Hatchet for the Honeymoon – Limited Edition

Blu-ray Review

Hatchet for the Honeymoon Blu-ray Review Cover
Wicked Vision, seit 30.03.2016

OT: Il rosso segno della follia

 


Auf ewig in der Hölle

Ein Meisterwerkt des Giallo erscheint auf Blu-ray.

Inhalt

John Harrington ist 30 Jahre und Paranoiker – also schlicht verrückt. Und das weiß er auch. Äußerlich als Besitzer eines Brautmodengeschäfts und Ehemann seiner eifersüchtigen Mildred eher unauffällig, tötet er in seinem zweiten „Leben“ junge Frauen. Fünf Stück sind es bereits und meist bringt er sie in der Nacht ihrer Hochzeit mit einem Beil um. Der Grund für sein Verhalten liegt darin, dass er vermutet, mit jedem Mord der Wahrheit ein Stück näher zu kommen – der Wahrheit, wer seinerzeit seine eigene Mutter getötet hat. Nachdem er seine Mildred, die ihn stets herablassend behandelt, ermordert, kehrt diese als Geist zurück. Alerdings nur als einer, den die anderen sehen, nicht John selbst. Mildred rächt sich auf diese Weise an ihrem Ehegatten, der am Ende der schrecklichen Wahrheit ins Auge blicken muss …

Mario Bava, der schon ab 1943 als Kameramann erfolgreich unterwegs war, inszenierte 1963 und 1964 mit La ragazza che sapeva troppo und Blutige Seide zwei Filme, die heute als Start des italienischen Giallo gehandelt werden. 1969 legte der stilistisch herausragende Filmemacher mit Hatchet for the Honeymoon seinen vielleicht persönlichsten Film vor, der ebenfalls dem Giallo verpflichtet ist. Wurde er seinerzeit von den Kritikern noch unterschätzt und als eines von Bavas schwächeren Werken abgetan, erfuhr Hatchet spätestens mit Mary Harrons American Psycho eine Wiederbelebung. Immerhin kann man den von Bava selbst geschriebenen Film zumindest inhaltlich als einen frühen American Psycho bezeichnen. Gleichzeitig nutzt das Werk Motive aus Hitchcocks Psycho und dringt in seiner finalen Auflösung gar in freud’sche Persönlichkeitsanalysen vor. Wie schon in seinen vorherigen Filmen nutzt der italienenische Regisseur in Hatchet for the Honeymoon ebenfalls häufige Zoomeinstellungen – manchmal nur auf Dinge, nicht auf Personen. Damit zollt er seiner eigenen Idee Tribut, dass ihn vor allem die Angst der Menschen interessiere, die alleine in einem Raum sind und Furcht vor Gegegenständen bekommen, die plötzlich ein Eigenleben zu entwickeln scheinen. Dazu gesellt sich das typisch theaterhafte Agieren der Schauspieler und die bekannt-hektisch-zerfahrene Musik, die man oft in Giallos zu hören bekommt. Zum Gelingen des Films trägt aber auch die mondäne Kulisse des hübschen Anwesens der Harringtons bei – okay, über die Tapeten kann man aus heutiger Sicht sicher streiten. Während bei den italienschen Horrorthrillern der Zeit oft die Optik deutlich über der inhaltlichen Substanz stand, darf man Hatchet for the Honeymoon durchaus zu den Vertretern zählen, die in ihrer Geschichte über einen Soziopathen tiefgründigere Töne anschlagen und dem Ehespruch „Für immer an deiner Seite“ eine neue Facette abgewinnen. Natürlich kommt das Stilelement aber auch hier nicht zu kurz und Bava zelebriert geradezu einzelne Elemente des Subgenres. Da er hier auch als Kameramann fungierte, ist es vor allem deren unruhiger Einsatz, der die kaputte Psyche Johns symbolisieren soll. Bisweilen torkelt seine Kamera durch die Räume, schlägt zackige Haken oder nutzt die schon angesprochenen Schnell-Zooms, um das Gefühlsleben des Protagonisten zu versinnbildlichen.

Nach Die Todeskarten des Dr. Schreck ist Hatchet for the Honeymoon die #2 in der Collector’s-Edition-Reihe von Wicked Vision, dem Magazin für den Phantastischen Film. Der Anbieter ließ es sich dabei erneut nicht nehmen, die Blu-ray mit umfangreichen Zusatzmaterial auszustatten: Beginnend beim exklusiv für diese Edition in Rom gefilmten Vorwort von Dagmar Lassander (der Helen Wood aus dem Film), das sie wahlweise in deutsch oder englisch eingesprochen hat. Darüber hinaus wurde für die deutsche HD-Premiere das Bild vom 35mm-Negativ neu abgetastet, sodass der Film qualitativ in neuem Glanz und neuer Pracht erstrahlt. Auch das enthaltene Videofeature von Professor Dr. Marcus Stiglegger (Film- und Kulturwissenschaftler an der Uni Mainz) sowie der Audiokommentar des Bava-Experten Pelle Felsch sind exklusiv für die Veröffentlichung produziert worden. Auf die Tonspur haben es neben der deutschen auch die englische und die italienische Originalfassung geschafft. Dazu gibt’s deutsche und englische Untertitel für den Film selbst – gleiches gilt für den Audiokommentar und die Extras, die ebenfalls in beiden Sprachen untertitelt wurden.
Wer schnell genug ist, kann sich noch eins der streng limitierten Mediabooks sichern, das zusätzlich noch ein 24-seitiges Booklet (geschrieben von Stiglegger) sowie die DVD des Films bereithält. Das Mediabook gibt es in zwei Covervarianten, die auf 444, respektive 888 verknappt wurden.

