Blu-ray Review
OT: Hevi reissu
Aufgespießter Mastdarm
Headbanger aufgemerkt – hier kommt’s metallisch und laut.
Inhalt
Turo, Pasi, Lotvonen und Jynkky sind Kumpels seit sie denken können. Sie sind Metaller. Sie haben lange Haare. Sie spielen Metal. Seit zwölf Jahren tun sie dies in einem kleinen Raum auf dem Rentier-Schlachthof von Lotvonens Eltern. Allerdings covern sie bisher nur und haben noch keine eigenen Songs zustande gebracht. Dennoch ist ihr größter Wunsch, dass sie nach über einer Dekade endlich mal auf einer Bühne stehen und einen Gig geben. Pasi allerdings hält nichts davon, nur mit nachgespielten Liedern aufzutreten. Und da er sich an JEDEN Song, der jemals irgendwo gespielt und aufgenommen wurde, erinnern kann, scheitern Lotvonens Versuche, eigene Riffs zu entwickeln immer wieder. Alles war schon mal da. Bis er beim Zerteilen von Rentier-Knochen vom Sound inspiriert wird. Voll motiviert komponieren sie ihren ersten eigenen Titel und reißen den Proberaum fast ab. Als dann zufällig ein Kunde auftaucht, der Rentierblut kaufen möchte, stellt dieser sich als Veranstalter des berühmten nordischen Heavy-Metal-Festivals „Northern Damnation“ heraus. Jynkky steckt ihm das Demotape zu und weil Turo seiner Jugendliebe Miia imponieren will, heißt es bald, dass sie auf dem Festival spielen werden. Man gibt sich (endlich) einen Namen und spielt zur Probe schon mal als Vorband vor dem lokalen Schlagersänger Jouni. Und obwohl das gehörig in die Hose geht, lässt man nicht locker und fährt zum Konzert – selbst wenn sich die mittlerweile zum Trio geschrumpfte Band nie die Einladung dazu bekommen hat …
Metalheads sind in Wahrheit gar keine harten Burschen, die den Teufel anbeten und alle anderen mit ihren Blicken in die Hölle schicken können. Eigentlich sind sie schüchterne Romantiker, die auf die ständigen Anfeindungen ihrer Umwelt keine schlagfertige Antwort finden – so jedenfalls will es Heavy Trip, die jüngste Komödie aus Finnland. Und bevor die versammelten Langhaar-Träger und Schwarzkutten-Besitzer jetzt die mano cornuta gen Himmel reißen und sich von den ersten Zeilen über den Film unverstanden fühlen: Nicht so ernst nehmen. Überhaupt ist Heavy Trip eine sehr lustvolle und vor Zitaten nur so strotzende Hommage an die unterschiedlichen Spielarten des harten Metalls – und das nicht nur wegen der zahlreichen gecoverten Songs. Gerade der von Max Ovaska grandios nüchtern-analytisch gespielte Pasi ist ein wandelndes Metal-Lexikon. Wenn er seinen Bandkollegen ständig den Wind aus den Segeln nimmt, weil die von Lotvonen gespielten Riffs alle von bekannten anderen Gruppen stammen, ist das ein großer Spaß. Ebenso wie der Moment, wenn er mit Rentier-Geweih im Kiss-Make-up auftaucht und sich ab sofort Xytrax nennt.
Was Heavy Trip anderen Filmen mit ähnlichem Thema voraus hat, ist die Authentizität. Zum einen zeugt das Drehbuch davon, dass sich die beiden Regisseure Juuso Laatio und Jukka Vidgren mit dem auskennen, was sie hier geschrieben und inszeniert haben. Zum anderen engagierte man Lauri Porra für die Kompositionen des Soundtracks. Der ist kein Geringerer als der seit 2005 bei der finnischen Symphonic-Metal Band Stratovarius aktive Bassist und ein echter Könner.
