Blu-ray Review
OT: H.P. Lovecrafts Necronomicon
Body-Horror vom Feinsten
Drei Kurzgeschichten von Meistern ihres Fachs
Inhalt
Howard P. Lovecraft wähnt in einer Bibliothek das sagenumwobene Buch Necronomicon. Jenes Buch, in dem sämtliche Geheimnisse der Vergangenheit und der Gegenwart verzeichnet sind. Tatsächlich findet er das Werk und liest drei Geschichten aus ihm.
In der ersten erbt ein gewisser Edward ein Haus von seinem verstorbenen Onkel. Ein Onkel, der ein düsteres Geheimnis hatte, das ihn befähigte, die Toten zurück ins Leben zu rufen. Edward, dessen Frau bei einem Unfall verstarb, sieht seine Chance gekommen, sie zurück zu holen. Doch damit erweckt er etwas noch viel Böseres …
Die zweite Geschichte erzählt vom Journalisten Dale, der einen gewissen Doktor finden möchte, um eine interessante Story zu schreiben. Seine Recherce führt ihn in das äußerst kühle Haus von Ms. Osterman. Diese berichtet ihm von Dr. Richard Madden, der Experimente mit Kälte machte, um sein Leben zu verlängern …
In der dritten Erzählung geht es um die Cops Sarah und Paul, die hinter einem Serienmörder her sind. Sarah übertreibt es mit ihrem draufgängerischen Fahren und die Verfolgungsjagd endet auf dem Dach. Der Killer zieht indes den leblos wirkenden Paul aus dem Wagen und Sarah folgt der Blutspur. Was sie findet, ist der pure Schrecken …
„Necronomicon“ … bereits die Erwähnung dieses Wortes lässt Fans vor Freude erschauern. Auch der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich noch an die Zeit, in der er als jugendlicher Horrorfilm-Novize das erste Mal Tanz der Teufel sah (natürlich im völlig ungeeigneten Alter) und über die Erwähnung des legendären Buchs stolperte. Fortan fasziniert gab ich erst Ruhe, als ich das Buch (gekauft in einer Sammelbestellung mit meiner Lieblings-Verwandten beim legendären Mailorder „Malibu“) in den Händen hielt. So wie es in dieser kultigen Genre-Anthologie H.P. Lovecraft selbst geht.
Allerdings hat sich bei mir nie wirklich das Tor zur Hölle geöffnet, nachdem ich ein paar Zeilen aus dem Druck des Buches gelesen hatte. Schade eigentlich. Denn wenn es dann so glitschig und monstermäßig zugegangen wäre wie in H.P. Lovecrafts Necronomicon hätte ich durchaus Spaß an einer gewissen Bevölkerung des Wohnzimmers mit tetakelartigen Wesen und Unmengen an künstlichen Spinnweben gehabt.
Um das dennoch erleben zu können, hat sich Wicked-Vision nun erstmals an eine HD-Veröffentlichung in Deutschland gewagt und diese mit zahlreichem und neuem Bonusmaterial angereichert.
Der Film selbst ist ein kleiner Klassiker des Body-Horrors, der ausgiebig Nutzen von extrovertierten Monsterkreaturen und praktischen Masken macht. Das ist immer ein bisschen krude und sehr oft als Maske zu erkennen (gerade bei Verletzungen von Haut), aber irgendwie gehört das zum Charme der Horrorfilme aus dieser Zeit dazu.
Inszenatorisch unterscheiden sich die drei Kurzfilme schon alleine deshalb, weil drei unterschiedliche Regisseure am Werk waren. In The Drowned, der ersten Erzählung, nutzt Christophe Gans (Pakt der Wölfe) das uralte Motiv der Trauer über einen Verlust dazu, eine recht vorhersehbare Geschichte zu schildern, die sich jedoch in einem infernalischen Finale mit ausgedehnter Nutzung von irren Props und Masken entlädt.
Shûsuke Kaneko (Gamera – Guardian of the Universe) wählte das Motiv des Wunsches nach dem ewigen Leben, das einen verrückten Wissenschaftler ins Zentrum setzt. Hier kommt beinahe so etwas wie die Stimmung und Atmosphäre alter Hammer-Klassiker auf, während die Maskenbildner gut mit Melting-Effekten zu tun hatten, die das Schicksal des Wissenschaftlers exzessiv zu Ende bringen.
