die Vordächer (56’50). Leider kommt der im späteren Verlauf höchst unnauthentisch rüber. Denn wenn nach über 80 Minuten nach einem Auftritt der Regen fett vom Himmel prasselt, gibt es KURZ Geräusche von oben. Sobald man aber ins Auto wechselt (der Regen ist über die reguläre Ebene immer noch hörbar) hört es von oben auf – gerade JETZT hätte man es aber aufs Autodach von oben prasseln hören müssen.
Was bleibt, ist ein Atmos-Sound, der auf der regulären Ebene besser klingt als die dts-HD-MA-Version der Synchro, von oben immer dann räumlich wird, wenn Musik und Clubatmosphäre genutzt werden, in Sachen dedizierter Effekte aber inkonsistent ist.

Bonusmaterial

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Einfach so einen neuen Anzug kaufen? In den Südstaaten für einen Afroamerikaner praktisch unmöglich

Drei Featurettes gibt es im Bonusmaterial: „Eine virtuose Darbietung“ kümmert sich um die beiden Hauptdarsteller und die Chemie, die sich zwischen ihnen einstellte. In „unvergessliche Freundschaft“ wird dann noch deutlicher die Beziehung zwischen den beiden dargestellt. Auch Tonys Sohn, der am Drehbuch mitschrieb, kommt hier zu Wort. „Green Book – damals und heute“ beleuchtet dann etwas näher, was hinter dem titelgebenden „Reiseführer“ steckt, den ein gewisser Victor Hugo Green schrieb, um sicher durch die USA reisen zu können und willkommen zu sein, wohin er ging.

Fazit

Green Book ist kein Film, dem man einfach so den Oscar zugeschustert hat, weil es man es thematisch eben für richtig hielt. Nein, Green Book ist ein kleines Meisterwerk voller leiser und feiner Töne. Ein Porträt einer ungewöhnlichen Freundschaft und eine unterschwellige Kritik am Alltagsrassismus in den USA, der sich seit einigen Jahren leider erneut einschleicht. Getragen von zwei außergewöhnlich guten Darstellern und mit der perfekten Harmonie aus Humor und Drama gelingt Peter Farrelly das Kunststück, seine seichten bis dämlichen Komödien für 130 Minuten vergessen zu lassen – Respekt!
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%

Tonqualität (dt. Fassung): 60% (Abwertung aufgrund mehrfach inkonsistenter Lautstärke)

Tonqualität BD/UHD 2D-Soundebene (Originalversion): 80%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Quantität (Originalversion): 50%
Tonqualität BD/UHD 3D-Soundebene Qualität (Originalversion): 60%

Bonusmaterial: 50%
Film: 100%

Anbieter: eOne Germany/Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany
Land/Jahr: USA 2018
Regie: Peter Farrelly
Darsteller: Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini, Sebastian Maniscalco
Tonformate: Dolby Atmos: en // dts HD-Master 7.1: de
Bildformat: 2,00:1
Laufzeit: 130
Codec: AVC
FSK: 6

(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter eOne Germany und Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany)

Trailer zu Green Book

Greenbook - Eine besondere Freundschaft | Offizieller Trailer | Deutsch HD German (2019)

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