Hannibal – die komplette dritte Staffel

Blu-ray Review

Hannibal die komplette dritte Staffel Season Blu-ray Review Cover
Studiocanal, ab 21.01.2016

OT: Hannibal

 


Wie hat deine Schwester geschmeckt?

Das dritte und letzte? Jahr der herausragenden Serie?

Inhalt

Hannibal die komplette dritte Staffel Season Blu-ray Review Szene 5
Lecter macht sich mit Bedelia eine schöne Zeit in Italien

Wills Falle hat nicht zugeschnappt. Er selbst liegt verblutend am Boden, in Jacks Hals steckt eine Glasscherbe und Abigails Kehlenschnitt lässt ebenfalls wenig Raum für ein mögliches Überleben – schlimmer hätte es kaum kommen können. Einzig Hannibal entkommt unversehrt und fliegt mit Dr. Bedelia Du Maurier nach Europa. In Florenz hat sich Lecter mittlerweile niedergelassen. Natürlich kann er auch dort seine Gelüste nicht verbergen und brät das eine oder andere Stück Menschenfleisch. Unter anderem jenes von Kurator Dr. Roman Fell und dessen Ehefrau. Gemeinsam mit Bedelia nimmt Lecter von da an die Identität der Getöteten an und lässt weitere Mitarbeiter Fells verschwinden. Dies vor allem, um jene nach Italien zu locken, die immer noch hinter ihm her sind. Als das nach und nach gelingt, kommt es zum Psychoduell zwischen Graham, Lecter und Crawford, das noch durch ein ehemaliges Opfer Lecters erweitert wird. Doch dem nicht genug, wird die Zukunft einen Gegner für Will und Hannibal bereithalten, der ihnen beiden zur Todesgefahr werden kann …

Hannibal die komplette dritte Staffel Season Blu-ray Review Szene 2
Hat Will die Attacke auf seinen Unterleib überlebt?

Dachte man noch, dass Hannibal nicht hätte spannender eine Season abschließen können wie im Falle von Staffel 1, setzte das Finale von Season 2 mal eben locker einen drauf. Wohl kaum eine andere Serie ließ gleich zwei Hauptdarsteller und mehrere wichtige Nebenfiguren verblutend am Schauplatz zurück – ungewiss, ob überhaupt noch einer von diesen zurückkehren würde. Denn Hannibal, eine der bemerkenswertesten Serien der letzten Jahre, hat die zentrale Rolle während der zwei ersten Jahre deutlich zugunsten seiner Titelfigur verschoben, die zu Beginn eher noch ein Nebencharakter war. Doch die als Prequel zu Thomas Harris‘ Roter Drache erdachte Serie entwickelte bald eine eigene Dynamik und führt nun zunehmend dorthin, wo die Filme einsetzen. Langsam wird klar, dass Hannibal kein unschuldiger Psychiater ist und lange schon kristallisiert sich auch heraus, dass seine beratende Funktion für die Ermittler immer ein Pakt mit dem Teufel ist. Season 3 beginnt dabei zunächst gemächlich, lässt das Schicksal von Will & Co. im Ungewissen und nutzt mehrfach Traumsequenzen oder Rückblenden, um die Ereignisse der letzten Zeit aufzurollen. Dabei weiß man nie so genau, ob man gerade in der Gegenwart, der Vergangenheit oder in einer fiktiven Welt ist. Besonders gemein ist die Tatsache, dass man 45 Minuten und länger im Unklaren über das Schicksal von Will, Jack und den anderen gelassen wird. Das gibt aber auch Mads Mikkelsen und Gillian Anderson die Möglichkeit für glanzvolle Leistungen. Mikkelsen, der in den letzten zwei Jahren praktisch mit seiner Figur verschmolzen ist, muss dabei nicht mehr über die Maßen erwähnt werden. Dass Anderson aber nach ihrer Zeit bei den X-Akten noch einmal einen solch beeindruckenden zweiten Serien-Frühling erleben würde, damit hatten wohl nur wenige Zuschauer gerechnet. In ihren Szenen strahlt sie aber eine unwiderstehliche Mischung aus zerbrechlichem Devotismus und kühlem Selbstbewusstsein aus – und sieht dabei noch hinreißend aus. Was in Hannibal Season 3 noch deutlicher in den Hintergrund gerät, sind die Einzelfälle mordender Serienkiller. Erst im späteren Verlauf nimmt dies mit der Jagd auf Francis Dollarhyde wieder Formen an und beginnt damit auch den Kreis zur Handlung der Filme zu schließen. Was sich schon in Staffel zwei abzeichnete, wird im dritten Jahr noch exzessiver gesteigert – die geradlinige(re) Inszenierung der ersten Season weicht nun noch mehr einer oft traumhaften, halluzinatorischen und fast meditativen Struktur.

Hannibal die komplette dritte Staffel Season Blu-ray Review Szene 3
Jack ist nach dem Tod seiner Frau noch entschlossener