Bild- und Tonqualität

Für die HD-Erstveröffentlichung von Hatchet for the Honeymoon wurde das 35mm-Kamera-Negativ neu abgetastet und restauriert. Das sieht man vor allem den lebhaften Farben und den erstaunlich guten Kontrasten an. Schwarz ist absolut knackig und gerade in Innenraumszenen wirklich plastisch gelungen.
Dass ein italienischer Film aus den 60ern nicht ganz ohne Patina auskommt, ist zum einen nicht tragisch und zum anderen ist es der Atmosphäre von Hatchet zuträglich. So zeigt sich neben Blitzern oder leichten Schmutzpartikelchen auch schon mal eine kurzzeitig beständige Fehlstelle im Negativ (unten links 12’38). Während die zahlreichen Zooms, die Bava seine Kamera vollziehen lässt, nicht ganz scharf geraten sind (ein Umstand für den die Blu-ray natürlich nichts kann, der mithin einfach produktionsbedingt ist), sind seine ruhigen Close-ups auf dem Niveau aktueller Filme. Bisweilen ist die Auflösung so gut, dass man auch den feinen Stoffverlauf auf Johns Jacket erkennen kann – sicherlich zum ersten Mal in dieser Form seitdem der Film seinerzeit aufgeführt wurde. Auch die Kantenschärfe ist hervorragend und die allgemeine Bildruhe ist gut. Ein dezentes analoges Filmkorn auf uniformen Hintergründen passt zum Film und fällt nie störend auf.
Der Ton von Hatcht for the Honeymoon liegt in dts-HD-Mono vor, der auf die beiden Stereokanäle als 2.0-Mischung abgelegt wurde. Er teilt sich subjektiv in zwei Teile auf. Zum einen wäre da die Filmmusik, die bisweilen arg schrill klingt und in den mittleren Frequenzen dröhnt (15’00). Dazu schwankt sie etwas und rauscht bisweilen in den Obertönen. Auf der anderen Seite stehen vorzüglich verständliche Dialoge, die frei sind von Dröhnen oder spitzen Lauten – hier und da zischelt es mal etwas, was aber nicht wirklich störend ist, sondern der Atmosphäre des Streifens eher zuträglich. Betrachten muss man die Bild- und Tonqualität natürlich vor allem im Bezug auf die bisherigen Fassungen. Anhand der deutschen und italienischen Titel- und Endsequenzen, die im Bonusmaterial zu finden sind, sieht und hört man, wie drastisch viel besser Bild und Ton der HD-Fassung sind. Hier schwankt der Ton weitaus mehr, kreischt richtig unangenehm im Ohr und das Bild ist verwaschen, unscharf und von Drop-outs durchsetzt.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Hatchet for the Honeymoon wird vom Audiokommentar des Bava-Kenners Pelle Felsch dominiert, der nicht nur mit einem unglaublichen Fachwissen über die Produktion (und das Genre an sich) glänzen kann, sondern durchaus augenzwinkernd eingesprochen hat. Es gibt nicht viele Audiokommentare, die derart interessant und vielfältig sind. Das bereits angesprochene Vorwort von Dagmar Lassander ist zwar recht kurz aber charmant. „A Hatchet for Dagmar“ ist ein neues und exklusives Interview mit Hellen-Darstellerin Dagmar Lassander, das zum gleichen Zeitpunkt gehalten wurde wie das Vorwort der Darstellerin. Sie lässt ihr schauspielerisches Leben Revuew passieren und nimmt dabei auch vor Ex-Kollegen kein Blatt vor den Mund – ein ebenso ehrliches wie authentisches Interview auf 25 Minuten Länge. „My Dying Bride“ ist ein brandneues und exklusives Video-Feature mit Marcus Stiglegger, der in knapp zehn Minuten noch einmal die Entstechungsgeschichte von Hatchet zusammenfasst. Hinzu kommen dann noch jeweils die deutschen und italienischen Titel- und Endsequenzen im „falschen“ Bildformat und in VHS-Qualität, was eine nette Möglichkeit ist, Bild und Ton mit der nun vorliegenden Blu-ray zu vergleichen. Komplettiert wird das Bonusmaterial mit einem spanischen Werberatschlag, dem italienischen Foto-Aushang, einer Artwork-Galerie und einer Trailershow. Die Mediabooks enthalten, wie oben angeführt zusätzlich noch das 24-seitiges Booklet, das Prof. Dr. Marcus Stiglegger verfasste und die DVD mit dem Film auf einer Extra-Disk.

Fazit

Hatchet for the Honeymoon ist eine würdige #2 in der Reihe der exklusiven HD-Veröffentlichungen von Wicked Vision. Angereichert mit tollen Extras und einem erstaunlich guten Bild sollten hier nicht nur Giallo- oder Bava-Fans zugreifen, sondern auch einfach Fans des Genres. Wer schnell genut ist, ergattert noch eins der beiden Mediabooks, die streng limitiert sind und irgendwann sicherlich mal viel Geld wert.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 65%
Tonqualität (dt. Fassung): 60%
Tonqualität (Originalversion): 60%
Bonusmaterial: 80%
Film: 70%

Anbieter: Wicked Vision
Land/Jahr: Italien/Spanien 1969
Regie: Mario Bava
Darsteller: Stephen Forsyth, Dagmar Lassander, Laura Betti, Jesus Puente, Femi Benussi
Tonformate: dts HD-Master 2.0: de, it
Bildformat: 1,78:1
Laufzeit: 88
Codec: AVC
FSK: 16

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