Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen

Blu-ray Review

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen Blu-ray Review Cover
20th Century Fox, 14.06.2017

OT: Hidden Figures

 

 


Über die Zahlen hinaus

Kraftvolles und perfekt gespieltes Biopic.

Inhalt

Katherine Coleman wächst als Mädchen in den 20ern in West Virgina auf. Da sie sich in der Schule als echtes Talent erweist, darf sie schon zwei Jahre früher als gewöhnlich an die einzige Schule für Afroamerikaner im Süden der USA, die über die 8. Klasse hinausgeht. Dafür erhält sie ein Vollstipendium und rechnet vor Ort ihre älteren Mitschüler glatt an die Wand. Knapp vierzig Jahre später arbeitet sie gemeinsam mit der resoluten Dorothy und der frechen Mary tatsächlich bei der NASA. Denn die US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft hat hohen Bedarf an Mathe-Genies, die im Hintergrund die aufwändigen Berechnungen anfertigen, damit sich die USA gegenüber den Russen einen Vorsprung beim Wetteifern um die bemannte Raumfahrt erarbeiten kann. Als Al Harrison, der das Team für den bemannten Flug ins All leitet, einen Mathematiker braucht, der bei Vektor-Geometrie unschlagbar ist, fällt die Wahl intern auf Katherine. Doch obwohl sich die afroamerikanischen Frauen immer wieder bewiesen haben, traut man ihnen immer wieder nicht zu, dass sie einen wertvollen Beitrag leisten können. Unter Harrison lernt Katherine allerdings, was es heißt, hinter die Zahlen zu schauen – nicht nur zu kontrollieren, sondern Visionen zu entwickeln. Visionen, die bei den ersten bemannten Raumflügen von immenser Wichtigkeit sein würden …

Theodore Melfie (St. Vincent) bringt in seinem zweiten Langfilm den Amerikanern (und dem Rest der Welt) ein Stück Historie näher, von dem selbst die Macher des Films zuvor nichts wussten. Von den Damen, die im Hintergrund mit dafür sorgten, dass die US-Astronauten überhaupt ins All und wieder zurück kamen, erzählen die Geschichtsbücher nichts. Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen schlägt dabei gleich mehrere Themen an: Von mutigen afroamerikanischen Frauen, die für ihr Recht auf gleichberechtigte Jobs in guten Positionen streiten über den generellen Alltagsrassimus mit all seinen Zonen und Objekten für „colored people“ bis hin zur drohenden Arbeitsplatzvernichtung durch Großrechner. Dem Rassismus begegnet er dabei teils mit flottem Witz, wenn er beispielsweise den State-Patrol-Officer vom Saulus zum Paulus werden lässt, als er erfährt, dass die drei afroamerkanischen Damen mit Autopanne keine Unruhestifter sind, sondern ihren Teil dazu beitragen, dass man den Kommunisten den Rang abläuft. Fünf Minuten, nachdem er gerne einen Strafzettel verteilt hätte, gibt er den Ladies Geleitschutz.
Auch ansonsten wird Hidden Figures, seinen eigentlich ernsten Motiven zum Trotz, stets mit Verve und Humor erzählt, was ihm die erzählerische Schwere nimmt. Melfie spart dabei nicht mit leichtem Sarkasmus, wenn man sieht, wie einer Raumkapsel im Luftkanal die Einzelteile wegfliegen, weil die weißen US-Ingenieure nicht auf des Rätsels Lösung kommen. Natürlich bleibt einem im nächsten Moment das Lachen im Halse stecken, wenn Mary auf die Frage, ob sie sich auf die Stelle eines freien Ingenieurspostens bewerben würde, wäre sie ein weißer Mann, antwortet: „Ich müsste mir es nicht wünschen, ich wäre längst einer“.

Denn bei aller lockeren Inszenierung – die 60er waren für Afroamerikaner noch lange kein Zuckerschlecken. Von der strikten Trennung der Toiletten (die hier irgendwo weitab lagen), dem Sitzen auf den hinteren Busplätzen über ein blöd angeschaut werden, wenn man sich an der gleichen Kanne einen Kaffee zapft – Rassentrennung war Alltag.
Hidden Figures betrachtet seine Themen aber nicht nur aus der Sicht der Afroamerikaner, sondern auch noch aus weiblicher Perspektive. Mit dieser Herangehensweise wird es gleichzeitig möglich, Vorurteile auch noch auf die Mikroebene hinunter zu bringen. Beispielsweise, wenn (auch wenn’s nicht so gemeint ist) Mahershala Ali als Col. Jim Johnson (selbst kein Weißer) Katherine gegenüber ganz ungläubig ist, dass die NASA ausgerechnet FRAUEN mit der Bewältigung der anspruchsvollen Aufgaben betreut. Ab und an traut man Hidden Figures allerdings nicht ganz über den Weg, weil er dann doch bisweilen sehr versöhnlich porträtiert, wie man Katherine zu respektieren lernt. Und ob ein NASA-Abteilungschef wirklich das „for colored people“-Schild mit einem Brecheisen von der Toilette entfernt hat, sei mal dahingestellt. Für den Film leistet es natürlich einen emotionalen Anker, der für den Zuschauer gleichsam als Wendepunkt dient.

