Hardkor Disko – Generation Lost

Blu-ray Review

Hardkor Disko - Generation Lost Blu-ray Review Cover
Lighthouse, 17.02.2017

OT: Hardkor Disko

 


Mysteriös

Das polnische Drama mit Gewaltnote versucht, den Zuschauer nachhaltig zu verstören …

Inhalt

Irgendwo in Warschau: Der mysteriöse Marcin zieht scheinbar ziellos umher. Doch er führt etwas im Schilde. Abends verschafft er sich Zugang zu einem der besseren Wohnblocks und will gerade, bewaffnet mit einem Messer, an einer Tür klingeln. In dem Moment tritt Ola, die Tochter der dort wohnenden Familie heraus. Marcin folgt der partylustigen Frau und nähert sich ihr den ganzen Abend über. Er nimmt Teil an ihrem nächtlichen Exzess aus Alkohol und Drogen und verbringt im Anschluss die Nacht bei ihr. Am Morgen ist Ola schon fort und Marcin findet sich am Frühstückstisch der liberalen Eltern wieder, die ihm äußerst freundlich und offen begegnen. Doch Marcin ist nicht zufällig hier und seine für den Moment gezeigte charmante Seite ist nur Fassade. Denn Marcin hat einen Plan – und der ist mörderisch …

Graue Bilder einer Metropole, anonymer Hedonismus, ein paar Alltagsweisheiten der verlorenen Generation und harter und kühler Sex – Hardkor Disko ist nicht gerade ein Feuerwerk an romantischen Situationen oder positiven Zukunftsstimmungen. Krzysztof Skoniecznys Langfilmdebüt, das er mit 30.000 Euro unabhängig von der Industrie produzierte, ist düster und kalt, liefert aber stets durchkomponierte und stylische Bilder. Den Bruchbuden der Partys stellt er das aufgeräumt-helle Bild der Architekten-Wohnung gegenüber und komponiert das Ganze mit einem Mix aus elektronischer und klassischer Filmmusik zu einem faszinierenden Gesamtwerk. Hardkor Disko verschweigt durchweg die Motive für Marcins Handeln, dessen Freundlichkeit sich nach einer halben Stunde plötzlich und radikal ändert. Als Zuschauer ahnt man zwar, dass hier nicht alles Eitel Sonnenschein ist, doch die unmittelbar eintretende Gewalt schockiert dennoch. Vor allem, weil man sich gerade damit angefreundet hat, dass die Familie eine Beziehung zu dem fremden Mann aufzubauen beginnt. Ein klein wenig Erinnerung an Hanekes Funny Games wird wach, weil auch hier das gewaltvolle Unbekannte in das Idyll einer liberalen Familie eindringt. Herausragend ist bisweilen die Kameraarbeit. Vor allem die Szenen der gemeinsamen Autofahrt Richtung Berge und Marcins erste Tat, die von Kameramann Kacper Fertacz bewusst aus weiter Entfernung gezeigt wird, um die Distanz zu den Geschehnissen zu verstärken, sorgt so für eindringliche Momente.

Allerdings ist es auch gerade diese Distanz, die es etwas schwer werden lässt, sich auf die Interpretationsmöglichkeiten des Films einzulassen. Denn Raum für Deutungen gibt’s reichlich – eben gerade, weil es keinerlei Hintergründe gibt. Warum beispielsweise sucht sich Marcin ausgerechnet diese Familie aus? Kennt er sie oder ist es doch zufällig? Was haben die eingestreuten Bilder eines kleinen Mädchens auf Super-8-Video sowie die Superzeitlupen eines molotowcocktail-werfenden Marcin zu bedeuten? Manchmal bekommt man hier den Eindruck, dass sich Krzysztof Skonieczny bewusst einer Erklärung entzieht, weil er vielleicht gar keine hat. Als Zustandsbeschreibung einer „Generation Lost“, so der Filmuntertitel, reicht es jedenfalls nicht ganz aus. Gleichwohl hat Hardkor Disko wirklich starke Bilder, was darauf hoffen lässt, dass Skoniecznys Film kein Einzelwerk bleibt, denn Talent hat der junge Mann. Ebenso übrigens wie seine vier Darsteller, die hervorragend zusammen agieren. Marcin Kowalczyk gibt den kühlen und unbarmherzigen Protagonisten mit einer beängstigenden Präsenz und Diabolik. Jasmina Polak als Ol(g)a setzt ihm ein wenig Wärme gegenüber und ist seit dem 2014er Hardkor Disko auch weiterhin gut im Geschäft.

Bild- und Tonqualität

Hardkor Disko macht teils recht ausgiebig von einer gewissen Körnung Gebrauch, um dem Film einen möglichst analogen und authentischen Eindruck zu geben. Auch nutzt die Kamera schon mal extreme Schärfe-Untiefen, um im Vordergrund stehende Gesichter maximal herauszuschälen. In solchen Momenten ist die Schärfe äußerst gut und offenbart praktisch jedes Detail. Farben bleiben durchweg einer Graupalette verschrieben, der Kontrastumfang ist bewusst etwas geringer gehalten, um ein sehr helles Bild zu zeichnen.
Akustisch beginnt Hardkor Disko zunächst unauffällig, bis sich die Szenerie nach fünf Minuten in eine Disko verlegt. Sowohl die Beats im Vordergrund als auch das Wummern des Basses, wenn Marcin auf der Toilette Olas Freund vermöbelt, sind hübsch räumlich und druckvoll. Auch die Züge, die über der Brücke vorbeiziehen, auf der Ola und Marcin sitzen, fahren effektvoll durch die Rearspeaker. Die Dialoge der gut gelungenen Synchronisation kommen verständlich aus dem Center.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Hardkor Disko finden sich nur ein paar Programmtipps des Anbieters.

Fazit

Hardkor Disko verschließt sich ein wenig zu sehr, um eine echte Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen zu ermöglichen. Dennoch lohnt der Film aufgrund seines visuellen Stils und seiner engagierten Darsteller einen oder vielleicht auch einen zweiten Blick – zu interpretieren gäbe es jedenfalls eine Menge.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 5%
Film: 60%

Anbieter: Lighthouse Film
Land/Jahr: Polen 2014
Regie: Krzysztof Skonieczny
Darsteller: Marcin Kowalczyk, Jasmina Polak, Agnieszka Wosinska, Janusz Chabior, Krzysztof Skonieczny
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, pl
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 83
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Hardkor Disko

Hardkor Disko l Trailer Deutsch HD

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