Blu-ray Review
OT: Head Full of Honey
Ausflug nach Venedig
Til Schweiger drehte ein US-Remake seines eigenen Kinohits.
Inhalt
Seit Amadeus‘ Frau gestorben ist, ist der Großvater von Matilda nicht mehr derselbe. Er vergisst immer mehr Dinge und lässt im Alltag gewohnte Verhaltensweisen vermissen. Aus Sorge holt sein Sohn Nick ihn aus dem Nordosten der USA zu sich ins heimische London, was dessen Frau Sarah nur bedingt gut findet. Denn Opa benimmt sich immer seltsamer und fackelt aus Versehen fast das Haus ab. Nur Enkelin Matilda nimmt ihren Großvater wie er ist und tut alles, damit er sich wohlfühlt. Deshalb will sie ihm auch einen Wunsch erfüllen, denn ein Gedanke ist beim ehemaligen Tierarzt Amadeus noch präsent wie gestern: Der Venedigaufenthalt vor Jahrzehnten, bei dem er seine Frau kennen lernte. Also packt Matilda eine Tasche, schnappt sich ihren Opa und besorgt ein Zugticket in die Stadt der Liebe – der Beginn einer Reise voller schöner aber auch trauriger Momente …
Für eins muss man Til Schweiger durchaus Respekt zollen: Er probiert es immer wieder. Auch wenn er bei seinen filmischen Ausflügen nach Amerika (egal, ob auf darstellerischer oder produktionstechnischer Seite) immer wieder auf die Nase fällt, steht er auf und probiert’s noch mal. Das ist sowohl bewundernswert als auch irgendwie masochistisch und ein bisschen arrogant. Denn selbst er müsste langsam merken, dass nach One Way (weltweites Kino-Defizit rund 4 Mio. Dollar) oder Rache – Vergeltung hat ihren Preis (den Kinoverleihe weltweit fast unisono ablehnten) offenbar nur seine in Deutschland produzierten/inszenierten/gespielten Filme funktionieren. Schweiger war aber von der Story seines Megahits Honig im Kopf offenbar derart überzeugt, dass er den Film auch einem US-Publikum zugänglich machen wollte. Jetzt ist es so, dass die Amerikaner nur äußerst ungerne in fremdsprachige Produktionen gehen und es praktisch keine Synchron-Industrie für ausländische Realfilme gibt. Das einzige, das dann bleibt, ist ein Remake. Warum sollte die Geschichte um einen an Alzheimer erkrankten Großvater, der von seiner Enkelin auf eine Reise nach Venedig „entführt“ wird, nicht auch in Amerika funktionieren – immerhin ist die neurodegenerative Erkrankung ein global bewegendes Thema. Weil Schweiger aber offenbar die Kontrolle über seine Story nicht abgeben wollte, setzte er sich in den sturen Kopf, das Ding gleich selbst neu zu inszenieren.
Doch er scheiterte mit Head Full of Honey – und das so richtig. Sahen Honig im Kopf hierzulande noch 7,2 Mio. Zuschauer (was ihm den 8. Platz der erfolgreichsten deutschen Filme seit 1968 bescherte), wurde das Remake nach nur sechs Tagen in den vier! angelaufenen Kinos gestoppt und abgesetzt. Ein flächendeckender Start kam nicht zustande und das Einspielergebnis belief sich am Ende auf unglaublich geringe 12.300 $. Kritiken wie jene der New York Times: („desaströs“) oder des Observer: („… so lustig wie eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung“) halfen sicherlich nicht dabei, mehr Leute ins Kino zu bringen. Jetzt stellt sich die Frage: Ist Schweiger das Remake so maximal entgleist und missglückt oder gibt’s ein Humorproblem zwischen Deutschland und den USA?
Um die Frage zu beantworten, gehen wir möglichst neutral an die Neuverfilmung heran. Wer zwischendurch mal im Review zum Original vorbeigeschaut hat (Klick) wird bemerkt haben, dass die obige Inhaltsangabe zum Film praktisch identisch ist (Namen und Schauplatz wurden geändert). Das geschah nicht etwa aus Faulheit meinerseits (okay, ein bisschen schon), sondern vor allem, um zu verdeutlichen, dass Schweiger praktisch ein 1:1-Remake inszeniert hat – zumindest inhaltlich.