Bei der Besetzung weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Die drei Hauptdarstellerinnen wurden so unterschiedlich gecastet, wie ihre Figuren es auch sind und alle Drei machen einen perfekten Job. Taraji P. Henson (Person of Interest) ist in der Hauptrolle der Katherine sensationell. Sie schafft es gleichzeitig, die schüchtern-unterwürfige Afroamerikanerin zu spielen, die gelernt hat, sich unterzuordnen und bringt in den Momenten mit ihrem neuen Verehrer Jim gleichzeitig ungeahnt selbstbewusste Verhaltensweisen ins Spiel. Octavia Spencer als Dorothy gibt die weise Dienstälteste im Hintergrund, die „mal eben“ die IBM-Programmiersprache erlernt und Janelle Monáe hat die Herzen schon auf ihrer Seite, wenn sie dem Highway-Officer freche Kommentare drückt. Aber Hidden Figures macht nicht vor den Hauptrollen halt, sondern lässt herausragende Akteure als Supporting Actors agieren. Kirsten Dunst als schroff-spröde Personal-Vorgesetzte agiert souverän und Jim Parsons (The Big Bang Theory) als Ingenieur, der von Katherine ein ums andere mal düpiert wird, darf mal nicht den hyperintelligenten Nerd spielen, sondern „nur“ einen durchschnittlich hochbegabten Wissenschaftler, der seiner Mitarbeiterin Steine in den Weg legt. Das macht er mit einer angemessenen Portion an Verachtungswürdigkeit, ohne allzu sehr zum Hassobjekt zu werden. Herausragend aber ist Kevin Costner, dessen Al Harrison (im Übrigen eine fiktive Figur) mit Sarkasmus zu Werke geht, dabei aber keinen Unterschied zwischen Schwarz oder Weiß macht. Dass er während der Darstellung seiner Figur Nierensteine bekam und nur mit starken Schmerzmitteln weiterdrehen konnte, macht Costners Leistung noch außergewöhnlicher – zumal er bei der Auswahl seiner Hauptrollen zuletzt oft kein glückliches Händchen bewies.
Bei aller Schauspielkunst und allem Ernst der alltäglichen Rassismus-Probleme ist Hidden Figures aber auch ein spannender Film über den Wettlauf ins All – selbst wenn er es mit den Fakten nicht in jeder einzelnen Position ganz genau nimmt. So landete Mercury Atlas 6 NICHT exakt an den berechneten Daten, sondern 60 km weit davon entfernt – allerdings nicht, weil sich Katherine (die übrigens auch für die spontan nötigen Kalkulationen zum Wiedereintritt der verunglückenden Apollo 13 verantwortlich war) verrechnet hatte, sondern weil die Kapsel aufgrund unkalkulierbarer Umstände leichter war als angenommen.

Bild- und Tonqualität

Das Bild von Hidden Figures protzt mit satten Kontrasten, kräftigen Farben im 60er-Jahre-Look und ist in Naheinstellungen schön scharf. Die wenigen dunkleren Szenen sind etwas körniger, was aber kaum ins Gewicht fällt. Ab und an ziehen Details in Bewegungen etwas nach, was aber ebenfalls nur selten vorkommt und schon deshalb schnell in Vergessenheit gerät. Der eingesetzte Braunfilter lässt die Bilder noch wärmer und harmonischer erscheinen, kann aber auch nicht über die dezenten Unschärfen am unteren Bildrand hinwegtäuschen.
Beim Sound von Hidden Figures muss der deutsche Zuhörer auf die verlustfreie HD-Master-Spur sowie auf zwei weitere Kanäle verzichten. Denn während die Originalfassung in 7.1-dts-HD-Master vorliegt, muss man fürs Deutsche mit einer regulären 5.1-dts-Version auskommen. Da diese sich allerdings nicht nur tapfer, sondern sehr gut schlägt, ist das bei dem dialogzentrierten Film absolut kein Verlust. Die Surroundspeaker werden immer dann mit Informationen beliefert, wenn Raketen starten oder der soulige Soundtrack von Pharell Williams zu hören ist. Auch das Anschlagen der Rechenschieber und Schreibmaschinen in den Büros gelangt räumlich ins Heimkino (12’00). Auch die Nadeldrucker verrichten ihr Werk effektvoll (79’40) und wenn Glenn gen Orbit geschossen wird, gibt’s sogar mal richtig Bassgewalt.

Bonusmaterial

Im Bonusmaterial von Hidden Figures gibt’s neben dem Audiokommentar von Regisseur Melfi und Hauptdarstellerin Taraji P. Henson noch acht deleted Scenes, ein Making-of und ein Featurette über die Dreharbeiten in Georgia. Das Making-of ist in fünf Teile aufgeteilt, die sich mit den Hintergründen der Geschichte und der Dreharbeiten beschäftigen. Für die Beteiligten am Film war es vor allem unglaublich, wie verborgen die Leistung und die Tätigkeiten der Frauen bei der NASA waren. Alleine um dies zu ändern, waren alle mit dem Herzen bei der Sache. Auch erfährt man viel Interessantes zum Thema der Frauen, die damals von der Weltraumbehörde eingestellt wurden, um die Ingenieure zu entlasten – ein wirklich aufschlussreiches Making-of.

Fazit

Hidden Figures schafft es, gleichzeitig Biopic, Rassendrama und unterhaltsamer Historienfilm zu sein. Dabei stechen sowohl die beschwingte (manchmal vielleicht etwas gutmütige) Inszenierung als auch die Darsteller heraus – Pflichtprogramm für Freunde anspruchsvollerer Filmkost.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 80%
Tonqualität (dt. Fassung): 80%
Tonqualität (Originalversion): 80%
Bonusmaterial: 50%
Film: 80%

Anbieter: 20th Century Fox
Land/Jahr: USA 2016
Regie: Theodore Melfi
Darsteller: Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, Jim Parsons, Mahershala Ali, Aldis Hodge, Glen Powell, Kimberly Quinn, Olek Krupa
Tonformate: dts HD-Master 7.1: en // dts 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 125
Codec: AVC
FSK: 16

Trailer zu Hidden Figures

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen | Offizieller Trailer #1 | Deutsch HD German

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