Hin und weg

Blu-ray Review

Hin und weg Blu-ray Review Cover
Majestic/20th Century Fox, ab 26.03.2015

OT: –

 


Warum eigentlich Belgien?

Für Hannes sind die 510 Kilometer von Frankfurt nach Oostende die letzte Reise seines Lebens.

Inhalt

Hannes und seine Freundin Kiki fahren jedes Jahr mit ihren besten Freunden Michael, Mareike und Dominik sowie Hannes‘ Bruder Finn per Zweirad eine Tour ins Irgendwo. Dieses Jahr soll es Belgien sein – das Land der „Waffelfresser und Pralinenficker“ wie Dominik findet. Aber sei’s drum. Ohnehin ist der Anlass der Reise viel wichtiger, denn für Hannes wird es der letzte Trip werden. Schwer an ALS erkrankt, will er zum einen ein letztes Mal die Menschen um sich herum versammeln, die er liebt und zum anderen vor Ort legale Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Die anfängliche Beichte unter den bisher noch nicht eingeweihten Freunden sorgt unter der Gruppe natürlich zunächst für betretene Stimmung und die Entfernung fordert ziemlich bald auch ihren Tribut von Hannes. Doch die Truppe wäre nicht seit 15 Jahren gemeinsam unterwegs, wenn sie nicht zwischendurch immer wieder eine gute Zeit hätten. Und am Ende ist Hannes‘ Reise auch eine Möglichkeit für jeden einzelnen, zu sich zu finden und die eigenen Dämonen zu besiegen …

Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS. Eine degenerative Nervenkrankheit, die im Sommer 2014 weltweit durch die Ice-Bucket-Challenge Aufmerksamkeit erlangte, ist auch das Ausgangsthema von Hin und weg. Man könnte dem Film vorwerfen, dass er auf diesen Zug einfach kurzerhand aufgesprungen ist. Das allerdings ist aus zweierlei Gründen Quatsch: Zum einen wurde der Film schon deutlich vor genannter Facebook-Challenge konzipiert und gedreht, zum anderen ist Christian Züberts (Lammbock) jüngstes Werk viel zu sensibel und ausgewogen, um als Trittbrettfahrer eines 30-Sekunden-Internet-Gags verunglimpft zu werden. Vielmehr ist Hin und weg ein wohltuend klischeefreier Film über den Umgang mit dem Tod und über Freundschaft geworden, der zudem das Glück hat, ein großartiges Cast für sich gewonnen zu haben: Florian David Fitz, der schon als an Tourette erkrankter in Vincent will Meer einen ähnlichen filmischen Road Trip überzeugend absolvierte, geht in Hin und weg noch ein Stück weiter. Hier muss er sich auch körperlich auf die Krankheit einlassen und überzeugt sowohl in den schwierigen dramatischen als auch in den albern-witzigen Momenten. In Jürgen Vogel findet er seinen gewitzten Counterpart – eben jenen Typen, der die Gruppe immer wieder mitreißt und den Weg dafür bereitet, dass die melancholische Grundstimmung nicht überhandnimmt. Großartig, wenn er als Frau verkleidet seine Gruppenherausforderung umsetzt und im Pailettenkleid auf Pumps die lokale Diskothek entert. Ohnehin ist es der Gegensatz, sind es die Kontraste, die Hin und weg ausmachen. Da wechselt sich eine Szene, in der Hannes Nachts röchelnd nach Atem ringt mit einer ausgelassenen Schlammschlacht ab. Die komischen Anteile nehmen allerdings nie zu viel Raum ein, was den Blick auf die Ernsthaftigkeit der Krankheit zu keiner Zeit verschleiert oder gar das Thema der Lächerlichkeit preisgibt. Und vermutlich ist das Motiv der Sterbehilfe in einem deutschen Kinofilm noch nie so sensibel und würdevoll inszeniert worden, wie es Zübert in einer langen, stillen und respektvollen Szene zum Ende des Films hin schildert. Hin und weg ist nicht zuletzt an diesem Punkt absolut treffsicher und ein absolut starker deutscher Film.

Bild- und Tonqualität

Warme Farben, ausgewogene Kontraste und eine gute Laufruhe bestimmen das Bild von Hin und weg. Die Schärfe ist relativ gut, reißt aber keine Detailtiefe-Bäume aus. Schwarzwert, Kantenabgrenzung und und Rauschfreiheit gefallen. Lediglich in einigen Schwenks ruckelt es mal kurz und in der letzten Szene mit Hannes übernimmt bewusst ein Weichzeichner das Zepter.
Beim Ton von Hin und weg funktioniert die Räumlichkeit immer dann gut, wenn die Freunde Nachts vor ihren Zelten sitzen und dezente Naturgeräusche oder knisterndes Feuer über die Rearspeaker zu vernehmen sind. Auch der Titelsong und die zwischendurch eingespielten Titel von den Mixtapes der Radlertruppe gelangen räumlich ins Heimkino. Ansonsten hält sich der Film akustisch dem Thema entsprechend dezent zurück und nutzt bewusst auch schon mal die Stille.

Bonusmaterial

Das Bonusmaterial von Hin und weg ist prall gefüllt mit Featurettes, Interviews, entfallenen Szenen, Bildergalerien, Plakatentwürfen und Fanfotos. In Sachen „Hinter den Kulissen gibt es Aufnahmen von der Weltpremiere in Locarno und von der Galapremiere in Berlin. Dazu gesellen sich Publikumsstimmen und Aufnahmen vom Team in Locarno. „Beste Freunde“ lässt die Hauptdarsteller erklären, was sie unter Echter Freundschaft verstehen. „Im Leben von Florian David Fitz“ begleitet den sympathischen Schauspieler ein wenig durch desse Karriere und rollt ein wenig auf, warum das Thema LEGO in seinem Leben eine große Rolle spielt. Fitz darf man auch bei dessen Auftritt in der TV-Show joiZone beobachten, in der der junge Moderator sich zwar als nett aber eben auch ein wenig naiv outet. „Im Cineworld Mainfrankenpark“ gesellt sich zum Regisseur auch Fitz, um dem Publikum und auch der Moderatorin Rede und Antwort zu stehen. Das Musikvideo von Ryan Keen „Skin & Bones“ rundet die Extrasektion von Hin und weg ab.

Fazit

Genauso müssen Tragikomödien sein! Hin und weg hält beständig die Waage aus Leichtfüßigkeit und nötigem Ernst, trägt dazu bei, eine unterschätzte Krankheit zu verstehen und ist gleichzeitig ein toller und glänzend besetzter Film über Freundschaft.
Timo Wolters


Bewertung

Bildqualität: 70%
Tonqualität (dt. Fassung): 65%
Bonusmaterial: 60%
Film: 80%

Anbieter: Majestic/20th Century Fox
Land/Jahr: Deutschland 2014
Regie: Christian Zübert
Darsteller: Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel, Miram Stein, Volker Bruch, Victoria Mayer, Johannes Allmayer, Hannelore Elsner
Tonformate: dts HD-Master 5.1: de
Bildformat: 2,35:1
Laufzeit: 95
Codec: AVC
FSK: 12

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