Ebenfalls zuträglich ist die Tatsache, dass die Songs im Proberaum zwar overdubbed wurden, aber von den vier Darstellern gekonnt vorgetragen werden. Gitarre, Bass und Schlagzeug liegen absolut auf dem Takt und passen perfekt zu dem, was man hört. Ganz anders als bei so vielen angeblichen Musikfilmen, bei denen man überdeutlich sieht, dass keiner der Akteure musikalisches Talent besitzt. Bis hin zu den vollkommen ausgewaschenen, weil schon seit Jahrzehnten getragenen T-Shirts der Metal-Vorbilder reicht die „Echtheit“ des Films. Vermutlich war ein Produktionsassistent wochenlang damit beschäftigt, die Kreator-, Cannibal-Corpse-, Sodom- oder Megadeth-Shirts ein ums andere mal zu waschen, damit die Drucke möglichst abgelebt aussehen.
Außerdem muss jeder, der die Szene ein bisschen kennt und sich in ihr aufhält oder mal aufgehalten hat, einfach herzlich lachen, wenn Lotvonen das in typisch runenschriftartigem Stil per Kuli entworfene Logo vollkommen falsch liest.
Und selbst wenn Heavy Trip sich durchaus Zeit nimmt, um seine letztendliche Geschichte auf den Weg zu bringen, ist der Weg eben das viel zitierte Ziel. Und auf diesem säumen den Film so viele charmant gebrochene Klischees, dass es eine Freude ist. Angefangen bei der kruden Namensfindung, über Lappland-Stereotypen bis hin zu den richtig bizarr zugespitzten Details wie dem Ausgraben von Leichen. Das Ganze kumuliert dann in einem grandiosen Finale, das nicht nur musikalisch ein Fest ist, sondern auch eine Demonstration in Sachen Toleranz.
Bild- und Tonqualität
Heavy Trip hat zwar ein etwas zu helles und in dunklen Szenen nicht ganz kontraststarkes Bild, doch dafür überzeugt die Bildruhe, die vom digital gefilmten Material ausgeht. Farben sind ein klein wenig reduziert und knallen nicht bunt, was aber besser zum Thema passt als ein bonbonfarbener Look. Die Schärfe ist recht ausgewogen, reißt weder Bäume aus, noch ist sie zu weich. Außerdem ist ausgewogen über den gesamten Bildschirm verteilt.
Akustisch drückt die Front bei den Songs zwar ordentlich ins Heimkino, die Rearspeaker übernehmen aber nur ab und an ein paar Informationen. Das Vogelgezwitscher der Naturgegend hört man schon mal und der Score hallt ebenfalls ein bisschen über die Effektlautsprecher nach. Stimmen gelangen sauber über den Center zum Gehör. Und dann gibt’s ja noch die Explosion einer Granate, die schlagartig für echte Dynamik sorgt (68’28).
Bonusmaterial
Im Bonusmaterial von Heavy Trip wurden nur die beiden Trailer zum Film abgelegt.
Fazit
Heavy Trip hat das Zeug zum Kultfilm. Jeder Metalfan, der über sich und seine Szene auch nur ein bisschen lachen kann, wird sich hier köstlich amüsieren. Selbst wenn Story und Regie ab und an etwas holprig geraten sind. Aber hey: Schon alleine für das T-Shirt, das Ersatzdrummer Oula während des Gigs trägt, muss man den Film lieben. Und weil Sänger Turo verkündet, dass Impaled Rectum zurückkehren wird, dürfen die Macher ihn gerne beim Wort nehmen.
Timo Wolters
Bewertung
Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 70%
Tonqualität (Originalversion): 70%
Bonusmaterial: 10%
Film: 80%
Anbieter: Ascot Elite Home Entertainment
Land/Jahr: Finnland, Norwegen 2018
Regie: Juuso Laatio, Jukka Vidgren
Darsteller: Johannes Holopainen, Samuli Jaskio, Antti Heikkinen, Max Ovaska, Minka Kuustonen
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de, fi
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 87
Codec: AVC
FSK: 12
(Copyright der Cover und Szenenbilder liegt bei Anbieter Ascot Elite Home Entertainment)