Und auch bei der Besetzung ging er auf Nummer sicher – und das, obwohl der zunächst mit dem Remake assoziierte Michael Douglas dann wohl doch einen Rückzieher gemacht hat. Nick Nolte aber ist ein adäquater Ersatz und wie man Schweigers Ausführungen entnehmen kann, hat er sich trotz größter körperlicher Anstrengungen geduldig auf die Reise des Amadeus begeben. Auch Matt Dillon als Nick und Emily Mortimer als Sarah sind bekannte Gesichter. Und um das Familiäre zu unterstreichen, das den Schweiger’schen Filmen auch immer innewohnt, besetzte man (Ma)Tilda mit Noltes (später) Tochter Sophia. Auf diese Weise passt schon mal das Zusammenspiel zwischen Opa und Enkelin. Keine Experimente auch bei der akustischen Untermalung, die von melancholischen Klavierklängen oder den typischen Indiepop-Nummern bestimmt wird, die man aus den Schweiger-Filmen kennt. Und wenn man sich die erste halbe Stunde anschaut, dann kann man Head Full of Honey eigentlich nicht wirklich etwas vorwerfen. Durch das Spiel Noltes ist der Ton etwas verändert. Sein Amadeus ist grantiger, aber gleichzeitig herzlicher. Der etwas tollpatschige Humor Hallervordens weicht einer eher rührenden Variante, die mühelos zu Herzen geht. Dass man dem Regisseur vorwarf, seine Inszenierung wäre uninspiriert und der Film in einem „Gemüsemixer“ entstanden, ist fast als bösartig zu bezeichnen. Ja, es gibt Schwachpunkte: So ist Noltes Tochter Sophia keine wirklich talentierte Darstellerin. Die ausgedehnte Länge, die Schweiger hier häufig mit viel zu hektischen Schnitten kontert, ist ein weiteres Problem. Dazu sind manche von Honig im Kopf abweichende Witze zudem unter der Gürtellinie oder unpassend (Noltes Ärger über Donald Trump) und Emily Mortimer ist eine viel zu sanftmütige Schauspielerin, um all die gemeinen Sachen zu Amadeus zu sagen. Aber davon ab, kann man Head Full of Honey durchaus als bewegenden Film bezeichnen – selbst wenn der direkte Vergleich mit dem Original zu seinen Ungunsten ausfällt.
Bild- und Tonqualität
Wer glaubt, Head Full of Honey ändere den bekannten Look des Regisseurs, nur weil es ein US-Remake ist, der sieht sich getäuscht. Auch hier dominieren Sepiatöne, die ein bisschen an den Charme eines Möbelkatalogs erinnern. Natürlich passt das irgendwie zur Warmherzigkeit der Geschichte, selbst wenn es mittlerweile nervt, dass Schweiger sich damit ständig wiederholt. Ansonsten offenbart das Bild der Blu-ray in den hellen Bereichen deutliche Überkontrastierungen und der insgesamt sehr rauschfreie Look wirkt durchweg zu weich und wenig scharf. Beim Ton gibt’s schon mal echte räumliche Attacken, wenn Amadeus wie wild durch die Wohnung ballert und die Querschläger durch die Räume sausen. Auch am Flughafen gibt’s Effekte, wenn die großen Maschinen durch den Raum fliegen. Auch beim Unfall mit dem Umzugs-LKW oder dem Küchenbrand wird die volle Räumlichkeit ausgenutzt. Die Dialoge sind gut integriert und stimmig eingebettet, die Filmsongs werden recht dynamisch wiedergegeben. Highlight ist aber vor allem das unfreiwillige Feuerwerk nach etwas über einer Stunde, das spratzelnd und explosiv ins Heimkino gelangt.
Bonusmaterial
Das Bonusmaterial von Head Full of Honey ist einzig mit dem Titelsong („Airborne“ von Prinze George ft. May Rose) ausgestattet (im Menü falsch als „Prinz“ geschrieben), der im Abspann läuft. Ansonsten gibt’s nur die Trailer zum Film.
Fazit
Til Schweiger ist sicher nicht der bescheidenste Filmemacher unter der Sonne. Und einige seiner Arbeiten (gerade jene, die er in den USA begleitet hat) sind berechtigterweise wenig erfolgreich gewesen. Was man ihm hier aber an verurteilender Kritik entgegenbrachte, ist unangemessen und – mit Verlaub – boshaft. Head Full of Honey ist nicht so gut wie Honig im Kopf, aber wahrlich kein schlechter oder gar „desaströser“ Film.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 60%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 20%
Film: 70%
Anbieter: Warner Home Video Germany
Land/Jahr: D/USA 2018
Regie: Til Schweiger
Darsteller: Nick Nolte, Matt Dillon, Emily Mortimer, Sophie Lane Nolte, Jacqueline Bisset, Greta Scacchi, Eric Roberts
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, en
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 132
Codec: AVC
FSK: 6
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Warner Home Video Germany)