Atmosphärisch macht man Hannibal ohnehin so schnell nichts vor. Erstaunlich genug, dass eine Serie, die kaum massenkompatibel ist und in den USA nur mäßig erfolgreich läuft, konsequent die vorgesehenen drei Staffeln durchzieht und sich dabei auf eine düstere, bizarre und unangenehm-bedrückende Stimmung konzentriert, die man so bislang noch nicht erlebt hat. Erneut sind es die stilvollen Kamerabilder, die manchmal eingestreuten plakativen Szenen (Lecters Kopf erscheint in Episode eins während eines Vortrags auf dem Rumpf eines von einem Diaprojektor an die Wand geworfenen Teufelsbildes) und die Traumsequenzen, die sich deutlich von Mainstream-Serien absetzen. Die genutzte Musik, die immer irgendwo zwischen langsamem Jazz und Elektronik varriiert oder auch nur vereinzelte Klaviertöne streut, verstärkt das Gefühl, sich dem Geschehen nicht entziehen zu können und da es ohnehin nie wirklich positive Momente gibt, bleibt Hannibal erneut schwer im Magen liegen. Nein, für Feingeister und Zartbesaitete ist diese Serie nichts, wenngleich die psychologischen Aspekte erneut einen großen Raum innerhalb der Metaebene der Show einnehmen. So muss man beispielsweise kein Philosoph sein, um die homoerotischen Aspekte zwischen Graham und Lecter zu erkennen. Schon am Ende der dritten Folge enden diese in einem Satz, der zeigt, dass Hannibal Liebe nur auf eine einzige Art und Weise vollziehen kann.
In Sachen Make-up-Effekte hält sich Season 3 zunächst ein wenig zurück, um dann retrospektiv die blutigen Ereignisse am Ende von Staffel zwei aufzurollen und zu Beginn der vierten Episode eine Kamerafahrt zu integrieren, die zeigt, wie CSI mit einer FSK-18-Produktion hätte aussehen können. Alleine für diesen Shot (im wahrsten Sinne des Wortes) durch den Kopf einer Figur haben die Maskenbildner vermutlich Tage zugebracht. Wenn spätestens mit der vierten Episode „Aperitivo“ dann mit dem entstellten Mason Verger eine dritte Partei auf der Bildfläche erscheint, nimmt Hannibal etwas an Fahrt auf und gipfelt über den Auftritt des Roten Drachen in einem Herzschlagfinale, das eigentlich keinen Raum für eine vierte Staffel lässt, oder …?

Bild- und Tonqualität

Hannibal die komplette dritte Staffel Season Blu-ray Review Szene 4
Will erhält Hilfe von einem italienischen Ermittler

Das Bild von Hannibal ist weiterhin extrem dunkel und nutzt bisweilen exessizv diverse Farbfilterungen. Die fortwährende Körnung wird in dunkleren Szenen noch einmal etwas stärker, nimmt aber nie Überhand und lässt die Serie sehr analog wirken. Die Schärfe ist während ruhiger Naheinstellungen sehr gut, wird aber schon mal schwächer, wenn die Kamera Einstellungen in der Halbtotalen einfängt. Auch nutzt die Serie bisweilen softe Überkontrastierungen bei Übergängen von Dunkel auf Hell. Gerade natürlich Leuchtquellen wie Kerzen wirken dadurch wie weichgezeichnet. In Sachen Raumakustik wird Hannibal immer nur dann auffällig, wenn sich Grahams Visionen intensivieren und zu einem audiovisuellen Höhepunkt hin steigern. Dazu kommen die sehr intimen, perfekt eingebetteten Dialoge, die warm und oftmals fast zärtlich aus dem Center erklingen. Die Musik/der Score nutzt vornehmlich die Hauptlautsprecher, wird aber beim Anschwillen auch schon mal etwas offener in den rückwärtigen Bereich. Dann setzt meist auch der Subwoofer unterstützend ein und sorgt für dezentes Hosenbeinflattern.

Bonusmaterial

Hannibal die komplette dritte Staffel Season Blu-ray Review Szene 1
Nicht tot zu kriegen – oder?

Das Bonusmaterial der dritten Staffel von Hannibal umfasst zunächst Audiokommentare zu den Episoden 1,2,4, 6-10 sowie 12 und 13 – meist mit Regisseur und einem der Darsteller im Verbund. Dazu hält die dritte Disk noch eine Gag Reel, knapp zehn Minuten an geschnittenen Szenen und insgesamt 14 Interviews zu den verschiedensten Aspekten unterschiedlicher Episoden bereit. Hinzu kommt die Dokumentation: „Getting the old Scent Again: Reimagining Red Dragon“, die über zwei Stunden! lang läuft und umfassend erklärt, wie man sich erneut und auf eine etwas freiere Art und Weise der Figur des Red Dragon näherte. Man stellt vor allem heraus, dass man in sechs Stunden Laufzeit deutlich mehr Zeit gehabt hätte, um tief in diesen Pfeiler der Romane von Thomas Harris einzudringen – gegenüber einem 2,5-Stunden-Kinofilm. Die ebenfalls enthaltenen vier Featurettes kümmern sich noch einmal um einzelne Aspekte der Serie und fügen noch einmal gut 75 Minuten an Hintergrundwissen hinzu – insgesamt eine herausragend informative Extrasektion.

Fazit

Hannibal – die komplette dritte Staffel ist inszenatorisch und optisch noch stärker meditativ als bisher ohnehin schon, dringt noch tiefer in die Psychologie und Seele seiner Protagonisten ein und entwickelt sich bis zum Herzschlagfinale zu einem Serientrip sondergleichen. Für Mainstream-Gucker ist das nach wie vor nichts – eher für solche, die gerne einen Schritt weitergehen und sich auf die tiefenwirksame Ebene der Serie einlassen können. Das Finale von Season 3 ist dabei höchst emotional geraten und lässt den Zuschauer atemlos zurück.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 75%
Tonqualität (Originalversion): 75%

Bonusmaterial: 90%
Serie: 85%

Anbieter: Studiocanal
Land/Jahr: USA 2014
Regie: Diverse
Darsteller: Hugh Dancy, Mads Mikkelsen, Laurence Fishburne, Gillian Anderson, Zachary Quinto, Caroline Dhavernas, Joe Anderson, Richard Armitage
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 558
Codec: AVC
FSK: 18 (ungeschnitten)

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