Brian Yuzna, der auch für die Rahmenhandlung mit Lovecraft (mal wieder sensationell: Jeffrey ‚Re-Animator‘ Combs) verantwortlich zeichnet, schnappt sich mit der dritten Geschichte Whispers die actionlastigste aller Episoden. Es beginnt mit einer Verfolgungsjagd, die alsbald abrupt endet und die Polizistin in einen Trip aus Wahnsinn und Grauen schickt, in dem sie mit ihren eigenen Gedanken zu einer Abtreibung konfrontiert wird. Yuzna versteht es hervorragend, Spannung zu erzeugen und mit den (gut agierenden) Darstellern mitzufiebern. Von allen drei Stories ist Yuznas die mit Abstand gelungenste. Und sie bietet am Ende auch die heftigsten Masken und Kreaturen. Hier wird dem Splatter- und Body-Horror-Fan wirklich einiges geboten. Auch die Rahmenhandlung führt er zu einem netten Ende, sodass man Necronomicon jedem Freund von 80er/90er-Jahre Genrewerken ans Herz legen kann.
Bild- und Tonqualität
Necronomicon präsentiert sich bei seiner deutschen HD-Premiere mit einem erstaunlich sauberen und rauscharmen Bild, das zweifelsohne etwas gefiltert wurde, um Filmkörnung zu entfernen. Allerdings hat man hier einen recht guten Kompromiss aus DNR (Digital Noise Reduction) und nachträglicher Schärfung erzielt. So werden Details (wie z.B. Schminke in Gesichtern) durchaus scharf und gut aufgelöst abgebildet, ohne gleichzeitig für überrissene Kanten oder überstrahlende Feinheiten zu verursachen. Die Cord-Jacke von Lovecraft bspw. ist schön detailliert, weist aber keine Überkontrastierung an ihren feinen Rippen auf. Auch die Kontrastgebung gefällt und arbeitet Details in Schatten gut heraus. Das Gleiche gilt für Farben, die bisweilen satt und kräftig rüberkommen, wie bspw. der Lippenstift der Maklerin in der ersten Geschichte. Hin und wieder wirkt die Körnung etwas eingefroren, was man anhand des an sich aber sehr sauberen (kaum Schmutz oder Defekte) Mastering verschmerzen kann. Ab und an ändert sich bei ein paar kurzen Einstellungen das Bildformat von 1,78:1 auf 1,80:1, was man an einem etwas größeren schwarzen Balken unten erkennen kann.
Für die deutsche Spur kommt Necronomicon mit einer dts-HD-Master-Spur in 2.0, während die englische Fassung in 5.1 vorliegt. Trotz hin und wieder vorhandener Drop-outs kann sich das akustisch durchaus hören lassen. Die Sprachverständlichkeit ist sehr gut und die Filmmusik bleibt ohne große Schwankungen. Die englische Tonspur liefert zwar 5.1, wirkt aber oft wie ein simpler Upmix. Die Filmmusik erklingt mit relativ starkem Nachhall auf den Surrounds und Dynamik wird erst gar nicht erzeugt. Allerdings ist die Stereo-Räumlichkeit gelungen.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Necronomicon wurde teilweise neu angefertigt. Enthalten sind zunächst einmal zwei Audiokommentare. Ein launischer (und untertitelter) von Yuzna und Gans offenbart, dass die beiden nicht immer einer Meinung sind.
Den zweiten haben Wicked-Vision-Geschäftsführer Daniel Perée und Lovecraft-Spezialist Jörg Kopetz eingesprochen. Dazu gibt’s diverse Featurettes, mit denen man tiefer in den Film eintauchen kann. Herausragend zum Beispiel „A Love for Lovecraft“, das ein gut einstündiges, neu produziertes Interview mit Brian Yuzna darstellt, der so viele Hintergrundinfos liefert, dass man hinterher ein Lovecraft-Filmadaptionen-Spezialist ist. Steve Johnson darf im Anschluss in „Compilation Carnage“ über die von ihm geschaffenen Kreaturen erzählen. Auch diese 15-minütige Extra ist neu produziert. „Scripting Necronomicon“ befasst sich dann mit Brent V. Friedman, der (hauptsächlich) das Drehbuch für den Mehrteiler geschrieben hat. Hinter den Kulissen ist dann ein älteres Featurette von zehn Minuten Länge, das ein paar Einblicke in die Dreharbeiten liefert. Storyboards, Bildergalerien und einige Promo-Clips ergänzen das Ganze.
Fazit
Die deutsche HD-Premiere von H.P. Lovecraft’s Necronomicon ist visuell absolut gelungen. Akustisch liefert der Film sauber, aber wenig dynamisch ab.
Der Dreiteiler selbst ist natürlicher Pflichtprogramm für alle Lovecraftianer und Jeffrey-Combs-Fans.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 75%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 90%
Film: 70%
Anbieter: Wicked-Vision
Land/Jahr: USA 2019
Regie: Christophe Gans, Shûsuke Kaneko, Brian Yuzna
Darsteller: Jeffrey Combs, Tony Azito, Juan Fernández, Brian Yuzna, Bruce Payne, David Warner, Bess Meyer, Signy Coleman, Obba Babatundé, Don Calfa
Tonformate: dts HD-Master 5.1: en // dts HD-Master 2.0: de
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 97
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Wicked-Vision)
Trailer zu H.P. Lovecrafts Necronomicon