DVD Review
OT: –
Gier
Warum nicht mal ein richtig kleiner dreckiger Genrefilm aus Deutschland?
Inhalt
Sechs Jahre hat Harms im Knast gesessen und zum Abschied noch mal ein paar brutale Insassen übel zugerichtet, als er in die Freiheit entlassen wird. Es erwarten ihn Tristesse und eine Welt, in der einem die Hotels ungefragt eine Sonderreinigung auf die Kreditkarte buchen, wenn man sich eine Kippe anzündet. Keine Welt für Harms, der es direkt und unverblümt mag. Als ein unbekannter Fremder auf ihn zukommt und ihm einen Job anbietet, der in kurzer Zeit und auf unkomplizierte Art einen Haufen Kohle einbringt, sagt er deshalb nicht Nein. Zu den eigenen Bedingungen stellt er ein kleines Team aus alten Bekannten zusammen, um diesem Leben noch mal eine Wendung zu geben. Das Ziel ist die Bundesbank, möglich sind bis zu 100 Millionen Euro. Der Unbekannte ist ein Ex-Vorstand der Bank und weiß, wie man „rein“ kommt. Doch kann sich Harms wirklich auf seine Kollegen verlassen?
Das deutsche Genrekino hat es nicht leicht. Immer mal wieder versuchen es Regisseure mit anspruchsvollen Gangsterthrillern und scheitern in den Lichtspielhäusern meist kläglich. Auch Harms, dessen Kinoauswertung im Juni 2014 stattfand, war kein Erfolg beschieden. Gerade einmal 2.500 Besucher lösten eine Karte – und das trotz der prominenten und hochkarätigen Besetzung. Gerecht wird dies dem Film von Nikolai Müllerschön allerdings nicht ansatzweise. Mit Gespür für authentische Atmosphäre und die runtergerockten Typen der Großstadt, folgt der Regisseur seinen Figuren bis in die untersten Ebenen der kriminellen Verwicklungen, scheut nicht vor brutalen und äußerst rohen Momenten und zeigt, dass es in brenzligen Situationen lange nicht so durchgestylt und souverän zugeht, wie es uns große US-Produktionen vormachen wollen. Nein: Verbrechen ist dreckig, zynisch und gemein. Ein großer Glücksgriff ist dabei die Besetzung von Harms. Heiner Lauterbach nimmt man die tätowierte Ex-Knasti-Rolle mit Seehundbärtchen vom ersten Moment an ab. Deutlich ungeschminkter und unglamouröser als sonst wirkt er in der Titelrolle, zeigt sich körperlich gut durchtrainiert und redet gerade so viel wie er muss, um seiner Figur Glaubwürdigkeit zu verleihen. Axel Prahl als seine nervöse rechte Hand spielt die böse Variante seines Tatort-Kommissars und darf dieses Mal auf der anderen Seite des Gesetzes stehen. Dabei flucht er wie ein Kesselflicker und reißt permanent sexistische oder rassistische Sprüche – selten hat man im deutschen Kino einen größeren Schweinehund gesehen. Diese schauspielerische Qualität zieht sich durch bis in die kleinste Nebenrolle und lässt Harms zu einem bemerkenswerten Gaunerdrama werden. Das Ganze ist allerdings vermutlich einfach so düster und runtergekommen, dass der Mainstream-Kinogänger einfach keinen Zugang zu Harms findet.
Bild- und Tonqualität
Das Bild von Harms ist ebenso schmuddelig wie der Film selbst. Die Schärfe ist nur selten wirklich gut, Farben wirken ausgewaschen und an senkrechten Linien zeigen sich bisweilen gar chromatische Aberrationen.
Akustisch gibt’s nur selten Anlässe für sämtliche Lautsprecher, ihr Dasein zu demonstrieren. Ausgenommen ein paar weniger Musikmomente bleiben vor allem die Rearspeaker ruhig. Wenn dann der Bruch stattfindet, gibt’s ein paar perkussive Sounds auf die Effektlautsprecher und ansonsten bleibt’s bei gut verständlichen, ab und an etwas muffigen Dialogen.
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Harms geht’s so authentisch zu, wie im Film selbst. So gibt Darsteller André Hennicke, während er seinem jungen Sohn? Limonade eingießt, zum Besten, dass er den Film unbedingt machen wollte, weil er dieses Jahr noch zu wenig Leichen hinterlassen hat.
Fazit
Aus einer Schnapsidee von Regisseur und Hauptdarsteller entwickelte sich ein dreckiges Stück Genre, das praktisch unabhängig finanziert wurde und rundum überzeugt. Harms ist sicher einer der besten deutschen Filme der letzten Jahre.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 50%
Tonqualität: 55%
Bonusmaterial: 20%
Film: 80%
Anbieter: Kinostar/AL!VE
Land/Jahr: Deutschland 2012
Regie: Nikolai Müllerschön
Darsteller: Heiner Lauterbach, Axel Prahl, Friedrich von Thun, Martin Brambach, André Hennicke
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 102
Codec: AVC
FSK: 16